Es lag nicht nur an Mappus und Brüderle
Wo Union, FDP und SPD Personaldebatten führen sollten
Am Sonntag erlitten CDU und FDP schwere Wahlniederlagen: Die CDU in Baden-Württemberg, wo sie die Regierungsmacht verlor, die FDP vor allem in Rheinland Pfalz, wo sie mit nur mehr 4,2 Prozent der Wählerstimmen aus dem Landtag flog. Am Montag zogen zwei Politiker Konsequenzen daraus: Der baden-württembergische CDU-Vorsitzende Stefan Mappus erklärte, sein Parteiamt zur Verfügung zu stellen und der rheinland-pfälzische FDP-Landesvorsitzende Rainer Brüderle versprach, beim nächsten Parteitag im Mai nicht mehr für diesen Posten zu kandidieren.
Mappus und Brüderle tragen zweifellos Verantwortung für die Niederlage: Der baden-württembergische Ministerpräsident machte sich selbst zum Kristallisationspunkt für Atom-Ängste und ließ weder in Sachen Bürgerbeteiligung noch im Finanzpolitischen eine Gelegenheit aus, Wähler gegen sich aufzubringen. Dem Bundeswirtschaftsminister wurde zum Verhängnis, dass er angeblich eine triviale Wahrheit aussprach - nämlich die, dass die Regierung nicht immer rational handelt. In dem Kontext, in dem die nur halbherzig dementierte Bemerkung gefallen sein soll, wirkte sie auf viele Bürger allerdings wie die offizielle Bestätigung eines Komplotts. Als Landesvorsitzender hatte Brüderle zudem auch eine Wahlkampfaussage der rheinland-pfälzischen FDP zu verantworten, in der diese potenzielle Wähler mit der Forderung nach mehr Monopolschutz und einer "konsequenteren Urheberrechtsdurchsetzung" im Internet abschreckte.
Die beiden Rücktreter sind allerdings bei Weitem nicht die einzigen Akteure, die Schuld an den Niederlagen ihrer Parteien tragen. Der Niedergang der FDP, die bei der Bundestagswahl im Herbst 2009 noch bei 14,6 Prozent lag, begann lange vor dem Bekanntwerden des Brüderle-Protokolls und auch lange vor Fukushima. Und er korreliert in bemerkenswerter Weise mit dem von einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung strikt abgelehnten Umbau des Gesundheitssystems in Richtung einer Kopfpauschale, über den die FDP vor der Wahl 2009 praktisch nicht sprach. Mag sein, dass Brüderle die FDP von 4 auf 5 Prozent gebracht hat - aber vorher dürfte sie Philipp Rösler mit seiner Politik von fast 15 auf 5 Prozent gedrückt gaben.
Trotzdem wird in der FDP weniger über eine Ablösung Röslers gesprochen, als über die des Bundesvorsitzenden, auf den sich auch Leitmedien wie der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung eingeschossen haben. Dabei hat Westerwelle als Außenminister durchaus an Profil gewonnen. Sein besonnener Kurs in der Libyenfrage könnte auch beim Wähler Früchte tragen, wenn sich die Rauchschwaden von Fukushima verziehen und der Blick für andere Ereignisse frei wird. Schon jetzt ist sichtbar, dass die UN-Resolution, bei der sich Westerwelle enthielt, offenbar nicht dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen sollte, sondern dazu missbraucht wurde, aufseiten einer Bürgerkriegspartei in die Auseinandersetzung einzugreifen.
Dabei handelt es sich um "Rebellen", von denen keineswegs klar ist, wer sich hinter ihnen verbirgt, weshalb ein wenig Fragen vor dem Schießen nicht unangebracht scheint. Immerhin machte man bereits im Kosovokrieg den Fehler, faktisch das Organisierte Verbrechen an die Macht zu bomben. Und Frank-Walter Steinmeier meinte in der ARD-Sendung Hart aber Fair, er habe sich als Außenminister intensiv mit Libyen beschäftigt, und wisse deshalb, dass von den 13 bekannten Mitgliedern des 31-köpfigen "Übergangsrates" fünf im alten Regime für die Geschehnisse mit den bulgarischen Krankenschwestern verantwortlich waren, weshalb er anders als seine Partei gegen die Intervention sei.
Auch Stefan Mappus war in seiner Partei nicht der einzige Verantwortliche für die Wahlniederlage: Vor allem der Generalsekretär der CDU in Baden-Württemberg, Thomas Strobl, dürfte ebenfalls in erheblichem Maße daran schuld sein. Dass seine Ehefrau, die zufällig auch noch die Tochter Wolfgang Schäubles ist, Fernsehchefin des SWR wurde, hatte ein "Geschmäckle", das auch traditionellen Unionsanhängern sauer aufstieß. Und mit seiner unverhohlen geäußerten Forderung, die angeblich nur gegen Kinderpornografie geplanten Netzsperren sollten auch gegen "Killerspiele" eingesetzt werden, verprellte er gerade jüngere und technisch versierte Wähler, die dafür sorgten, dass die CDU ein deutlich stärkeres Vergreisungsproblem als andere Parteien hat.
Als der Vorsitzende des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom Verfassungsgericht am 3. März 2009 bescheinigt bekam, dass die Bundeswahlgeräteverordnung verfassungswidrig ist, versuchte er sich mit der Bekundung zu rechtfertigen, er sei "als Abgeordneter nicht dazu da, zu kontrollieren, ob die Exekutive ihre Arbeit richtig macht". Danach fragen sich möglicherweise nicht wenige Wähler, wozu CDU-Abgeordnete überhaupt da sind. All dies trug durchaus dazu bei, dass die baden-württembergischen Christdemokraten in eine Situation kamen, in der sie die Wahl verlieren konnten. Fukushima alleine war daran nicht schuld: Immerhin hatten Umfragen schon im letzten Jahr einen Machtwechsel für möglich erklärt, als niemand das Unglück vorhersehen konnte.
Aber nicht nur FDP und CDU, sondern auch SPD und Linke müssen sich fragen, welche Positionen und Personen dazu beitrugen, dass sie selbst in einer für sie eigentlich günstigen Ausgangslage noch Stimmen verloren. Infrage kämen da bei der SPD zum Beispiel der rheinland-pfälzische Staatskanzleichef Martin Stadelmaier, der Vater des umstrittenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) und der GEZ-Haushaltspauschale oder die Generalsekretärin Heike Raab, die Netzsperren gegen Jugendschutzverstöße forderte.
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