Sind YPG-Kämpfer gegen den IS Terroristen?
Spanien lässt Rückkehrer festnehmen und wirft den beiden Männern Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor
Spanien zeigt, dass es einen ganz besonderen Blick darauf hat, was Terrorismus sein soll. Das macht die Festnahme von zwei spanischen Kommunisten am Montag deutlich, die auf Seiten der Kurden gegen die IS-Terroristen in Syrien gekämpft und das vor dem Ermittlungsrichter am Nationalen Gerichtshof am Dienstag auch eingeräumt haben. Sie gehörten den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) an. Und die fordern vom Westen gerade gleichzeitig eine stärkere militärische und politische Unterstützung. Dass es linke Aktivisten in Spanien schwer haben, ist weitgehend bekannt. Und deren Aktivitäten werden dort mit immer repressiveren Gesetzen von der konservativen Regierung bekämpft. So traten gerade das Knebelgesetz und eine Strafrechtsreform in Kraft, mit denen nicht nur haarsträubende Geldstrafen für friedlichen Protest der Empörten drohen, sondern der Terrorismusbegriff wurde auch erneut stark ausgeweitet. In schwammig formulierten Gesetzestexten kann praktisch nun alles als Terrorismus gewertet werden, kritisieren sogar Sonderberichterstatter der UNO für Grundrechte (Meinungsfreiheit futsch und alles kann in Spanien nun Terrorismus sein).
Diese nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo mit der heißen Nadel gestrickte Reform, sollte sich angeblich vor allem gegen radikale Islamisten richten, die auf Seiten der IS kämpfen, und wurde auch von den oppositionellen Sozialdemokraten abgenickt. Doch da der Inhalt nicht auf Islamisten beschränkt wurde, können nun alle darüber kriminalisiert werden.
Unklar ist bisher noch, ob der Ermittlungsrichter Eloy Velasco diese Reform auf die beiden Kommunisten anwenden will, die am Montag in der spanischen Hauptstadt Madrid festgenommen wurden. Das dürfte schwer sein, denn eine rückwirkende Anwendung von Gesetzen ist eigentlich unmöglich, allerdings muss Spanien darauf bisweilen erst vom Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg darauf hingewiesen werden, weil solche Vorgänge sogar das politisierte Verfassungsgericht abnickt.
Velasco hat schon am Dienstag Pablo D.O. und Álvaro F.R. unter Auflagen wieder freigelassen, die unter den Kampfnahmen "Martos" und "Paco" in den Reihen der YPG in Syrien gekämpft haben. Der Richter des Sondergerichts wirft ihnen aber deshalb eine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor, weil sie sich nach Syrien begeben haben, um dort mit der YPG gegen den IS zu kämpfen. Sie mussten nun ihre Pässe abgeben, müssen sich wöchentlich beim Gericht melden und dürfen Spanien nicht verlassen.
Der Vorgang ähnelt stark einem schon aus dem Frühjahr bekannten Vorgehen gegen Antifaschisten. Die wurden im Rahmen der "Operation DANKO" im Februar in einer Nacht- und Nebelaktion festgenommen (Verhaftungswelle in Spanien gegen Donbass-Brigaden). Acht Spanier waren von dem Vorgehen betroffen, die als Mitglieder der "Internationalen Brigaden" in der Donbass-Volksmiliz gekämpft haben. Auch ihnen wurde zunächst die Teilnahme an terroristischen Aktionen vorgeworfen und sie sollen an Aktivitäten beteiligt gewesen sein, "die gegen Interessen des Königreichs Spanien verstoßen". Allerdings wurde die Aktion dann bald deutlich tiefer gehängt, da es nach der bisherigen Gesetzeslage sehr schwer war, sie wegen Terrorismus anzuklagen.
Doch auffällig ist, dass die Festnahmen am Montag fast wortgleich begründet wurden. Dabei wurde von der Polizei angeführtY, dass sie einer Vereinigung angehört haben, die international als "terroristisch" eingestuft wird. Im Fall der Donbass-Unterstützer hatte das spanische Innenministerium große Keulen ausgepackt und den Antifaschisten vorgeworfen, an Aktionen beteiligt gewesen zu sein, die in Kiew als "als Terrorismus von Seiten der Autoritäten" eingestuft würden. Und es ist erstaunlich, dass Velasco eine solche Ansicht nun für die YPG wiederholt.
Bei spanischen Sonderrichtern am Nationalen Gerichtshof herrscht bisweilen eine besondere Logik vor. Und Velasco ist einer der Richter, die gern im Sinne der rechten Regierung handeln und auch Großdemonstrationen verbieten wollen. Die Logik von Velasco lässt sich folgendermaßen zusammenfassen. Weil die YPG im Kampf gegen den IS unter anderem auch mit der in Deutschland und der EU verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) kooperiert, kann nach Ansicht der spanischen Justiz auch schnell aus der YPG eine terroristische Vereinigung werden, weil die PKK als solche eingestuft wird. In diesem Sinne werden aber praktisch alle kurdischen Organisationen und Milizen zu Terroristen, weil sie mit der PKK im Kampf gegen die Islamisten kooperieren oder zusammenarbeiten.
