US-Truppen in Bedrängnis: Die stille Schlacht von Niger

Eine Boeing C-17 Globemaster III startet am 19. Juni 2021 von der Air Base 201 in Niger. Bild: U.S. Air Force

Entkolonialisierung in Niger: Die Franzosen sind aus Niger geflohen, die US-Truppen abgeschnitten. Warum das ein massiver Rückschlag für den Westen ist.

Während sich die USA bisher nicht damit abgefunden zu haben scheinen, ihre Drohnenbasen in Niger – eine der größten der Welt – aufgeben zu müssen, zeigt sich die Regierung des afrikanischen Landes entschlossener: Sie hat das entsprechende Abkommen gekündigt und für ungültig erklärt.

Der Vertrag hatte Washington erlaubt, auf dem Stützpunkt 201 in der Region Agadez rund tausend Soldaten und eine unbekannte Zahl von "Auftragnehmern", also auch Paramilitärs, zu stationieren. Der Stützpunkt war 2019 von den US-Amerikanern für mehrere hundert Millionen Dollar fertiggestellt worden.

Nach neuen Vereinbarungen zwischen Niamey und Moskau sind vor wenigen Tagen Hunderte russische Soldaten in dem afrikanischen Binnenstaat eingetroffen und haben wichtige militärische Ausrüstung für die nigrische Armee mitgebracht. Die russischen Soldaten sind auch mit der Ausbildung und dem Aufbau eines Luftabwehrsystems beauftragt. Es handelt sich um die bisher größte Mission Russlands in Niger.

Ein historisches Aufeinandertreffen

In diesen Tagen stehen sich in Niger zum ersten Mal in der Geschichte russische und US-amerikanische Streitkräfte außerhalb eines Stellvertreterkrieges auf demselben Territorium mit offensichtlich diametral entgegengesetzten Zielen gegenüber.

Das Ende der französischen Kolonialpräsenz in der Region

Der militärische Prozess, der im Juli letzten Jahres in Niger begann und im Mai 2021 in Mali und im September 2022 in Burkina Faso fortgesetzt werden soll, beschränkt sich nicht nur auf die Ausweisung der französischen Truppen. Die etwa 1.500 Mann stammen aus der im Dezember beendeten "Operation Barkhane".

Nun geht es um die Forderung nach einem Rückzug der US-amerikanischen Truppen.

Der riskante Schritt des von General Abdourahamane Tchiani geführten Nationalen Rates zum Schutz des Vaterlandes (CNSP), der Mitte März auch das Sicherheitsabkommen mit der Europäischen Union (EU) aufkündigte, markiert das Ende der langen französischen Kolonialpräsenz in der Region, die 1890 begann.

Franzosen fliehen

Die französische Regierung unter Präsident Emmanuel Macron hat nach Abschluss der Operation Barkhane in Mali, Mauretanien und Niger beschlossen, die 1.600 Soldaten der Operation Sangaris in der Zentralafrikanischen Republik, die 400 Soldaten der Operation Sabre in Burkina Faso und die 950 Soldaten der Operation Épervier im Tschad abzuziehen. Sie alle hatten politischen Druck auf diese Länder ausgeübt.

US-Truppen verschanzen sich auf Airbase

Trotz des Rückzugs der Franzosen und der Ankunft der Russen hatten die US-Amerikaner beschlossen, sich weiterhin auf der Airbase 101 in der Nähe des Hauptverkehrsflughafens von Niamey und auf der Airbase 201 in der Region Agadez zu verschanzen. Sie wurde im Jahr 2013 in Betrieb genommen und ist die größte ihrer Art weltweit ist.

Sie wurde gebaut, um "terroristische" Aktivitäten zu überwachen und zu unterdrücken und um Migrationsbewegungen in Richtung der südlichen Mittelmeerhäfen und weiter nach Europa aufzuspüren und "abzuschrecken".

Mit diesen Investitionen wollten die USA ihren Einfluss auf den Süden des Kontinents und den Golf von Guinea ausdehnen, wo sich sechzig Prozent der afrikanischen Ölproduktion konzentrieren.

