Signal an EU: Österreich wird befristet keine Asylanträge mehr bearbeiten

Innenministerin will eine EU-weite Quote für die Aufnahme von Flüchtlingen durchsetzen und reagiert damit auch auf den Wahlerfolg der FPÖ

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Die österreichische Regierung, zumindest das von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) geleitete Innenministerium, setzt vor dem Ratstreffen der EU-Justiz- und Innenminister nächste Woche ein deutliches Zeichen. Bei dem Treffen wird es wieder um die Migrationspolitik gehen. "Wir müssen unsere Attraktivität in Richtung anderer EU-Länder senken", sagte die Innenministerin der "Presse". Weil man "die schnellsten Asylverfahren und damit auch den schnellsten Familiennachzug" habe, werde Österreich zu einem attraktiven Zielland für Flüchtlinge.

"Österreich ist Zielland Nummer 1", sagte sie schon Anfang Juni, als sie ihr Vorhaben erstmals angekündigt hatte. Damals allerdings, um die Flüchtlingsunterkünfte schneller für Neuankömmlinge frei zu bekommen und um den Bundesländern eine Frist bis 19. Juni zusetzen, ihre Quoten zur Aufnahme von Flüchtlingen zu erfüllen.

In der gemeinsamen Erklärung vom 23. April nach dem Massensterben im Mittelmeer wurde nicht nur die Bekämpfung der Schleuser und die Verhinderung "illegaler Migrationsflüsse" auf die Agenda gesetzt, sondern auch die EU-interne "Solidarität und Verantwortung" durch eine schnelle Umsetzung der gemeinsamen Asylpolitik, im Zentrum steht eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge. Erst einmal sollen gerade einmal 20.000 Flüchtlinge auf alle Mitgliedsländer, ausgenommen Großbritannien, Irland und Dänemark, je nach Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft etc. verteilt werden. Längerfristig soll das Dublin-System verändert werden, da bislang 5 Staaten 70 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen.

Österreich fordert Quoten bei der Aufteilung der Flüchtlinge. Weil aber einige EU-Staaten auch aufgrund wachsender ausländerfeindlicher Bewegungen und Parteien nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen und sich nicht solidarisch an der Umverteilung beteiligen wollen, will die österreichische Regierung die anderen Staaten unter Druck setzen und wird ab sofort die Asylanträge nicht mehr bearbeiten und die Familienzusammenführung stoppen. Man werde nur noch Rückführungen und Abschiebungen durchführen.

Man darf annehmen, dass die Regierung damit auch auf die Wahlschlappe bei den Wahlen im Burgenland und in der Steiermark reagiert (Etablierte Parteien verlieren bei Wahlen in Italien und Österreich). Hier hat sowohl die SPÖ als auch die ÖVP große Verluste eingefahren, während die ausländerfeindliche und die Einwanderung ablehnende FPÖ, das österreichische Pendant zur AfD, große Zuwächse verzeichnen konnte.

Im Burgenland ist die SPÖ umgefallen, was zu großer Unruhe in der Partei geführt hat, und bildet nun eine Regierungskoalition mit der FPÖ, wodurch diese weiter aufgewertet und die Tür auch für ÖVP-FPÖ-Koalitionen geöffnet wird. Österreich ist damit dank der Sozialdemokraten in eine schnelle Drift nach rechts geraten. Das erste Zeichen dafür ist die Aktion der ÖVP-Innenministerin.

Der Trick, den sich die österreichische Innenministerin einfallen hat lassen, erlaubt allerdings nur eine gewisse Verzögerung. Weiterhin ist das Land verpflichtet, die Anträge von Asylsuchenden anzunehmen und zu registrieren, aber da das Gesetz lediglich vorsieht, dass die Bearbeitung in einer nicht genau definierten "angemessenen Frist" zu erfolgen hat, kann man sie nach ihrer Ansicht auch mal "befristet" aussetzen. Wenn ein Asylsuchender über ein anderes EU-Land nach Österreich kommt, soll er konsequent dorthin zurückgeschickt werden. Vermutlich wird das vor allem Italien betreffen, das seinerseits unter der Flut der Flüchtlinge stöhnt und diese mitunter einfach weiter reisen lässt.

Zudem kommt die Ankündigung zu einer Zeit, in der Deutschland und Österreich die Grenzen wegen G7 und Österreich wegen der Bilderbergkonferenz strenger kontrolliert haben. Deswegen gibt es in Italien Probleme mit Flüchtlingen, die sich etwa auf Bahnhöfen aufhalten, weil sie nicht weiterkommen. Und das italienische Pendant zur FPÖ, die Lega Nord, fordert ein schärferes Vorgehen gegen Flüchtlinge und eine Einstellung der Zahlungen an die EU, weil die EU Italien mit den Flüchtlingen alleine lasse.

Mikl-Leitner ist gegenüber den Medien auch ganz offen und will damit ein "deutliches Signal" setzen. Man werde die Asylverfahren so lange aussetzen, "bis andere Länder in Bewegung kommen". Wenn es zutrifft, dass ein Asylantrag in erster Instanz in durchschnittlich 4 Monaten geklärt ist, dies aber im EU-Durchschnitt bei fast der Hälfte der Fälle mehr als 6 Monate dauert, hätte die Regierung ein wenig Zeit, dies auszusitzen.

Ob das andere Länder unter Druck setzt, einer Quote zuzustimmen, ist allerdings mehr als fraglich. Schließlich werden die Flüchtlinge weiter nach Österreich kommen, die Bearbeitung dauert hier nur dann auch länger, was den aufnahmeunwilligen Regierungen ziemlich egal sein wird. Unter Druck setzen könnte die Aktion hingegen die Länder, die bislang am meisten Flüchtlinge aufgenommen haben, weil auch hier die ausländer- und flüchtlingsfeindliche Stimmung wächst. Und da die Aktion nicht nur als Reaktion auf die FPÖ und ihre Wähler beschlossen wurde, sondern ganz den Geist der FPÖ inkarniert, haben die Rechtspopulisten damit auch schon gewonnen.

Das sieht auch SOS Mitmensch so. "Mit einem Verfahrensboykott durch die Innenministerin wird niemandem geholfen", erklärt Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch (Hass zum Gruß). "Für Schutzsuchende ist es eine Katastrophe, wenn sie zum endlosen Warten und Nichtstun verdammt werden, ohne Sprachkurse, ohne Qualifizierungsmaßnahmen, ohne Arbeitserlaubnis und ohne der Möglichkeit, die Familie in Sicherheit zu bringen. Auch für das Zusammenleben in Österreich ist der Stopp der Verfahren eine große Belastung. Politischen Kräften, die Asylsuchende zu Feindbildern stilisieren, wird damit einmal mehr voll in die Karten gespielt."