Die Basken können von einer solch kruden Logik ein Lied singen. Schließlich wurden und werden dort immer wieder Parteien und Organisationen verboten, wenn sie ähnliche Ziele wie die Untergrundorganisation ETA verfolgen und für ein vereintes, freies und sozialistisches Baskenland eintreten. Das ergibt dann so absurde Situationen, dass Parteien im französischen Baskenland an Wahlen teilnehmen, die auf der anderen Seite der Grenze angeblich terroristisch ist. Bis auf die ETA gilt aber in Frankreich keine der vielen in Spanien verbotenen Organisationen als terroristisch, obwohl sie von Spanien sogar auf die EU-Terror-Liste gesetzt wurden. Dass die ETA den bewaffneten Kampf vor fast vier Jahren definitiv eingestellt hat, hat an der spanischen Repressionspolitik nichts verändert, die eher ausgeweitet wird. Sogar die UNO wirft dem Land vor, weiter nichts gegen Folter zu unternehmen, wovor auch in Deutschland die Augen verschlossen werden.
"Angesichts der faschistischen Bestie konnten wir nicht untätig bleiben"
Dass die beiden am Montag festgenommen Spanier, Mitglieder der "Marxistisch Leninistischen Partei" (Revolutionärer Aufbau) sechs Monate in Syrien auch mit Deutschen gegen den IS gekämpft haben, gaben sie vor dem Ermittlungsrichter zu. Ihre Organisation hatte nach den Festnahmen die sofortige Freilassung der "Genossen", die "in Rojava gegen die faschistischen Horden des Daesh gekämpft haben", ohne Auflagen gefordert.
In Videos hatten diese beiden Spanier aus dem Kampfgebiet immer wieder Auskunft über ihre Motivation gegeben und dafür geworben, die Kurden "im Kampf gegen den Faschismus" zu unterstützen. In einem der Videos tauchen zwei deutsche Kämpfer auf, darunter die inzwischen im Kampf gefallene Ivana Hoffmann ("Ich will ein Teil der Revolution in Rojava sein"). Einer der Spanier erklärt, dass er den Kampf der Kurden über Flüchtlinge in Spanien kennengelernt habe, mit denen seine Organisation zusammengearbeitet habe.
Beide sprechen von einem "revolutionären Krieg", den es zu unterstützen gelte. "Es ist eine große Chance, die Freiheit trotz eines starken Feindes wie den IS zu erlangen." Aus der Beschäftigung mit der Sache der Kurden, kamen die beiden Kämpfer zum folgenden Resümee: "Es erschien uns, dass dort eine revolutionäre Situation herrscht, die wir unterstützen und der wir unsere Solidarität entgegenbringen mussten." Angesichts der "faschistischen Bestie", die der IS für sie darstellt, "konnten wir nicht untätig bleiben".
Auch die beiden spanischen Kommunisten stellten sich, wie die Rückkehrer aus der Donbass-Region, in die Tradition der Internationalen Brigaden (Internationale Brigadisten kämpfen in der Ostukraine). Nach dem Putsch der Generäle unter Franco kamen ab 1936 Kämpfer aus der ganzen Welt nach Spanien, um die Republik gegen die faschistischen Putschisten zu verteidigen (No Pasaran). In einer Video-Erklärung, vor einer Fahne der spanischen Republik und der kommunistischen Fahne, erklären sie: "Wir sind gekommen, wie andere 1936 zu uns kamen, um die Internationalen Brigaden zu unterstützen." Sie erhielten dafür keinerlei Bezahlung, bekräftigen sie und werfen auch der Türkei, dem Iran, Syrien und Irak vor, "faschistisch" zu sein und die Kurden zu unterdrücken. Sie rufen deshalb zur Unterstützung des kurdischen Befreiungskampfs gegen "Kapitalismus" und "Imperialismus" auf.
Ganz allein bleibt Spanien in seinem Vorgehen aber nicht. Zum vergangenen Jahreswechsel wurden auch zwei Rückkehrern in Großbritannien vernommen, die auf Seiten der YPG gekämpft haben. Allerdings wurden sie weder inhaftiert, noch wegen Terrorismus angeklagt. In einem Interview berichteten die beiden ehemaligen Soldaten, was sie dazu brachte, gegen die Gräueltaten des IS etwas tun.
Während man in Madrid gegen spanische Unterstützer der YPG anders als in Großbritannien juristisch wegen Terrorismus vorgeht, fordert der Kurden-Führer Aldar Xelil eine stärkere Unterstützung der YPG im Kampf gegen den IS in Syrien. Xelil, der der Bewegung für eine Demokratische Gesellschaft (Tev-Dem) vorsteht, meinte, "alles, was uns hilft, den Islamischen Staat zurückzudrängen", sei willkommen. Er kritisiert dabei die USA und deren westliche Verbündete dafür, dass die YPG nicht stärker in ihren Kampf gegen die IS-Terrormiliz eingebunden werde. Dabei habe sie gezeigt, dass sie "die stärkste syrische Gruppe" bei der IS-Bekämpfung sei.
Darauf zu hoffen, dass das syrische Regime unter Präsident Baschar al Assad wirksam gegen die Dschihadisten vorgehen könnte, sei eine Illusion. "Sobald die Regierungssoldaten hören, dass sich der IS nähert, machen sie sich aus dem Staub", sagte er. Die YPG stelle mit 40.000 Mann die stärkste Truppe am Boden, die gegen den IS kämpfe. Wie die spanischen Brigadisten, wirft auch Xelil der Türkei vor, "entscheidend an der Ausweitung der Krise in Syrien" beteiligt zu sein. Er meint, dass die gerade stattfindende Schlacht um die Großstadt Aleppo "entscheidend für die Zukunft Syriens" sei.