Pershing II in Deutschland: Die Kosten des Kalten Krieges und die Suche nach Frieden

Seite 3: Plötzlich wurde der Ton wieder rauer

In einer Rede auf dem Parteitag der polnischen Kommunisten am 30. Juni warf Gorbatschow der USA Sabotage bei den Abrüstungsverhandlungen in Genf vor und Nato-Oberbefehlshaber General Bernard Rogers sprach sich am 27. August in einem Stern-Interview dafür aus, an den Mittelstreckensystemen festzuhalten.

Als in Genf am 18. September die sechste Runde der Rüstungskontrollverhandlungen begann, kamen jedoch neue Vorschläge an die Öffentlichkeit. Nach einem Bericht der New York Times vom 19. September waren die USA und die UdSSR bereit, die Zahl ihrer in Europa stationierten Mittelstreckenraketen auf eine symbolische Stärke zu verringern. Beide Seiten sollten über jeweils 420 bis 450 Sprengköpfe verfügen dürfen.

Der Durchbruch und die Sorge um einen Bluff

Das Jahr 1987 brachte schließlich den endgültigen Durchbruch. Beide Seiten legten im März und April Entwürfe für den Abbau von Mittelstreckenraketen in Europa in Genf vor. Allerdings sorgte der US-amerikanische Vorschlag, die Pershing II in der Reichweite unter 1.000 km zu reduzieren, bei der Sowjetunion für Verstimmung. Es war von einem Bluff die Rede.

Geschickt unterlief Gorbatschow diesen Vorschlag mit einem eigenen Vorschlag in einer Rede am 10. April in Prag, in Genf auch über Raketen kürzerer Reichweite zu verhandeln.

Gorbatschow präzisierte bei einem Besuch von US-Außenminister Schultz am 14. April in Moskau seinen Vorschlag. Er präsentierte den Plan einer erweiterten Null-Lösung, der auch Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 1.000 km in das Verhandlungspaket mit einbezog.

Michail Gorbatschow und Ronald Reagan unterzeichnen 1987 in Washington den INF-Vertrag. Bild: White House / Public Domain

Deutschland: Hitzige Diskussionen

Der Vorschlag und insbesondere die Forderung der Sowjetunion, dass auch die Pershing Ia der Bundeswehr in die Verhandlung einbezogen werden müssen, führte zu teils heftigen Diskussionen in der Bundesrepublik.

Schließlich einigte sich die Bonner Koalition am 1. Juni 1987 darauf, der doppelten Null-Lösung zuzustimmen.

Dennoch veröffentlichte der Koalitionspartner CSU am 1. September eine Zehn-Punkte-Erklärung mit vehementer Kritik am geplanten INF-Abkommen: Das Abkommen schaffe drei Zonen unterschiedlicher Sicherheit und stelle den Sinn der Nato in Frage.

Doch auch dieser Querschuss konnte den erfolgreichen Abschluss der INF-Verhandlungen in Genf nicht mehr verhindern. Am 24. November 1987 kam es in Genf zur einer Einigung über den Vertrag zum Abbau der Mittelstreckenraketen. Gerade einmal 4 Jahre hatte damit das Zeitalter der amerikanischen Mittelstreckenraketen in Europa gedauert.

Was festgelegt wurde

In dem Vertrag wurde festgelegt, dass beide Seiten weltweit sowohl ihre landgestützten Nuklearraketen mit kürzerer (500–1.000 km) und mittlerer Reichweite (1.000–5.500 km) als auch deren Abschussvorrichtungen und Infrastruktur innerhalb von drei Jahren vernichten und keine neuen herstellen sollten.

Zum Vertrag gehörte auch ein Memorandum of Understanding (MOU), ein Protokoll über die Inspektionen und eines über die Zerstörung der Waffen. Laut Vertrag mussten die USA 846, die Sowjetunion insgesamt 1846 Raketen zerstören.

Bei einem Gipfeltreffen am 1. Juni 1988 in Moskau tauschten Gorbatschow und Reagan die Ratifizierungsurkunden zum INF-Vertrag aus.

Sowjetische Inspektoren in Mutlangen

Schon einen Monat später, am 5. Juli 1988, tauchten in Mutlangen sowjetische Inspektoren zur ersten Vor-Ort-Inspektion nach dem INF-Vertrag auf. Die ersten Pershing II-Raketen wurden am 17. November von Mutlangen abgezogen. In zwei Konvois verließen die ersten neun Pershing II-Raketen das Mutlanger Depot. In Frankfurt-Hausen wurden die Lafetten gemäß INF-Vertrag zersägt und die Raketen zur Zerstörung in die USA ausgeflogen.

Im April 1990 verließ die letzte Pershing II auf deutschem Boden den Stützpunkt auf der Heilbronner Waldheide, am Heck der Lafette hatten GIs ein Plakat angebracht:

We gave Peace a chance.