Verhaftungswelle in Spanien gegen Donbass-Brigaden
Mindestens acht linken Spaniern, die gegen den "Faschismus" an der Seite der prorussischen Milizen kämpften, soll vermutlich Terrorismus vorgeworfen werden
Die Tatsache, dass es offenbar zu einer gewissen Beruhigung im Konflikt in der Ostukraine (Halbstarkenstrategien um die Ukraine) kommt, hat auch dazu geführt, dass spanische Mitglieder der "Internationalen Brigaden" nach Spanien zurückgekehrt sind, die in der Donbass-Volksmiliz gekämpft haben. Mindestens acht Rückkehrer wurden im Rahmen der "Operation DANKO" am frühen Freitag in einer Nacht- und Nebelaktion verhaftet. Darunter waren auch Rafael Muñoz Pérez und Ángel Davilla-Rivas (Internationale Brigadisten kämpfen in der Ostukraine). Ihnen werden Verbrechen wie die Teilnahme an "Mord, Waffen- und Sprengstoffbesitz" vorgeworfen, zudem sollen sie an Aktivitäten beteiligt gewesen sein, "die gegen Interessen des Königreichs Spanien verstoßen". Das spanische Innenministerium brüstet sich damit, es seien die ersten Verhaftungen dieser Art in Europa.
Die zurückgekehrten Antifaschisten oder Antikapitalisten, darunter sollen auch drei ehemalige Soldaten der spanischen Streitkräfte sein, will man in Spanien nun offenbar zu Terroristen stempeln, da die Verhaftungen vom Nationalen Gerichtshof angeordnet wurden. Das Sondergericht ist für Terrorismus und Schwerstverbrechen zuständig. Eine Erklärung des Innenministeriums weist ebenfalls in diese Richtung. Darin brüstet sich das Ministerium zunächst auch, dass "es sich um die erste Polizeiaktion in Europa gegen ausländische Kämpfer im Ukraine-Konflikt handelt".
Das Ministerium führt aus, dass sich die bisher acht Verhafteten, denn die "Operation DANKO" sei noch nicht abgeschlossen, im vergangenen Jahr in die Ukraine gegangen seien. Dort hätten sich alle "in prorussische Separatistengruppen eingereiht, die für die Unabhängigkeit der ukrainischen Regionen Lugansk und Donezk kämpfen". Zunächst drückt man sich in Madrid noch vorsichtig in Bezug auf mutmaßliche Straftaten aus. Das Ministerium erklärt, dass ihre Aktivitäten "Delikte sein könnten". Als Spanier hätten sie aber mit der "Teilnahme an einem bewaffneten Konflikt gegen die Neutralität verstoßen".
Verhaftungen fanden vor allem in Großraum Madrid statt, wo drei Personen festgenommen wurden. Zwei Verhaftungen gab es im nordspanischen Asturien, wo das "Solidaritätskomitee Asturiens für eine antifaschistische Ukraine" besonders aktiv ist. Hier lebte Rafael Muñoz Pérez, der eigentlich aus Madrid stammt, vor seiner Abreise in die Ostukraine. Er war in Gijón Mitglied der Jugendorganisation der "Vereinten Linken" (IU). Da es eine Verhaftung in Gijón gab und das Ministerium die Initialen "R.M.P." veröffentlichte, dürfte es sich um ihn handeln. Zwei Verhaftungen gab es auch in Murcia, wo eine Person in Cartagena verhaftet wurde. Dabei dürfte es sich um Ángel Davilla-Rivas gehandelt haben. Er war dort Mitglied der "Jungen Kommunisten", der Jugendorganisation der "Kommunistischen Partei der Völker Spaniens". Verhaftungen gab es zudem jeweils eine in Katalonien, Navarra und der Extremadura.
Offenbar gefällt es Spanien nicht, dass die Verhafteten über die "sozialen Medien" diverse Videos veröffentlicht haben, in denen sie sich bewaffnet zeigen und für den "bewaffneten Kampf der gewalttätigen Sezessionisten aussprechen", angeblich wollten sie neue Kämpfer anwerben. Vor der Kamera hatten sie dagegen erklärt, in der Tradition der "Internationalen Brigaden" zu stehen. Die zog es einst aus aller Welt nach Spanien, um an der Seite der Antifaschisten die Republik gegen die Putschisten unter General Franco zu kämpfen (No Pasaran). Die Faschisten wurden wiederum von Nazi-Deutschland unterstützt (Gernika kämpft gegen das Vergessen des Terrors).
