UKIP wirft Schulz Abgeordnetenmanipulation vor

Einer lettischen Abgeordneten soll als Gegenleistung für einen Fraktionsaustritt die Leitung einer Auslandsdelegation angeboten worden sein - das Büro des deutschen Sozialdemokraten bestreitet die Vorwürfe

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Um im Europaparlament offiziell als Fraktion anerkannt zu werden, müssen sich mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens sieben Ländern zusammenschließen. Dann haben sie deutlich mehr Rede- und Ausschuss- und Initiativrechte - und sie bekommen deutlich mehr Geld.

Bis gestern gab es im Europaparlament sieben dieser offiziell anerkannten Fraktionen. Dann trat die lettische Bauernparteiabgeordnete Iveta Grigule aus der EU-kritischen Fraktion Europa der Freiheit und der Direkten Demokratie (EFDD) aus, wodurch diese ihren Status verlor, weil sie jetzt nur noch britische, italienische, schwedische, litauische und tschechische Parteien sowie eine unabhängige Französin enthält.

Iveta Grigule. Foto: Uldis Pāže, Saeimas Kanceleja. Lizenz: CC BY-SA 2.0.

Die EFDD erhebt deshalb schwere Vorwürfe gegen den Parlamentspräsidenten Martin Schulz: Der soll Grigule dazu überredet haben, aus der Fraktion auszutreten und ihr dafür die Leitung einer Auslandsdelegation als Gegenleistung angeboten haben. Der "Hinterzimmerhandel" zeige, dass es im EU-Parlament "wie in einer Bananenrepublik" zugeht.

Das Büro des deutschen Sozialdemokraten bestreitet diese Vorwürfe. Gegenüber der BBC räumte es lediglich ein, dass Grigule sich am Mittwoch mit Schulz traf und am Donnerstag früh ihr Austrittsschreiben einreichte.

Die Lettin selbst gab bislang keine Begründung für ihren Austritt aus der Fraktion ab. Neben Karrieremotiven und einer Überredung ist auch denkbar, dass unterschiedliche Ansichten über die Russlandpolitik zu ihrem Schritt führten oder beitrugen: Nigel Farage, der Vorsitzende der (in der EFDD mit 24 von insgesamt 48 Abgeordneten klar dominanten) United Kingdom Independence Party (UKIP) plädiert für ein Ende der Sanktionen gegen Russland und für eine Zusammenarbeit gegen den Dschihadismus. Die lettische Regierung, der die Bauernpartei angehört, sieht dagegen in Wladimir Putin keinen Partner, sondern eine potenzielle Bedrohung der territorialen Integrität des Landes, in dem etwa 37 Prozent der Bürger russisch sprechen.

Der UKIP-Vorsitzende Nigel Farage plädiert für ein Ende der Konfrontationspolitik mit Russland

Für die EFDD-Fraktion bedeutet der Austritt in jedem Fall einen Einnahmeverlust in Höhe von ungefähr vier Millionen Euro alleine für das Jahr 2015. Wie viel davon nun welcher anderen Fraktion im Europaparlament zugutekommt, ist noch nicht klar. Ändern könnte die EFDD das nur dann, wenn es ihr gelingt, einen Abgeordneten aus einem nicht in der Fraktion vertretenen Land zum Eintritt zu bewegen.

In Frage dafür kommen nicht nur 70 fraktionslose Abgeordnete aus sieben Ländern, sondern auch solche, die in anderen Fraktionen nicht ganz zufrieden sind: In der AfD, die der von den britischen Tories geführten Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten angehört, gibt es beispielsweise unterschiedliche Ansichten zur Russlandpolitik - und in der gemeinsamen Fraktion der Grünen und der Regionalparteien wollte die deutsche Vorsitzende Rebecca Harms die lettische Russenparteivertreterin Tatjana Ždanoka ausschließen lassen (was ihr jedoch nicht gelang).

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