Spanien: Vorwurf des "Justizputsches"

Seite 2: EU-Kommission und die Rechtsstaatlichkeit in Spanien

Das hat inzwischen sogar schon die EU-Kommission auf den Plan gerufen, die nun ebenfalls an der Rechtsstaatlichkeit in Spanien zweifelt und mit Sanktionen wie Ungarn und Polen wegen der völlig politisierten Justiz droht.

Man kann dem Präsidialamtsminister Félix Bolaños nur zustimmen, der noch in der Nacht erklärt hat: "Die PP will das Parlament kontrollieren, ob sie eine Mehrheit hat oder nicht." Gefährliche Präzedenzfälle hatte das gleiche Verfassungsgericht schon 2017 in Bezug auf Katalonien geschaffen, wo man versuchte, Debatten und Beschlüsse zu verbieten.

Da die damalige katalanische Gerichtspräsidentin Carme Forcadell aber die Gewaltenteilung und die Souveränität des Parlaments verteidigte, die Debatten und Abstimmungen zuließ, wurde sie wegen angeblichen Aufruhrs zu 11,5 Jahren Haft verurteilt.

Mit Applaus der Sozialdemokraten von Pedro Sánchez wurde das Gericht oft präventiv gegen Katalanen eingesetzt. Es blockiert auch die Bearbeitung von Verfahren, um den Gang vor europäische Gerichte zu verhindern, wo Spanien mit großer Sicherheit, wie in anderen Verfahren zum Thema, vermutlich abgestraft wird

Vordergründig hatten die Rechten auch im Blick, die Reform des Aufruhr-Paragraphen zu verhindern, über die wird allerdings am Donnerstag abgestimmt, weil dagegen das Verfassungsgericht keinen Einspruch eingelegt hat. Die wird dann, wenn sich die Mehrheiten nicht bald ändern, über eine ordentliche Klage wohl gekippt werden.

Etliche wichtige Beschlüsse stehen vor dem höchsten Gericht bald an, wie zum Beispiel die Abtreibungsfrage, die Aufarbeitung des Franquismus. Diese und andere Gesetze können die rechten Ultras über das von ihnen dominierte Gericht kippen, ohne dafür eine Mehrheit im Parlament zu benötigen.

Allerdings muss hier auch gesagt werden, dass die Sánchez-Regierung es verschlafen hat, die Justiz-Blockade aufzubrechen. Es war wahrlich kein Ruhmesblatt, die Reform des Verfassungsgerichts nun über Änderungsanträge eilig in ein Gesetz einzufügen, statt ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren mit der entsprechenden Debatte auf den Weg zu bringen.

Man sieht auch, dass sich Sozialdemokraten selbst ins Knie geschossen haben, weil sie einen undemokratischen Vorgang in Katalonien mitgetragen haben. Jetzt beschweren sie sich, dass es sie trifft.

Steilvorlage für die Ultras

Katalonien war die Steilvorlage für die Ultras. Die Sozialdemokraten hatten 2017 die Chance, sich als Demokraten zu zeigen, die Demokratie zu verteidigen. Sie haben aber aus nationalistischen Interessen zugelassen, dass ein gefährlicher undemokratischer Präzedenzfall geschaffen wird.

Sánchez erklärt, dass er die verfassungswidrige Entscheidung anerkennen will, da er und seine Regierung sonst auch mit Gefängnisstrafen oder Exil konfrontiert sein könnten. Fügt aber hinzu: "Die Regierung wird die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um der Blockade der Justiz und des Verfassungsgerichts ein Ende zu setzen."

Wie er das bis November 2023 schaffen will, weiß er selbst nicht. Denn jetzt muss er das ordentliche Gesetzgebungsverfahren einleiten, das Zeit braucht.