Terrormerkmal Gewerkschaftsmitgliedschaft?

Während in den USA die Anti-Terrorpolitik wieder heftig in der Kritik steht, nimmt der Datentransfer zwischen der EU und der USA zu

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Ein besonderes Geschenk zum 90ten Geburtstag von Nelson Mandela kam aus den USA. Dort wurde der ehemalige südafrikanische Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger von 1993 vor einigen Tagen von der Liste der terrorverdächtigten Personen gestrichen. Dazu musste US-Präsident Bush eine Gesetzesänderung des US-Kongress unterschreiben. Neben Mandela stand auch seine Partei, der African National Congress, auf der Liste. Die Streichung wurde von den Abgeordneten der Demokraten Howard Bermann beantragt. Unterstützt wurde er von US-Außenministerin Rice. Die musste bisher Mandela immer eine Sondergenehmigung ausstellen, wenn er in den USA reisen wollte.

Dieses Prozedere gilt weiterhin für den linksgerichteten Präsidenten von Bolivien Evo Morales. Der wird weiter auf der Liste terrorverdächtiger Personen geführt. Nach Angaben der US-Menschenrechtsorganisation Amcerican Civil Liberties Union (ACLU) umfasst die Liste über 1 Millionen Personen und monatlich gibt es 20.000 Neuzugänge. Im September 2007 waren noch ca. 700.000 Personen auf der Liste aufgeführt (Bald eine Millionen Namen auf der US-Terrorliste).

Eine interessante Frage dürfte sein, wie hoch die Anzahl der Personen aus Europa und Deutschland auf dieser Liste ist. Die Zahl der Visumsverweigerungen für Reisen in die USA ist in den letzten Jahren gewachsen. So konnte die Publizistin Astrid Proll:www.rafinfo.de/bio/m-q/prolla.php, die in den frühen 70er Jahren kurze Zeit RAF-Mitglied war, bis 2002 ungehindert ihre Mutter in der USA besuchen. Danach wurden ihr die Visa regelmäßig verweigert.

Datentransfer zwischen Europa und USA in der Kritik

Mit dem Datenschutzabkommen zwischen den USA und der EU könnte sich Liste der terrorverdächtigen Personen in den USA noch mehr füllen, befürchten zivilrechtliche Organisationen. So warnt der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vor dem Datentransfer. In der Kritik ist aber auch das zwischen Deutschland und den USA verabredete Abkommen über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität, bei dem auf deutscher Seite das Bundesinnenministerium und dem Bundesjustizministerium (http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2008/2008_128/03.html ) an den Verhandlungen beteiligt waren und das im März 2008 paraphiert worden ist. In einer Mitteilung des Bundesinnenministerium heißt es :

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Das Abkommen sieht vor, dass nach Maßgabe des jeweils geltenden nationalen Rechts im Einzelfall auch ohne Ersuchen personenbezogene Daten übermittelt werden können, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Personen terroristische Straftaten oder Straftaten, die hiermit im Zusammenhang stehen, begehen werden oder eine Ausbildung zur Begehung von terroristischen Straftaten durchlaufen oder durchlaufen haben. Übermittelt werden Daten zur Identifizierung der Personen (z. B. Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, daktyloskopische Daten) und Informationen zu Umständen, die den Tatverdacht begründen.

Das Abkommen schafft ferner die Grundlage für einen automatisierten Austausch von Fingerabdruck- und DNA-Daten im Hit/No-Hit-Verfahren nach Vorbild des Vertrags von Prüm, der im Jahr 2005 zwischen mehreren EU-Mitgliedstaaten geschlossen wurde.

Die Liste der Kritiker reicht von Landes- und Bundesdatenschützern bis zur Gewerkschaft der Polizei. Deren Vorsitzender Konrad Freiberg sagte, vor allem die Regelungen zur Übermittlung von Daten seien nicht nachvollziehbar, aus denen „Rasse oder ethnische Herkunft, politische Anschauungen, religiöse oder sonstige Überzeugungen oder die Mitgliedschaft in Gewerkschaften“ hervorgehe oder die „die Gesundheit und das Sexualleben“ betreffen.

Teenager in Guantanamo

In den letzten Tagen ist in den USA auch wieder die Diskussion über die Behandlung der auf Guantanamo gefangen gehaltenen tatsächlichen oder vermeintlichen Islamisten entbrannt. Auslöser war ein Video, auf dem der jüngste Gefangene, der in Kanada geborene Omar Ahmed Khadr im Alter von 16 Jahren zu sehen ist (Total kaputter Junge). Die Bilder des weinenden Jugendlichen, der seine schlecht verheilten Schusswunden vorzeigt, hat in den USA wieder verstärkt die Forderung nach Schließung von Guantanamo laut werden lassen. Kanadas Menschenrechtler fordern von ihrer Regierung mehr Druck auf die USA; damit Omar Ahmed Khadr in ihr Land überstellt wird.

Allerdings regiert in Kanada zur Zeit die US-freundlichste Regierung seit Jahrzehnten, die jede Intervention in diesem Fall ablehnt. Die Regierung hat sogar einen US-Soldaten, die wegen des Irakkrieges aus der Armee desertiert und nach Kanada geflohen war, an die USA ausgeliefert (Refusing Refuge). Noch während des Vietnamkrieges diente Kanada für Tausende von US-Deserteuren als Zufluchtsort.

Das Video löste neben berechtigter Sorge um die Menschenrechte im Krieg gegen den Terror auch wieder unreflektierte Kritik an den USA in deutschen Medien aus. So schrieb ein Kommentator der Frankfurter Rundschau: „Und das alles geschieht immer noch und immer wieder in den USA, die sich anscheinend mit aller Gewalt als international führendes Unrechtsregime etablieren wollen.“

Bei soviel wohlfeiler Empörung wird schnell vergessen, dass die Bilanz der Anti-Terrorpolitik in Europa auch nicht so besonders erfreulich ist. So zahlte die schwedische Regierung kürzlich eine Entschädigung von 330.000 Euro an Mohammed Al-Zery. Der Ägypter war im Dezember 2001 mit einen weiteren Ägypter namens Ahmed Agiz von der CIA mit Wissen der schwedischen Regierung als Terrorverdächtigter nach Ägypten verschleppt worden (Schweden und die CIA-Praxis des Verschleppens von angeblichen "Terroristen" in Folterländer), wo beide gefoltert wurden. Die Vorwürfe gegen die beiden erwiesen sich als falsch. Wegen der Entführung wurde weder juristisch noch politisch bis heute jemand juristisch belangt.

In Dänemark sitzen zwei Tunesier seit Februar 2008 in Administrativhaft, weil sie ein Attentat auf den dänischen Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard geplant haben sollen. Die beiden sitzen ohne Richterspruch in Haft. Der dänische Geheimdienst weigerte sich, Beweise gegen die beiden vorzulegen, weil dadurch der Schutz von Informanten und die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten gefährdet seien. Der oberste dänischen Gericht erklärt im Juli, ohne Beweise sei eine weitere Haft der beiden nicht zu rechtfertigen. Diese Beispiele zeigen, dass die Kollateralschaden der Anti-Terrorpolitik durchaus nicht nur in den USA zu finden ist.