US-Militär entwickelt nichttödliche Waffen

Für den Einsatz solcher nichttödlichen chemischen oder biologischen Mittel müssten aber die internationalen Abkommen verändert werden

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Eigentlich gibt es ein weltweites Verbot für die Herstellung von chemischen und biologischen Waffen. Doch internationale Abkommen und ihre Einhaltung sind oft genug verschiedene Dinge. Wie New Scientist berichtet, fordern Militärberater in der USA, dass man die internationalen Abkommen doch so verändern solle, dass in Zukunft "nichttödliche" Varianten von chemischen oder biologischen Waffen in Kriegen oder auch bei militärischen Operationen zur Friedenssicherung eingesetzt werden dürfen.

Das Abkommen über das Verbot von chemischen Waffen (CWC) von 1993 wurde 1997 von den USA ratifiziert. Das gilt zwar auch für das Abkommen über das Verbot von biologischen Waffen (BWC), das es schon seit 1972 gibt, strittig aber sind die Verifizierungsverfahren - und da scheinen sich vorwiegend die USA quer zu legen und eine Einigung zu verhindern. Zumindest in die Forschung zur angeblichen Abwehr biologischer Waffen stecken die USA mittlerweile erhebliche Gelder. Natürlich ist überdies die Entwicklung von biologischen Waffen eng verknüpft mit der von biologischen Abwehrstrategien und wahrscheinlich kaum voneinander ununterscheidbar.

Das Abkommen über das Verbot von biologischen und toxischen Waffen, von 141 Staaten ratifiziert, untersagt "unter allen Umständen die Entwicklung, Produktion, Lagerung oder anderweitige Beschaffung oder Aufbewahrung von 1) bakteriellen oder anderen biologischen Agenten, unabhängig von ihrer Herkunft oder Herstellungsmethode, von ihrer Art und ihrer Menge, wenn sie nicht durch prophylaktische, schützende oder andere friedliche Zweck gerechtfertigt sind; und 2) Waffen, Ausrüstung oder Verbreitungsmittel, die für den Zweck gestaltet sind, solche Agenten oder Toxine für feindliche Zwecke oder in bewaffneten Konflikten einzusetzen." Auch nichttödliche Waffen bleiben Waffen, es sei denn man könnte sie zu Schutzmaßnahmen umdefinieren. Das Abkommen über das Verbot von chemischen Waffen ist weniger klar. Es untersagt zwar auch nichttödliche Wirkstoffe, wenn sie gegen Feinde eingewetzt werden, lässt ihre Einsatz aber bei Dingen wie Gebäuden zu, wenn diese Tieren oder Menschen nicht schaden.

Nach den Überlegungen und Forschungsvorhaben des Joint Non-Lethal Weapons Directorate der US-Marine sollen derartige nichttödliche chemische oder biologische Waffen zwar zum Schutz der eigenen Soldaten, aber durchaus in bewaffneten Konflikten oder bei Maßnahmen zur Friedenssicherung eingesetzt werden. So denkt man beispielsweise an Mittel, die, in die Luft gesprüht, große Menschenmengen oder Truppenverbände in den Schlaf versetzen oder zumindest wie eine Art Tranquilizer still stellen würden. Geforscht wird an Mitteln, wie man gegnerische Fahrzeuge durch Gleitmittel behindern oder durch spezielle Bakterien, die das Benzin untauglich machen, zum Stoppen bringen könnte. Colonel George Fenton stellt sich beispielsweise einen Staub vor, "der jeden Kämpfer oder Zivilisten in einem Gebäude einschlafen lässt."

Solche Waffen würden nicht nur das Leben der eigenen Truppen schützen und das der Gegner schonen, sie böten auch eine Möglichkeit, besser auf der zweiten Front des modernen Kriegs, nämlich der Berichterstattung durch die Medien, agieren zu können. Wie wichtig Bilder sind, hat man unlängst erst wieder im Kampf zwischen Israelis und Palästinensern sehen können. Das Einschlafen der Gegner und das Einsammeln von ihnen unter laufenden Kameras wäre nahezu unbedenklich. Es gäbe keine Bilder von verwundeten oder toten Menschen.

Auch Russel Glenn von der Rand Corporation, die wiederum das amerikanische Verteidigungsministerium berät, fordert, man müsse die Abkommen so verändern, dass Forscher legitim etwa Gase entwickeln könnten, die Menschenmengen ruhig machen. "Chemische Substanzen können unsere Freunde sein." Und biologische Agenten haben, so Colonel John Alexander, der früher über nichttödliche Waffen beim Los Alamos National Laboratory gearbeitet hat, breiteste Einsatzmöglichkeiten, denn es gäbe fast nichts, was Bakterien nicht fressen können. Überdies würden sich "Schurkenstaaten" sowieso nicht an die Abkommen halten.

Kritiker sagen allerdings, dass neue Verhandlungen über die Abkommen das Begehren mancher Staaten nach Massenvernichtungsmitteln wieder stärken könnten. Andere sehen die Gefahr, dass der Einsatz von nichttödlichen Waffen dazu führen könnte, dass die gegnerische Seite dann zu tödlichen Versionen als Reaktion greift.

Problematisch ist bereits der Versuch, mit biologischen Waffen den Anbau von Drogen zu verhindern, wie dies die USA in Kolumbien und Afghanistan beabsichtigen: Drogenbekämpfung oder biologischer Krieg?.