Sie seien in die Ostukraine gegangen, um auch darüber zu berichten, dass einfache Menschen von der ukrainischen Armee und faschistischen Milizen angegriffen, bombardiert und getötet werden: "Wir sind spanische Jugendliche und wir sind hier, um aufzuzeigen, dass das, was im spanischen und nordamerikanischen Fernsehen verbreitet wird, nicht der Wahrheit entspricht", hatte letztes Jahr Davilla-Rivas erklärt. Einfache Menschen würden sich, ihre Häuser und ihre Familien verteidigen. Man habe es dort nicht mit "Terroristen oder Kriminellen" zu tun, wie die Regierung in Kiew behauptet.
Sie seien in den Osten gereist, "um die Zivilbevölkerung" gegen die "Kriegsverbrecher" und "Faschisten" aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu verteidigen, sagte erklärte Muñoz Pérez. Diese würden von westlichen Regierungen unterstützt und seien ihre kriminellen Komplizen. Tatsächlich fließen immer neue Milliarden in die Ukraine, die auch Spanien mitfinanziert (Erneut fließen 40 Milliarden in die Ukraine).
Schon deshalb kann von einer spanischen "Neutralität" wohl kaum gesprochen werden, gegen die die Verhafteten aber nach Ansicht des Innenministeriums verstoßen haben sollen. Doch das ist wohl der geringste Vorwurf. Obwohl sich das Ministerium zunächst zurückhaltend über die möglichen Delikte der acht Verhafteten äußert, packt das Ministerium dann doch die große Keule aus. "In dem Konflikt, an dem die Verhafteten teilnahmen, kamen hunderte Zivilisten um", schreibt das Innenministerium. Es führt aus, dass "einige dieser Akte als Terrorismus von Seiten der Autoritäten" in Kiew eingestuft würden.
Damit wird keineswegs neutral in Madrid die Sprachregelung von Kiew übernommen, wo die Volkmilizen gemeinhin als "Terroristen" bezeichnet werden. Und die Schuld wird allein den "Prorussen" zugeschrieben. Während des Aufenthalts in der Ukraine hätten sich die Verhafteten mutmaßlich Vergehen wie "Mithilfe zu Mord und Totschlag" schuldig gemacht. Die Verbrechen seien von Gruppen oder Bataillonen verübt worden, denen sie sich angeschlossen haben. Dazu käme der "Besitz von Waffen und Sprengstoff", meint das spanische Innenministerium.
Man darf nun gespannt sein, wie Spanien das juristisch angehen will. Werden einfach die Volksmilizen in der Ostukraine in Spanien zur "terroristischen Vereinigung" erklärt, um die Verhafteten für etwa acht Jahre inhaftieren zu können? Doch selbst wenn man das nun tut, liegen mutmaßliche Straftaten vor dem Zeitpunkt. Mit rückwirkenden Änderungen wurde Spanien schon vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg in die Schranken gewiesen. Und auch das neue Gesetzespaket ist noch nicht in Kraft und seine rückwirkende Anwendung ebenfalls nicht möglich.
Man könnte die Spanier natürlich auch zur Aburteilung an die Ukraine ausliefern, die damit vermutlich weniger Probleme hat. Den Verhafteten in Spanien konkrete Straftaten aus der Ukraine nachzuweisen, dürfte ziemlich problematisch werden. Möglich wäre auch noch, was in Spanien bekanntermaßen nicht unüblich ist, Geständnisse aus den Verhafteten herauszuprügeln. Allerdings verurteilt sogar das Madrider Sondergericht immer seltener auf Basis von Foltergeständnissen, wenn dem Nationalen Gerichtshof keine zusätzlichen Beweise vorliegen. Immer öfter werden diese Geständnisse verworfen und angebliche "Terroristen" werden freigesprochen.
Angesichts der Tatsache, dass spanische Söldner überall in der Welt in Konflikten kämpfen, ist vielleicht für einige erstaunlich, dass Spanien ausgerechnet in diesem Fall Position bezieht und nun gegen die Antifaschisten vorgeht. Doch darf man von einer regierenden Volkspartei (PP), die von Führungsmitgliedern der Franco-Diktatur gegründet wurde und sich nie von Putsch und Diktatur distanziert hat, wirklich etwas anderes erwarten?
Neues Anti-Terror-Gesetz
Die reaktionären und repressiven Vorstellungen der Regierung kann auch in immer neuen Gesetzen und Strafrechtsverschärfungen beobachtet werden. Besonders deutlich zeigt sich das am neuen Anti-Terror-Gesetz. Das wurde in Spanien angeblich zur "Bekämpfung des Dschihadismus" im Pakt zwischen der regierenden postfaschistischen Volkspartei (PP) und den Sozialdemokraten (PSOE) verabschiedet und im Eilverfahren nach den Anschlägen in Paris ins Parlament eingebracht. Es ist aber noch nicht in Kraft. Dass ein solches Gesetz erst nach Anschlägen in Frankreich kommt, verwundert ohnehin. Denn 2004 erschütterten islamistische Anschläge Madrid schwer, als 191 Menschen bei den schwersten Anschlägen in der neueren Geschichte des Landes ermordet wurden.
