Schwierige Aufklärung
Neben offenen Fragen offenbarte die Kommission zur Untersuchung der Anschläge vom 11.3. in Madrid bislang vor allem noch einmal die Täuschungsmanöver der ehemaligen Regierung
Am Dienstag hat die parlamentarische Kommission zur Untersuchung des Madrider Massakers vom 11. März mit der Befragung der Zeugen begonnen. Die Kommission soll die Ereignisse vom 11. März und der Parlamentswahl am 14. März, sowie die "Vorgeschichte und die Folgen" der Anschläge sowie den "staatlichen Kampf gegen den Terrorismus" beleuchten.
Schon die ersten Tage der Befragungen brachten deutlich zu Tage, dass die abgewählte konservative Regierung von Beginn an die Ermittlungsergebnisse massiv verfälschte (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien) Schon der erste Zeuge sagte aus, er habe drei teilweise maskierte Männer beobachtet, die sich an einem Transporter in Alcala de Henares (bei Madrid) zu schaffen machten. In dem Auto wurden später auf seinen Hinweis Zünder, Sprengstoffreste und eine Kassette mit Koranversen gefunden.
Laut Angaben des Hausmeisters Luis Garrudo hat die Polizei diese Gegenstände schon gegen 12 Uhr 30 gefunden und nicht erst Stunden später, wie behauptet wird. Ohnehin wurden Garrudo, der die drei als "Ausländer" bezeichnet hatte, nur Fotos von mutmaßlichen Islamisten vorgelegt. Und schon auf der Fahrt ins Kommissariat habe ihm ein Polizist erklärt, es seien keine Anschläge der baskischen Untergrundorganisation ETA gewesen. Diese Version versuchte die damalige Regierung aber zu halten (Flashmobs gegen die spanische Regierung), um kurz vor den Wahlen keinen Bezug zur Beteiligung am Irak-Krieg herzustellen, gegen den sich die Bevölkerung klar ausgesprochen hatte.
Wie absurd die These einer ETA-Täterschaft war, wurde auch von Antiterrorspezialisten vor der Kommission bestätigt. So erklärte Juan Jesús Sánchez Manzano, Chef der Feuerwerker Tedax, man habe am 11. März um 14 Uhr gewusst, dass Dynamit verwendet wurde. Doch die Tedax habe nie von der Marke "Titadyne" gesprochen, von der die ETA in Frankreich mehrere Tonnen geraubt hat. Wenige Stunden später sei sogar klar gewesen, dass es sich um Goma 2 Eco handelte. Trotzdem sprach der damalige Innenminister Ángeles Acebes weiterhin von Titadyne und der Hauptspur zur ETA.
Am 12. März wurde bei einer nicht explodierten Bombe eine Telefonkarte gefunden - die Handys dienten als Zünder -, die aus dem Telefonladen im Madrider Stadtteil Lavapiés stammte (Madrid: Die Spur führt nach Tanger) Auch deshalb, so der Subdirektor der Polizei Pedro Díaz-Pintado, konnte man nicht mehr von der ETA als Hauptspur ausgehen.
Schon am Mittwoch hatte der Chef der zentralen Einheit der Polizei für Informationen aus dem Ausland (UCIE) bestätigt, man sei von Beginn an in die Ermittlungen eingeschaltet gewesen. Am Samstag, dem 13. März, habe die UCIE auch formal die Leitung übernommen, denn am Morgen, so Mariano Rayon, sei man auf der Spur der mutmaßlichen islamistischen Täter" gewesen. Trotzdem beschuldigte Acebes die ETA am Nachmittag weiter, obwohl die auch längst dementiert hatte ("Das ETA-Dementi passt Madrid nicht in den Kram").
Peinlich ist, wie sich die Vertreter der Konservativen in der Kommission weiter an ihre These klammern und ein Bündnis von Al-Qaida mit der ETA herbei fabulieren. Doch Rayon, der Spezialist für islamistischen Terror, erklärte deutlich: "Es gab keine Teilnahme der ETA am 11. März". Auch von einem angeblichen Briefverkehr zwischen Gefangenen der ETA und Islamisten habe er nur aus der Presse erfahren, sagte er auf Nachfrage.
Andere wichtige Punkten hat die Kommission noch nicht behandelt. Wie im Vorfeld veröffentlichte Dokumente der Antiterror-Einheiten zeigen, wurde lange vor dem Massaker davor gewarnt, dass Spanien Ziel von Al-Qaida sei. Ein Teil der mutmaßlichen Täter wurde gar als eine ihrer "Zellen" fast ein Jahr lang überwacht, wie beispielsweise Sherhane Ben Abdelmajid Fakhet, der sich kurz nach den Anschlägen mit anderen im Madrider Stadtteil Leganés selbst in die Luft sprengte, als die Polizei die Wohnung umstellt hatte (Al-Qaida bietet Europa Waffenruhe an).
Überwacht wurde auch Rabi Osman El Sayed, ein Ägypter und Sprengstoffexperte. Man sei dabei "alle Personen zu identifizieren, die mit ihm in Verbindung stehen", heißt es im Bericht vom 28. November 2003. Jesús de la Morena, Verantwortlicher für den Antiterrorkampf, warnte darin vor dem "Ansteigen der Bedrohung durch den islamischen Terrorismus". El Sayed wurde im Juni in Italien verhaftet, in einem abgehörten Telefonat habe er sich selbst als Kopf des Massakers bezichtigt (Neue Festnahmen, neue Spitzel). Hier bleibt die Frage zu klären, warum die Überwachung der "Zelle" nur wenige Wochen vor dem Massaker abgebrochen wurde.
Unklar ist auch, wie weit die Sicherheitskräfte in den Verkauf des Sprengstoffs verwickelt sind. Mindestens fünf ihrer Spitzel waren am Verkauf des Goma 2 Eco beteiligt (Neue Festnahmen, neue Spitzel). Aber die Vertreter der regierenden Sozialisten in der Kommission haben erst einmal verhindert, dass zwei der Drahtzieher des Sprengstoffdeals und Spitzel der Nationalpolizei und Guardia Civil vor dem Ausschuss aussagen müssen. Auffällig ist auch, dass deren Führungsbeamte bisher nicht geladen wurden, obwohl sie, wie ein abgehörtes Telefonat zeigt, von dem Deal gewusst haben könnten.
Der zuständige Ermittlungsrichter will herausgefunden haben, dass die Beamten nicht eingeweiht waren, aber seine Akten nicht der Kommission übergeben, weil die Untersuchungen gegen die Spitzel "geheim" geführt würden (Spanische Wirren im Antiterrorkampf). Andere von der Kommission angeforderte Akten waren erst gar nicht aufzufinden. Einige Dokumente des Geheimdienstes hat die Regierung nicht frei gegeben, weil sie Hinweise auf befreundete Geheimdienstquellen geben.