Pflanzenkrankheiten durch Zikaden: Gefahr für deutsche Landwirtschaft

Zuckerrübe mit Warnzeichen für Schädling

Bild Zuckerrübe: luis c. jimenez del rio / shutterstock.com / Grafik: TP

Befall macht ratlos. Die Krankheit trifft Kartoffeln und Folgekulturen. Noch fehlt den Landwirten eine praktikable Lösung für das Problem.

Die in Deutschland heimische, aber als gefährdet geltende Schilf-Glasflügelzikade (Pentastiridius leporinus) überträgt offensichtlich die Erreger Arsenophonus phytopathogenicus und Phytoplasma solani auf Zuckerrüben, was dort zur Syndrome Basses Richesses-Krankheit (SBR) führt, die wie der Name sagt, zur Reduzierung des Zuckergehalts der Rüben führt. Das Phytoplasma-Bakterium gilt auch als Erreger der Stolbur-Krankheit.

SBR-Erreger

Im Jahre 2022 wurde daneben auch die Winden-Glasflügelzikade (Hyalesthes obsoletus) in Kartoffel-Feldern entdeckt, deren Pflanze Stolbur-ähnliche Symptome aufwiesen, die dort als Bakterielle Kartoffelknollenwelke (BKW) bezeichnet wird.

Zum ersten Mal festgestellt worden soll der SBR-Erreger 1991 im Burgund, Frankreich, sein. In Deutschland erfolgte der Erstnachweis im Jahr 2007 im Raum Heilbronn. In Bayern wurde SBR im Jahr 2019 erstmals an Zuckerrüben nachgewiesen. Er hat sich im Jahr 2020 auf etwa 8.000 Hektar in der Anbauregion Ochsenfurter Gau ausgebreitet.

"Nach bisherigen Erkenntnissen ist ein wirtschaftlicher und nachhaltiger Anbau von Zuckerrüben unter SBR-Befallsbedingungen nicht möglich", vermerkt das Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus (StMELF) auf einer Seite der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Pflanzenschutz.

Globale Erwärmung: Phytoplasma-Epidemien befürchtet

SBR tritt vorwiegend in warmen Regionen auf, in welchen auch der Weinbau heimisch ist. Dort sorgen die gleichen Baktrien bei Reben zum Auftreten der Schwarzholzkrankheit. Manche davon befallenen Weinstöcke können wieder genesen, andere verkümmern und sterben vollständig ab. Die Gründe für die unterschiedlichen Entwicklungen sind bislang unbekannt.

Die Zikaden lieben Wärme und können sich besonders in solchen Regionen vermehren, die keine strenge Winter mehr kennen. Die globale Erwärmung könnte daher künftig zu größeren Phytoplasma-Epidemien führen und die landwirtschaftliche Nutzung hierzulande deutlich einschränken.

Bekämpfung der verstärkt auftretenden Pflanzenkrankheiten

Da die Schilf-Glasflügelzikade von Ende Mai bis Anfang September aktiv ist, ist eine chemische Bekämpfung mit Insektiziden kaum möglich. Behindert werde dürfte eine solche Bekämpfung auch dadurch werden, dass sie als gefährdet gilt.

Am ehesten scheint man das Problem auf dem Weg der Bodenbearbeitung in den Griff bekommen zu können. Dazu gehört der Anbau von Kulturen, welche einen Ausschlupf von Zikaden bremsen.

Beim Einsatz der Fruchtfolge zur Bekämpfung musste man jedoch schon einen ersten Rückschlag wahrnehmen. So ist der Anbau von Winterweizen nach Rüben, die befallen waren nicht sinnvoll weil die Zikaden dort problemlos überleben. Auch der Kartoffelanbau in den umliegenden Feldern erscheint nicht hilfreich, weil auch dieser von den Zikaden heimgesucht wird.

Da von den sogenannten Unkräutern nur Brennnesseln als Wirtspflanzen für SBR-Erreger nachgewiesen werden konnten, darf davon ausgegangen werden, dass die übliche Ackerbegleitflora kein Reservoir für den Erreger darstellt. Befallene Brennnesseln als Zwischenwirte leiden nicht unter dem Bakterienbefall.

Zur Bekämpfung der Brennnesseln, die vorzugsweise im November erfolgen sollte, werden systemische Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat empfohlen. Dabei sollte man die Brennnesseln grundsätzlich nicht während der Flugphase der Glasflügelzikade bekämpfen, weil diese sonst auf der Suche nach neuen Wirtspflanzen direkt in die Rebflächen einwandern würden.

Könnten die jetzt verstärkt drohenden Pflanzenkrankheiten auch Vorteile haben?

Auch wenn die durch die Pflanzenkrankheiten verursachten Einschränkungen für die betroffenen Bauern äußerst ärgerlich sind, für die Volkswirtschaft könnten sie durchaus hilfreich sein, weil die dadurch möglicherweise steigenden Preise dazu führen könnten, dass sie die Zucker-induzierten Krankheiten in der Bevölkerung reduzieren könnten.

Der übermäßige Zuckereinsatz in industriell zubereiteten Lebensmitteln steht im Verdacht, die deutsche Volkswirtschaft durch die vom Zuckerkonsum ausgelösten Krankheiten massiv zu belasten.

Ideen, wie eine erhöhte Steuerbelastung gezuckerter Getränke nach dem Vorbild der Briten, haben beim deutschen Gesetzgeber bislang keine Chance auf Umsetzung. Offensichtlich ist die Lobby der Lebensmittelindustrie und der Zuckerindustrie im Besonderen in Deutschland eine unüberwindbare Hürde darzustellen.

In Großbritannien sind zuckerhaltige Softdrinks seit 2018 mit einer extra Steuer namens soft drinks industry levy belegt. Das soll dazu geführt haben, dass der Zuckergehalt der Getränke drastisch gesenkt wurde.

In der Folge soll auch die Fettleibigkeit bei Kindern teilweise rückläufig sein. Warum der Rückgang der Fettleibigkeit nur bei Mädchen festgestellt wurde, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt.

Möglicherweise geht dies auf die spezifische Werbung für die gesüßten Produkte zurück, die als energiereiche Nahrung für Sportler angeboten werden, was ja auch zutrifft, allerdings auch eine entsprechende Aktivität fordert.