Um einen Zusammenhang zum Islamismus herzustellen, sollen künftig auch Reisen in Konfliktgebiete schon "Terrorismus" sein, wenn man dort an Kämpfen teilnehmen oder sich dort ausbilden lassen will. Verkauft wird das mit Bezug auf IS-Kämpfer aus Spanien, die nach Syrien oder in den Irak gehen. Doch das Gesetz ist so allgemein formuliert, dass es auch auf die Verhafteten anwendbar wäre, wenn es schon alle Hürden genommen hätte. Schwammige Formulierungen lassen das Schlimmste befürchten, weshalb es auch in der PSOE Widerstand dagegen gibt.
Die Kritik richtet sich aber vor allem dagegen, dass mit dem Gesetz praktisch eine lebenslängliche Haftstrafe eingeführt wird. Das verstößt klar gegen die Verfassung, die als Ziel die Wiedereingliederung vorschreibt. Deshalb wird das über "prisión permanente revisable" (überprüfbare lebenslange Haft) verschleiert. Die soll, anders als in Deutschland nach 15 Jahren, erst nach 25 und 35 Jahren überprüft werden können. Die PSOE, die offiziell gegen lebenslange Haftstrafen ist, hat auch diese Kröte geschluckt. Angeblich will sie damit Einigkeit gegen die radikalen Islamisten zeigen. Sie wolle nach einem Wahlsieg die lebenslange Haft aber wieder streichen, versprach ihr neuer Chef Pedro Sánchez.
Doch das ist nur ein Problem dieses Gesetzespakets. Die linke Opposition kritisiert, dass demokratische Grundrechte weiter beschnitten werden und sich das Gesetz in Wahrheit gegen jede Dissidenz richte. Diese Einschätzung muss nicht verwundern, da mit dem Maulkorbgesetz der Regierung auch praktisch das Demonstrationsrecht mit horrenden Geldstrafen aushebeln will ("Eigentlich müsste die UNO längst Blauhelmtruppen nach Spanien schicken"). Die Formulierungen im neuen Anti-Terror-Gesetz haben es tatsächlich in sich. Terrorismus kann nach dem Entwurf sogar jedes "schwere Delikt" sein, das sich "gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit, die moralische Integrität, die sexuelle Freiheit, den Besitz, die natürlichen Rohstoffe, die Umwelt, die öffentliche Gesundheit (…), gegen die Monarchie" richtet.
Neben Waffenbesitz und Handel mit Waffen und Munition oder Sprengstoffen, könnte es auch Terrorismus sein, irgendein öffentliches Verkehr- oder Transportmittel in Besitz zu nehmen. Ja sogar die "Störung der öffentlichen Ordnung" kann schon Terrorismus sein. Dazu braucht es in Zukunft nicht einmal mehr eine Vereinigung oder Organisation, der der Beschuldigte angehören muss. Terrorismus kann es auch schon sein, wenn die "verfassungsmäßige Ordnung" untergraben wird, das "Funktionieren der Institutionen" oder "ökonomischen Strukturen" destabilisiert werden oder der "öffentliche Frieden" schwer beeinträchtigt wird.
Das ist alles sehr wachsweich, weshalb die Vereinte Linke (IU) von einem Pakt spricht, der ein "weiteres Gesetz des Ausnahmezustands bedeutet", wie der IU-Parlamentarier Gaspar Llamazares erklärte. Der Amaiur- Parlamentarier Xabier Mikel Errekondo fragt, warum sich die Sozialdemokraten in die Agenda der "Sicherheitsdemokraten" einspannen lassen. Er spricht aus, dass der Dschihadismus nur als "Ausrede" diene, schließlich wird das Gesetz nicht auf Islamisten beschränkt. Damit könne sehr viel zum Terrorismus gemacht werden, erklärte der Baske auch im Hinblick auf die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien und im Baskenland.
Ohnehin wird in Spanien schon eine sehr weite Auslegung des Terrorismusbegriffs benutzt, wo zahlreiche Parteien und Organisationen verboten wurden, die alle im benachbarten Frankreich weiter legal sind (Oberstes Gericht in Spanien erweitert den Terrorismusbegriff). Experten bezweifeln überdies, dass Strafrechtsverschärfungen gegen Dschihadisten einen Sinn haben. Jemand, der zum Selbstmordattentat bereit ist, lasse sich kaum von einer lebenslangen Strafe abschrecken. Das hätten viele islamistische Anschläge gezeigt.