TSA setzt auf Sicherheitskräfte zur Verhaltenserkennung

Allerdings will man beim Heimatschutzministerium das Erkennen der "feindlichen Absichten" von Reisenden doch nicht auf Dauer geschulten Menschen überlassen, sondern hat eine Ausschreibung zur Entwicklung einer Wunschmaschine für Sicherheitsanhänger gestartet

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Für den nach dem 11.9. massiv ausgebauten "Heimatschutz" hat die US-Regierung zur Kontrolle der grenzüberschreitenden Bewegung von Menschen, Fahrzeugen und Gütern, vor allem auf Technik gesetzt. Milliarden wurden in neue Überwachungs- und Scantechniken, Datenbanken und Data-Mining-Programme investiert. Jetzt baut die für die Kontrollen an Flughäfen zuständige Transportation Security Agency (TSA) ein Programm aus, das wieder auf den menschlichen Faktor setzt – allerdings eingebettet in einen wissenschaftlichen Hintergrund.

Die TSA hat 2002 mit dem Programm SPOT (Screening Passengers by Observation Techniques) an einigen Flughäfen begonnen (An US-Flughäfen wird nach verdächtigem Verhalten gesucht), allerdings die Existenz des Programms erst 2006 zugegeben. Offenbar setzt man bei den vielen neuen Sicherheitsmaßnamen (layers of security) nun mehr und mehr auf diese "humane" Methode, nachdem zunächst gewünschte technische Systeme wohl nicht entwickelt werden konnten (Systeme zum Erkennen der bösen Absichten von Terroristen, An den Absichten, nicht an den biometrischen Daten sollt ihr sie erkennen), Sicherheitskräfte werden im Rahmen des SPOT-Programms geschult, verdächtige Verhaltensweisen von Passagieren auf Flughäfen zu entdecken. Grundlage dafür ist ein ähnliches israelisches Programm, zudem die Theorie des amerikanischen Psychologen Paul Ekman, der von der American Psychological Association zu den hundert wichtigsten Psychologen des 20. Jahrhundert gerechnet wird.

Der Psychologe hat zusammen mit Wallace Friesan 1978 ein Klassifikationssystem für emotionale Gesichtsausdrücke, das Facial Action Coding System (FACS), erstellt und sich auch weiterhin damit beschäftigt, was die Beobachtung des Gesichtes an Rückschlüssen auf die Person ermöglicht. Die 43 Gesichtsmuskeln können an die 10.000 unterschiedliche Gesichtsausdrücke erzeugen, von denen 3.000 bedeutsam sein sollen (Menschliche Lügendetektoren).

Seine Dienste bot der Psychologe nicht nur der TSA – oder der CIA und dem FBI - an, sondern lässt auch jeden an der Erkennung der von ihm so genannten Mikroexpressionen des Gesichtsausdrucks teilnehmen, wenn sie sich eine DVD erwerben. Mikroexpressionen sind flüchtige Gesichtsausdrücke, die Emotionen verraten sollen und von den Menschen angeblich nicht kontrolliert werden können. Daher sollen sich, wenn man geschult wurde, anhand von solchen Mikroexpressionen auch Lügen oder Verstellungen bemerken lassen, wenn man bestimmte "hot spots" auf dem Gesicht beobachtet. Ekman will auch sofort erkannt haben, als Clinton im Fernsehen die Zuschauer anschwindelte und abstritt, dass er ein Verhältnis mit Monica Levinsky hatte. Unter anderem versucht er auch Hinweise auf unmittelbar anstehende Tötungsabsichten bei Menschen zu identifizieren. Dabei werden Menschen befragt, die einen Angriff überlebt haben, wie der Gesichtsausdruck des Angreifers ausgesehen hatte.

