Ponader-Effekt?

Die Piratenpartei sinkt in einer aktuellen Umfrage wieder in den einstelligen Bereich

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In der aktuellen Infratest-Dimap-Umfrage für die ARD erreicht die Piratenpartei, die lange konstant bei elf Prozent lag, nur mehr neun. Nach den Gründen für diesen Absturz hat das Meinungsforschungsinstitut nicht gefragt. Weil sich sonst wenig verändert hat, mutmaßen viele Stimmen in Foren, dass es am neuen Personal liegt - vor allem am neuen politischen Geschäftsführer Johannes Ponader, der in Talkshows bislang weit weniger glänzen konnte als seine deutlich eloquentere Vorgängerin Marina Weisband. Auch die Mobbing-Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Rücktritt zweier Pressesprecher könnten bei manchem Wähler den Eindruck bestärkt haben, dass die Piraten schon eine ganz normale Partei geworden sind, in der das Streben nach Veränderung gegenüber dem nach Macht in den Hintergrund gerückt ist.

Ebenfalls Probleme mit dem Personal hat die Linkspartei, deren Deutschlandtrend-Wert nach dem Austausch der Parteispitze von sechs auf fünf Prozent zurückging. So schlecht schnitt die Gruppierung zuletzt vor sieben Jahren ab. Offenbar sehen die Wähler auch in den neu gewählten Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger nur bedingt Hoffnungsträger. Vor allem der Verdi-Funktionär Riexinger erscheint vielen Beobachtern wie ein zweiter Klaus Ernst - und seine Wortbeiträge werden im Web bereits entsprechend kommentiert ("so hört sich Charisma auf linkisch an"). Sollte sich der Trend unter die Fünf-Prozent-Hürde fortsetzen, bleibt der Linken allerdings noch die Hoffnung, als ostdeutsche Regionalpartei fortzubestehen und über Direktmandate in den Bundestag einzuziehen.

Johannes Ponader. Foto: Nocke-de. Lizenz: CC BY 3.0.

Die FDP, die lange bei drei Prozent verharrte, kommt nach den Erfolgen der Landespolitiker Wolfgang Kubicki und Christian Lindner nun schon in der dritten Infratest-Umfrage hintereinander auf fünf Prozent. Dass diese Erholung eher nicht Parteichef Philipp Rösler zu verdanken ist, zeigt dessen persönlicher Zustimmungswert, der auf 15 Prozent und damit auf ein historisches Tief sank. Ebenfalls nichts verändert hat sich für die Grünen, die bei 13 Prozent verharren. Die Sozialdemokraten gewinnen dagegen ebenso wie die Christdemokraten einen Punkt und liegen nun bei 30 Prozent beziehungsweise 34 Prozent. Auch die sonstigen Parteien können einen Prozentpunkt zulegen und liegen jetzt zusammengerechnet bei vier Prozent.

Für eine Regierungsbildung ergeben sich dem aktuellen Umfragestand nach mehrere Möglichkeiten: Die wahrscheinlichste davon ist eine große Koalition aus SPD und Union - auch deshalb, weil die beiden Parteien sich politisch sehr ähnlich sind, was unter anderem in der Frage der Vorratsdatenspeicherung deutlichen wird, zu der sich SPD-Parteichef Gabriel in der letzten Woche erneut via Twitter bekannte. Eine andere Möglichkeit wäre eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Hierzu müsste die FDP wahrscheinlich Philipp Rösler durch Rainer Brüderle ersetzen, der in Rheinland-Pfalz lange in einer Koalition mit der SPD regierte und entsprechend geringere Berührungsängste hat. Dass dies bereits beim nächsten Parteitag passiert, ist durchaus nicht unwahrscheinlich.

Ein weiterer Führungswechsel in der Linkspartei könnte dagegen eine rot-rot-grüne Regierung denkbarer machen. In der SPD mag man den dafür in den Startlöchern stehenden Dietmar Bartsch sogar so sehr, dass man ihm bereits öffentliche Eintrittsangebote unterbreitete. Unwahrscheinlicher ist nach den für die Grünen negativen Erfahrungen in Hamburg und im Saarland eine schwarz-grüne Bundeszusammenarbeit - auch wenn der Parteivorsitzende Cem Özdemir solch ein Modell nicht ausschließt.

Eine mögliche Einbeziehung der Piratenpartei in die Regierungsarbeit hängt davon ab, wie sehr sich die Partei in den nächsten eineinviertel Jahren verändert. Anknüpfungspunkte gibt es bislang eher zu SPD und Grünen, deren Projekt einer Bürgerversicherung auch unter Piraten Anhänger hat. Weniger schwierig als eine Regierungszusammenarbeit wäre die Einführung direkter Demokratie auf Bundesebene. Mit einem Einzug der Piraten in den Bundestag besteht nämlich eine realistische Chance, dass die CDU ihre Sperrminorität für eine Grundgesetzänderung verliert. Dann käme es nur mehr darauf an, wie ernst SPD, Grüne, Linke und FDP ihre Wahlversprechen zu Volksabstimmungen nehmen.

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