Spanien an "Folterflügen" direkt beteiligt?
Die "Grünen" in Aragon haben Ex-Ministerpräsident Aznar wegen der angeblichen Mitwirkung des spanischen Militärs an CIA-Flügen angezeigt; Colin Powell zeigt sich derweil erstaunt darüber, dass die "europäischen Freunde" nichts von den Flügen gewusst haben wollen
Lange war es still um den abgehalfterten spanischen Ex-Regierungschef Aznar, der im vergangenen Frühjahr bei den Wahlen über seine vielen Lügen gestolpert war (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien). Es scheint, seine Freundschaft mit US-Präsident George Bush hat zu mehr geführt, als gegen den Widerstand der spanischen Bevölkerung die Truppen mit wehenden Fahnen an der Seite der USA in den Irak einmarschieren zu lassen.
Jedenfalls haben die Grünen in der Region Aragon nun in einer Anzeige behauptet, Spanien selbst habe „Folterflügen“ durchgeführt. Nach Informationen, die der kleinen unabhängigen Partei vorliegen, soll das Land nicht nur CIA-Flüge auf den Flughäfen geduldet haben, sondern mit eigenen Flugzeugen an der Verschleppung von Personen beteiligt gewesen sein. Eingesetzt worden sei dafür die Einheit „Ala 31“. Die untersteht direkt dem Generalkommando und ist nahe Zaragoza stationiert. Auf den Webseiten des Verteidigungsministeriums wird bei den Aufgaben der Ala 31 auch von „strategischen Transporten“ gesprochen, die auch „nichtkonventionelle Kriege“ einschließen. Darum handelt es sich unzweifelhaft, wenn die Vorwürfe stimmen.
Deshalb erstatteten die Grünen nun Strafanzeige gegen Aznar, die Ex-Außenministerin Ana Palacio und den Ex-Verteidigungsminister Federico Trillo. Die erhobenen Vorwürfe haben es in sich. Die Einheit „transportierte zwischen Januar 2003 und März 2004 vom US-Militär entführte Personen von ihrer Luftwaffenbasis in Manas (Kirgisien) zu dem Gefangenen- und Folterlager in Guantanamo“. Die Angaben stammten direkt aus Militärkreisen. Gegenüber Telepolis wollte Carlos Rueda, der die Anzeige erstattet hat, keine näheren Angaben zu Details und Herkunft der Informationen machen. Es sei besonders wichtig, die Informanten in einer „so delikaten Frage“ zu schützen.
Rueda hofft, dass die Staatsanwaltschaft ihres Amtes waltet und derart schwere Verstöße gegen spanische Rechtsnormen und die allgemeinen Menschenrechte ermittele. „Entführung und Folter sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, erklärte Rueda und wies darauf hin, dass Spanien die entsprechenden internationalen Abkommen unterzeichnet habe. Es sei Aufgabe der Justiz, Licht ins Dunkel zu bringen. Er hofft aber auch auf die Medien, die in der Frage der zahlreichen Flüge eine Dynamik der Aufdeckung entwickelt hätten.
Bisher waren in Spanien vor allem die zivilen Flughäfen in Palma de Mallorca, Gran Canaria, Teneriffa und Barcelona im Gespräch, die von CIA-Flugzeugen zur Zwischenlandung genutzt worden seien, um Gefangene in Länder zu bringen, in denen man es mit Menschenrechten und Verhörpraktiken noch weniger genau nimmt als in Spanien.
Bilder belegen, dass die Flüge auch nach der Machtübernahme durch die Sozialisten weiter gingen. Die vorliegenden Angaben der Grünen legen aber nahe, dass eine mögliche direkte Beteiligung mit dem Regierungswechsel im März 2004 beendet worde ist. Dass Aznar die Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten ausgebaut hatte, ist kein Geheimnis. Er erlaubte ihnen sogar im eigenen Land tätig zu werden (Spanien öffnet sich offiziell US-Geheimdiensten). Seine Regierung unterstützte besondere Kampformen (Spanien will "Präventivschläge" auch im Innern ausführen) und die Inhaftierung von Verdächtigen in Lager wie Guantanamo (Spanien: EU-Vorsitzender oder Botschafter der USA?).
Logisch wäre es, wenn eine direkte Beteiligung in die CIA-Flüge auf Eis gelegt wurde, nachdem sich der Sozialist José Luis Rodríguez Zapatero bei Bush unbeliebt machte, als der die spanischen Truppen aus dem Irak abzog. Möglich ist, dass Dokumente über die Vorgänge vernichtet wurden. Im Regierungspalast sei nach der Übernahme kein einziges Dokument zu diversen heiklen Vorgängen zu finden gewesen. In manchen Ministerien hatte eine Spezialfirma sogar die Bänder mit den Sicherheitskopien gelöscht.
Das Thema der CIA-Flüge ist trotz allem für die Sozialisten ein heißes Eisen. Schließlich wurden spanische Flughäfen von der CIA mit eigenen Flugzeugen bis vor kurzem noch benutzt. Vieles spricht dafür, dass Zapatero wie seine europäischen Kollegen informiert war (Hat die EU dem "Transit" von Gefangenen zugestimmt?). Gegenüber der BBC hat der ehemalige US-Außenminister Colin Powell nun erklärt, dass die Transporte für die „europäischen Freunde weder neu noch unbekannt“ gewesen seien. Damit sind die Sozialisten auch selbst mitverantwortlich und können die Vorgänge nicht ganz den Konservativen anlasten.
So wird die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, die in Spanien ein Ministerium der Regierung ist, wohl nur genauso zaghaft geführt werden, wie das Thema insgesamt bisher behandelt wurde. Trotz zahlreicher Daten über die CIA-Flüge sah der Generalstaatsanwalt Cándido Conde-Pumpido Ende November keine „relevanten strafbaren Indizien“. Deshalb ist er nicht dafür, dass die Ermittlungsrichter am Nationalen Gerichtshof sich dem Vorgang annehmen. Doch vielleicht findet sich, wie im Fall des von US-Soldaten im Irak getöteten spanischen Journalisten (Internationaler Haftbefehl für US-Soldaten), ein Richter, der den Fall aufgreift.