Russisches Gas: Österreichs heimliche Liebe in Zeiten des Krieges
Trotz Sanktionen und Krieg: Österreichs Bindung an russisches Gas bleibt stark. Die Energiepolitik ist umstritten. Was wird, wenn die Verträge auslaufen?
Österreich exportiert erstmals seit dem Jahr 2003 mehr Energie als das Land selbst verbraucht. Möglich ist dies wegen der gleichbleibend hohen Gasimporte aus Russland. Diese Nachricht macht gerade in internationalen Medien die Runde, im eigenen Land wird sie hingegen geflissentlich ignoriert.
Österreichs Haltung zum Ukraine-Krieg
Mit der Moral ist das so eine knifflige Sache. Es ist relativ einfach, die schönsten Reden zu halten, denen ein hingerissenes Publikum hingebungsvoll lauscht. Blöderweise müssen dann den moralisch hochstehenden Worten auch Taten folgen. Das ist ungleich schwieriger.
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Die offizielle Politik in Österreich hat sich – mit Ausnahme der in Teilen rechtsextremistischen FPÖ – eindeutig auf Seiten der Ukraine positioniert. Der Überfall Russlands wurde verurteilt, die internationalen Sanktionen gegen Russland begrüßt.
Aufnahmebereitschaft gegenüber Ukraine
Es wurden im Jahr 2022 knapp 70.000 geflüchtete Menschen aus der Ukraine aufgenommen. Viele von ihnen werden bleiben, da sie in absehbarer Zeit keine Möglichkeit zur Rückkehr haben und deshalb in Österreich Wurzeln schlagen.
Obwohl Österreich eines der am wenigsten ausländerfreundlichen OSZE-Länder ist, klappt dies vergleichsweise gut. Das Elend der Ukraine ist einfach für die österreichische Bevölkerung zu offenkundig und es ist nah.
Neutraler Umgang mit Moskau?
Die Republik Österreich ist zwar nominell "neutral" und beispielsweise kein NATO-Mitglied, in der Praxis aber stets eindeutig auf Seiten des "Westens" zu finden. Was Positionierung und Hilfe im Ukraine-Krieg betrifft, darf sich die Alpenrepublik also sachte auf die eigene Schulter klopfen.
Was den Umgang mit Russland betrifft, etwas weniger. Bundeskanzler Karl Nehammer war 2022 als einer der wenigen Regierungschefs Europas nach Moskau gereist. Schließlich: Always listen to both sides of the story. Nehammer hat in Russland auch sehr grimmig geschaut und Wladimir Putin ein "hartes" Gespräch geliefert. Es lässt sich bisher nicht erkennen, dass der Kreml-Chef nachhaltig beeindruckt worden wäre.
Wohlstand, der auf Gas gebaut ist
Was Kanzler Nehammer mit seiner Reise bezwecken wollte, ist unmöglich zu sagen. Was sich klar ablesen lässt, ist die geopolitische Abhängigkeit Österreichs von Russland.
Der russische Botschafter in Wien Dmitri Ljubinski lies im Dezember 2023 einer gewissen diebischen Freude freien Lauf, als er kommentierte, dass Österreichs Wirtschaft nur auf der Basis der profitablen Gaslieferungen aus Russland "entstanden" sei.
So müsse man den "Abgrund" zwischen offiziellen Äußerungen Österreichs und praktischen Taten verstehen. Österreich könne sich gar nicht von den Gasimporten abwenden, da es ohne eigenen Meerzugang schlicht keine Alternativen habe.
Verträge bis 2040
Nun, was soll ein Diplomat eines kriegsführenden Landes auch anders sagen? Ljubinskis Sichtweise ist tendenziös, hat ihren wahren Kern aber darin, dass langlaufende Verträge zwischen österreichischen und russischen Energieunternehmen bestehen.
Die österreichische OMV AG ist bis zum Jahr 2040 an die Abnahme von Lieferungen der russischen Gazprom gebunden.
Profit über Prinzipien? Die Debatte um Österreichs Kriegsdividende
Weil der Energiebedarf der österreichischen Industrie gerade sinkt, können die russischen Lieferungen in andere EU-Länder weiterverkauft werden und damit üppige Gewinne eingefahren werden.
Die beiden halbstaatlichen Konzerne OMV (Gas und Erdöl) und Verbund (Strom) legen blendende Quartalsergebnisse vor und schütten höhere Dividenden an die Aktionäre aus. Zwar hat die Republik die Übergewinnsteuer angepasst, damit durch die Energiekrise keine zufälligen Krisengewinne eingestrichen werden können. Die Regelung ist aber eher zaghaft.
Auch hierbei fielen im August 2023 starke Worte. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprach von "Kriegsdividende", die "jedes Kind versteht" und viele Menschen "wütend" mache. Nun, es sieht nicht danach aus, dass gerade allzu viele österreichische Kinder nachrechnen und auch die Wut hält sich in Grenzen.
Die Kriegsmaschine läuft
60 bis 80 Prozent der Gasimporte Österreichs kommen über zwei Pipelines aus Russland. Unterm Strich finanziert deshalb Österreich weiterhin die russische Kriegsmaschine und auch andere Länder der europäischen Union (insbesondere Spanien) machen mit beim günstigen Gasimport.
Dass ausgerechnet die Bereitschaft der österreichischen Endverbraucher, ihren Energiekonsum zu drosseln, dazu führt, dass Unternehmen mit dem Export von russischem Importgas höhere Gewinne erzielen können, ist eine fast kuriose Pointe. Eine, die viel über den Energiemarkt sagt.
Nachhaltig ist das alles nicht
Nun ist der Ukraine-Krieg eine Katastrophe, die – hoffentlich – eines Tages überwunden und beigelegt sein wird. Das größere und langwierigere Problem liegt darin, dass sich die Energieerzeugung in Österreich wird ändern müssen.
Eigentlich hätte der Ukrainekrieg und die dadurch entstandenen großen Energiesorgen (und die daraus erwachsende Bereitschaft zu sparen) des letzten Winters eine hervorragende Einladung sein können, um zügig die Energieversorgung in Österreich umzustellen. Die moralischen Argumente liegen auf der Hand: Putin den Hahn abdrehen und endliche eine klimafitte Zukunft erreichen.
Aber von übersteigertem Arbeitseifer ist bei der türkis-grüne Bundesregierung in dieser Sache nichts zu spüren. Man hat es sich mit billigem Gas bequem irgendwie gemacht.