Die TSA will bis Ende 2008 500 Sicherheitskräfte zur Verhaltenserkennung (Behavior Detection Officers - BDOs) ausgebildet haben, bis Ende 2007 sollen diese Experten für verdächtiges Verhalten bereits an den 40 größten Flughäfen tätig sein, um Terroristen und Kriminelle zu identifizieren. Man habe über SPOT illegale Immigranten, einige Kriminelle und mögliche Terrorverdächtige aufgespürt. Bruce Schneier hatte mit Kip Hawley, dem Leiter der TSA, vor kurzem ein längeres Gespräch geführt und dabei auch über das Beobachtungsprogramm gesprochen, mit dem sich, so Hawley, auf wissenschaftlicher Basis aus "bestimmten unwillkürlichen und unbewussten Handlungen", d.h. winzigen Bewegungen der Gesichtsmuskeln, erkennen lässt, ob eine Person "feindliche Absichten" hegt.

Das sei, so versicherte Hawley, ganz anders als bei Personen, die Angst haben, ihren Flug zu verpassen. Und die verräterischen Gesichtsausdrücke seien unabhängig von Alter, Geschlecht oder ethnischer Abstimmung identisch. Der Vorteil sei, dass man dabei nicht von den Annahmen abhängig sei, wie ein Terrorist aussieht. Die Sicherheitsmaßnahme werde von den Reisenden nicht bemerkt, sei aber vielleicht der effektivste Schutz. Man habe bereits 150 Personen identifiziert und festgenommen. Genaueres erfährt man jedoch auch nicht, abgesehen davon, dass angeblich mehr Personen identifiziert worden seien, die für den Antiterrorkampf von Interesse sind, als solche mit verbotenen Gegenständen. Man müsse eher auf "Problemmenschen" als auch "Problemgegenstände" schauen, ist seine Devise.

Die BDOs streifen stets zu zweit durch den Flugplatz. Dabei soll einer die Reisenden offen beobachten, während der andere so tut, als würde er normale Sicherheitsaufgaben vornehmen. Wenn eine Person aufgrund ihrer Mimik, ihrer Körpersprache oder ihrer Interaktion mit anderen Personen auffällt, wird sie genauer überprüft und eventuell anderem Sicherheitspersonal zur weiteren Befragung übergeben. Jetzt müssen sich Kriminelle und Terroristen auf jeden Fall die DVD von Ekman kaufen, um vielleicht doch trainieren zu können, welche Mikroexpressionen sie tunlichst unterdrücken sollten.

So richtig verlassen auf Menschen will man sich jedoch nicht. Ist doch die Entwicklung neuer Techniken gleichzeitig eine Wirtschaftsförderung, die auch im lukrativen Sicherheitsmarkt einen Vorsprung sichert. Jay M. Cohen, Staatssekretär bei der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Heimatschutzministeriums, die der Darpa nacheifert, hat im Mai ehrgeizige Pläne bekannt gegeben. So wurde im Rahmen der Homeland Innovative Prototypical Solutions (HIPS) eine Ausschreibung gemacht, die Vorschläge zur Entwicklung von FAST (Future Attribute Screening Technologies) einholen soll. Gemeint ist damit zunächst ein mobiles Laboratorium, das nun doch wieder physiologische oder aus dem Verhalten ablesbare Hinweise auf "feindliche Absichten" erkennen soll.

Menschen sind halt doch nicht so gut (auch wenn Ekam verständlicherweise anderer Meinung ist). Sie würden vieles übersehen oder nicht richtig deuten. Man wünscht sich ein System mit möglichst vielen Sensoren, die beispielsweise Herzschlag, Atmung, Augenbewegungen und andere Verhaltensindikatoren erfassen. Die "Gedankenlesemaschine" des Heimatschutzministeriums soll die unterschiedlichen Daten auswerten, kombinieren und so zusammenfassen, dass sich daraus eine "einzige Entscheidung" ableiten lässt. Dazu sollte auch die "Wahrscheinlichkeit eines negativen Verhaltens in einem situativen Kontext" angegeben werden

Jay Cohen gibt sich optimistisch. In seinem Vortrag präsentierte er denn auch diese Maxime, was wiederum beweist, dass die wirklichen Träumer oder Fantasten aus der Sicherheitskultur stammen, in der nicht nur alle Gefahren, sondern auch alle Schutzmaßnahmen prinzipiell möglich sind: