"So schlimm war's noch nie"
Treibstoffpreise und eine Studie über eine PKW-Maut auf allen Straßen: Wer mit dem Auto unterwegs ist, braucht gute Nerven
Der Tankwart im Münchner Süden freute sich gestern wie über einen Witz, der mit jeder Wiederholung besser wird. So viele Kunden, die ihre Autos volltanken, habe er noch nie erlebt. Die Preise für Diesel, zum ersten Mal über dem Preis für Super, kletterten in eine neue Welt. "So schlimm war's noch nie", sagte ein Kunde, der Tankwart lachte. Dass der Anstieg gebremst werden würde, war nicht abzusehen.
Am Abend gab es dann die Nachricht, dass die Vereinigten Arabischen Emirate sich bei der Opec für eine Öl-Produktionserhöhung einsetzen würden. Das nährt die Hoffnung, dass der Anstieg der Treibstoffpreise doch irgendwie verlangsamt werden kann. Analysten äußerten jedoch Bedenken, dass es weltweit kaum freie Produktionskapazitäten gebe.
Befürchtungen, dass neben den Mieten auch die Kosten für die Tankfüllung und damit auch für die Transporte von Gütern des Lebensbedarfs weiter steigen, waren gestern bei Gesprächen mit Tankstellenkunden sehr ausgeprägt. Spritpreiserhöhungen sind bekanntlich "extrem unbeliebt".
Die Wut halte sich in Grenzen, sagte der Tankwart, es gebe viele Beschwerden, aber keine aggressiven Ausfälle, seine gute Laune sei ungefährdet.
Die PKW-Maut, die laut einer Studie, von der die SZ berichtete, im Gespräch ist, wird wahrscheinlich den "Diskussionsbedarf" steigern. Das in Berlin ansässige Forschungsinstitut Agora Verkehrswende schlägt demnach in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Forschungsinstitut Infra vor, künftig eine streckenbezogene Maut von 5,4 Cent pro Kilometer für alle PKW auf sämtlichen Straßen zu verlangen, wie aus der Presseerklärung hervorgeht:
"Zur Einführung der Pkw-Maut solle die Bundesregierung im Laufe dieser Legislaturperiode ein Konzept erarbeiten und dann ein Gesetz auf den Weg bringen. Für den Hochlauf schlägt Agora Verkehrswende ein Stufenmodell vor, sodass die Einnahmen nach und nach die Ausfälle bei der Energiesteuer ausgleichen. Die erste Stufe würde im Jahr 2025 mit einem durchschnittlichen Preis von 2,6 Cent pro Kilometer ansetzen. 2030 läge der Preis bei 5,4 Cent. Rechtlich lässt sich eine Pkw-Maut aus dem Grundgesetz als Gebühr für die Benutzung von Straßen herleiten. Die EU empfiehlt außerdem mit der neuen Wegekostenrichtlinie, Infrastrukturgebühren auch für Pkw zu erheben." Agora-Verkehrswende
Die Studie (online hier) geht davon aus, dass die Mineralölsteuer-Einnahmen bei den PKW durch E-Autos in den nächsten Jahren bedeutend zurückgehen könnte, womit dem Staat Geld für den Bau und Erhalt von Straßen fehlt.
"Auch wenn die Einnahmen aus der Stromsteuer steigen: Es bleibt eine riesige Einnahmelücke", heißt es im SZ-Bericht. Agora Verkehrswende geht davon aus, dass die Mineralölsteuer-Einnahmen bei PKW im Zeitraum bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2020 um "knapp die Hälfte", geschätzt etwa um 13 Milliarden Euro pro Jahr sinken. Die wegfallende Umsatzsteuer sei dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Damit es gerecht zugehe – und diejenigen mehr bezahlen, die auch mehr fahren -, soll die Maut an ein System gekoppelt werden, das, wie sofort auffällt, auch Vorteile für die Überwachung von Bewegungen mit sich bringt: "Per Satellitenortung und Handyapp sollen alle Wegstrecken gemessen werden und dann von privaten Dienstleistern für den Staat abgerechnet werden." (SZ)
Für den Aufbau eines solchen "weltweit einzigartigen" Systems, wie aus dem Zeitungsbericht hervorgeht, berechnet man etwa 2,5 Milliarden Euro einmalig und "dann jährlich etwa 700 Millionen für den Betrieb". Jeder Straßennutzer soll bezahlen, das wird als Unterschied zum Maut-Modell herausgestellt, das im Juni 2019 am Europäischen Gerichtshof scheiterte (siehe: Zeichen gegen Populismus).
Agora-Direktor Christian Hochfeld setzt darauf, dass die Digitalisierung der Politik alle Möglichkeiten gebe, "viel gerechter und gezielter" zu steuern als bislang. Dank der Software könne man die Belastung für Einkommensschwächere ebenso niedriger halten wie für Menschen, die in Räumen mit schlechter ÖPNV-Versorgung leben (vgl. auch: Der schwierige Abschied von der Autostadt). Auch der Schadstoffausstoß, Fahrzeuggröße und -gewicht sowie Fahrtzeiten – "Wer zur Rush-hour fährt, zahlt mehr" – würden in die Berechnung miteinfließen.