Riesenstaudamm auf dem Dach der Welt

Blick in ein spärlich bewachsenes, fast unberührtes Hochgebirgstal

Der Yarlung Tsangpo. Foto: Peter Stein, shutterstock

China genehmigt ein riesiges Staudammprojekt in Tibet. Doch wird der Nutzen die Risiken für die Umwelt und die zu befürchtenden Probleme mit Indien überwiegen?

Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete Ende Dezember 2024, dass die chinesische Regierung das Megaprojekt kürzlich genehmigt hat, das auch Teil des 14. Fünfjahresplans Pekings von 2021 bis 2025 ist. Das Wasserkraftprojekt am Yarlung-Tsangpo-Fluss in der autonomen Region Tibet wird beispiellose Investitionen erfordern, weil die technischen Herausforderungen gigantisch sind.

Die Gesamtinvestition in den Damm könnte eine Billion Yuan (130 Milliarden Euro) übersteigen, was jedes andere einzelne Infrastrukturprojekt auf dem Planeten in den Schatten stellen würde. Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua ließ allerdings offen, wann der Bau beginnen würde oder wo genau der Staudamm genau gebaut werden wird.

Der Yarlung Tsangpo fließt über das Tibeter Hochplateau und formt den tiefsten Canyon der Erde, bevor er Indien erreicht, wo er Brahmaputra genannt wird, um dann – zusammen mit dem Ganges – als Jamuna in Bangladesch ein riesiges Flussdelta zu bilden. Der Damm wird in einem der regenreichsten Teile des chinesischen Festlandes gebaut. Das Projekt soll jährlich fast 300 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugen.

Energie für 300 Millionen Menschen?

Zum Vergleich: Der gesamtdeutsche Stromverbrauch lag 2023 bei rund 457 Terawattstunden, die Erzeugung bei 448 TWh. Peking will mit der neu gewonnenen Energie 300 Millionen Menschen versorgen.

Während der Fluss um das Namcha-Barwa-Bergmassiv mäandert und dabei durch den gewaltigen Canyon fließt, verliert er fast 2.000 Meter an Höhe. Deshalb bietet diese Region einen der weltweit größten Potenziale für die Wasserkraftentwicklung. Aber seine abgelegene Lage hat eine Nutzung bisher verhindert. Erst 2013 wurde die Region mit einer Autobahn mit dem Rest des Landes verbunden.

Bedeutende technische Herausforderungen

Um das Wasserkraftpotenzial des Flusses voll auszunutzen, müssen jedoch vier bis sechs 20 km lange Tunnel durch das Namcha-Barwa-Bergmassiv getrieben werden. Dort soll später die Hälfte des Flusswassers – etwa 2.000 Kubikmeter pro Sekunde – hindurchfließen und Turbinen zur Stromerzeugung antreiben.

Peking lobt sich selbst für so viel Wagemut und verspricht, dass das Projekt den Umweltschutz priorisieren wird. Der Damm werde die Entwicklung von Solarenergie- und Windenergieressourcen in der Region fördern und so zur sauberen Energieerzeugung in der Region beitragen. Dies stelle einen großen Schritt in Chinas Übergang zu grüner und kohlenstoffarmer Energieinfrastruktur dar.

Doch löst das Projekt gerade auch aus Umweltgründen Besorgnis aus. Die South China Morning Post zitiert Fan Xiao, einen in der Provinz Sichuan ansässigen Geologen, der den Standort des Staudamms als "seltenen Biodiversitätshotspot" bezeichnet.

Umweltprobleme und Erdbebengefahr

Zudem liege die Region in einem geologisch instabilen Gebiet, wo sich die Indische Platte in die Eurasische Platte schiebt. Die Gegend sei seismisch aktiv und der Bau von Mega-Wasserkraftwerken – einschließlich hoher Dämme, großer Stauseen und riesiger Tunnel – erhöhe das Risiko von Erdrutschen und anderen Katastrophen.

So hatte erst im März 2021 ein massiver Gletscherkollaps in der Nähe des Großen Biegungsbereichs den Yarlung Tsangpo blockiert und den Wasserstand um 10 Meter ansteigen lassen.

Auch die lokale Bevölkerung könnte von den Auswirkungen des Staudamms schwer betroffen werden. Allerdings ist die Region nur sehr dünn besiedelt. Und schließlich könne das Projekt den Wettbewerb im Staudammbau zwischen den asiatischen Nachbarn in der Nähe ihrer umstrittenen Himalaya-Grenzen noch anheizen.