Trump gewährt Aufschub für Einfuhrzölle

Seite 2: Geständnisse eines Exportjunkies

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Diese extreme Exportfixierung der deutschen Wirtschaft ist aber keine ahistorische Konstante, sondern Folge eines konkreten historischen Prozesses. In den 70er oder auch den 90er Jahren des 20. Jahrhundert über wies die Bundesrepublik - mit Ausnahme eines kurzen Zwischenhochs in der zweiten Hälfe der 80er Jahre - keinen nennenswerten oder gar extremen Leistungsbilanzüberschuss auf (Der Aufstieg des deutschen Europa).

Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss explodierte aber regelrecht mit der Einführung des Euro - und zwar hauptsächlich gegenüber den Ländern der Eurozone. Deutschlands Überschuss in der Leistungsbilanz gegenüber den Ländern der Eurozone stieg von rund 10 Milliarden Euro 2001 auf mehr als 100 Milliarden im Krisenjahr 2007. Nach Ausbruch der Eurokrise gingen die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse gegenüber dem im Schäublerischen Spardiktat versinkenden Euroraum sehr schnell zurück. Diese europäischen Einbrüche in der Leistungsbilanz wurden aber überkompensiert durch rasch zunehmende Überschüsse gegenüber den Schwellenländern, Südostasien - und vor allem den USA und Großbritannien.

Das Handelsdefizit der USA gegenüber Deutschland ist von 29 Milliarden Dollar bei der Euroeinführung über 44 Milliarden beim Krisenausbruch 2007 auf die besagten 64 Milliarden 2017 angestiegen. Dieses Ungleichgewicht wurde, wie gesagt, auch von der Obama-Administration kritisiert, die aber nicht bereit war, den Streit dermaßen eskalieren zu lassen, wie es der nationalistische Rechtspopulist Trump derzeit tut.

Zwei Faktoren trugen dazu bei, dass die Bundesrepublik derzeit zum Weltmeister im Schuldenexport avancieren konnte, der jährlich Handelsüberschüsse von mehr einer knappen Viertelbillion Euro erwirtschaftet (und folglich Auslandsschulden in eben solchem Ausmaß generiert). Zum einen ist es der Euro in seiner historisch einmaligen Funktion als gemeinsame Währung sehr unterschiedlicher, miteinander in Konkurrenz stehender Volkswirtschaften; zum anderen ist es der durchschlagende Erfolg der Agenda 2010, der zu einem massiven Anstieg der deutschen Exporte beitrug.

In Relation zu der Wirtschaftsstärke der Bundesrepublik ist der Euro immer strukturell unterbewertet, da sich in diesem Währungsraum auch Länder wie Portugal oder Griechenland wiederfinden, die den Wert dieser Währung tendenziell nach unten drücken. Der Euro nahm den Euroländern zudem die Möglichkeit, auf die ohnehin gegebenen Produktivitätsvorteile der deutschen Industrie mit Währungsabwertungen zu reagieren, wie es - etwa im Fall Italiens - jahrzehntelang üblich war.

Die Agendapolitik mit ihrer Prekarisierungsstrategie beförderte gezielt die Exportausrichtung der Bundesrepublik, indem sie den Preis der Ware Arbeitskraft - in Relation zu den europäischen Konkurrenten - drückte. Die Schaffung des europaweit größten Niedriglohnsektors, die niedrig gehaltenen Lohnstückkosten (Anteil der Löhne an den Kosten einer Ware), forcierten absichtlich den Schuldenexport in die Eurozone, der dann in der europäischen Schuldenkrise gipfelte.

Nach Ausbruch der Eurokrise konnte die deutsche Industrie eine Neuausrichtung ihrer Exportoffensiven auf Absatzmärkte jenseits der Eurozone vollführen, da der Euro, der sich jahrelang am Rande des Zerfalls befand, gegenüber anderen Währungsräumen tendenziell an Wert verlor - und so Exporte begünstigte. Zugleich wirkte das Schäublerische Spardiktat, das dem Währungsraum nach Krisenausbruch in Form der Austeritätspolitik oktroyiert wurde. Die Eurozone, die vor Ausbruch der Eurokrise eine relativ ausgeglichene Leistungsbilanz hatte, entwickelte ab 2012 einen extremen Leistungsbilanzüberschuss gegenüber dem außereuropäischen Ausland.

Berlin formte sein "deutsches Europa" nach seinem Ebenbild zu einem einseitig auf Export ausgerichteten Wirtschaftsraum: Die extremen Handelsüberschüsse der Bundesrepublik gegenüber der Eurozone, die vor Krisenausbruch gewissermaßen eine "innereuropäische Angelegenheit" waren, wandelten sich zu extremen Handelsüberschüssen der Eurozone gegenüber dem außereuropäischen Ausland.

Selbstverständlich werden die europäischen Handelsüberschüsse zum großen Teil durch den deutschen Handelsüberschuss akkumuliert, wie es etwa am Beispiel des Handels zwischen der Eurozone und den Vereinigten Staaten evident wird. Von dem Handelsüberschuss von 120 Milliarden Euro, den die Eurozone gegenüber den USA im vergangenen Jahr akkumulierte, entfallen rund 50 Milliarden Euro auf die Bundesrepublik. Zum Vergleich: Der Handelsüberschuss Europas gegenüber den USA betrug im Krisenjahr 2008 nur 48 Milliarden Euro. Das US-Defizit hat sich somit binnen einer knappen Dekade nahezu verdreifacht.

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