US-Truppen abgeschnitten

Laut einem Bericht des Außenministeriums hat die Regierung von General Tchiani keiner der beiden Einheiten in Agadez die Erlaubnis erteilt, das Land zu betreten oder zu verlassen. Damit wurde die Ankunft von Post, Lebensmitteln, Ausrüstung und medizinischen Hilfsgütern verhindert. Zuvor hatte die Führung in Niamey davor gewarnt, dass die Lieferung einiger wichtiger Medikamente für das Personal im Mai enden würde.

Ende der französischen Kolonialwährung

Niamey hat wie Bamako und Ouagadougou die französischen diplomatischen Vertretungen des Landes verwiesen und eine politisch-militärische Vereinigung gegründet, deren Hauptziel es ist, den westafrikanischen Franc CFA zu ersetzen.

Diese Währung wurde 1945 von Paris eingeführt und blieb seit den aufeinander folgenden Unabhängigkeitserklärungen der 1960er Jahre ein Instrument der politischen und wirtschaftlichen Kontrolle seiner ehemaligen Kolonien.

Auch die neue Regierung des Senegal unter Präsident Bassirou Faye, ebenfalls eine ehemalige französische Kolonie, plant, diese Währung abzuschaffen, was ein fast endgültiger Schritt zum Ende der unheilvollen französischen Präsenz auf dem Kontinent wäre.

Kampf gegen Terror als Vorwand?

Der Vorwand für die französische und amerikanische Militärpräsenz in diesen drei Ländern der Sahelzone ist der Kampf gegen terroristische Gruppen, die al-Qaida und Daesh unterstützen und als Jama'at Nasr al-Islām wal Muslimin (Unterstützungsgruppe für den Islam und die Muslime) oder Islamischer Staat in der Großen Sahara (EIGS) bekannt sind.

Angesichts der Tatsache, dass die Stärke der Islamisten die lokalen Armeen dieser drei Länder in verschiedenen Regionen übertrifft, haben ihre Regierungen die Hilfe der Wagner-Gruppe in Anspruch genommen, eines in Russland gegründeten Söldnerunternehmens. Ihr Gründer Jewgeni Prigoschin kam im August 2023 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, nachdem er im Juni desselben Jahres in einen angeblichen Putsch gegen Präsident Wladimir Putin verwickelt gewesen war.

Die russische Wagner-Gruppe

Die umstrittene Präsenz der Wagner-Gruppe, vor allem im Norden Malis, wo ihr Massaker an der Zivilbevölkerung vorgeworfen werden, trug jedoch dazu bei, den Vormarsch der Mudschaheddin einzudämmen, was den 5.000 französischen Soldaten der Operation Barkhane nicht gelungen war.

Nach zehnjähriger Präsenz beschloss die malische Regierungsjunta unter Oberst Assimi Goita angesichts ihres völligen Scheiterns den Rückzug ihrer Truppen, was später auch in Burkina Faso geschah, wo die Übergriffe des französischen Militärs zu zahlreichen Massenprotesten der Zivilbevölkerung führten, die französische Firmengebäude und sogar die französische Botschaft angriffen.

Vor dem Hintergrund der Unruhen in der Bevölkerung und in den Streitkräften dieser drei afrikanischen Länder begann eine Annäherung an Moskau, nicht mehr über Prigoschins Unternehmen, sondern direkt über den Kreml.

Moskaus Afrika-Politik

Moskau verfolgt seit Jahren eine Politik der Annäherung an diese Länder durch militärische, vor allem aber durch Nahrungsmittelhilfe, die Eröffnung von Kreditlinien und die Lieferung großer Getreidemengen an die drei Länder der entstehenden Sahel-Konföderation (Mali, Burkina Faso und Niger).

Die jüngste Entscheidung der nigrischen Junta steht im Gegensatz zu den Plänen Washingtons, eine Reihe von Militärbasen und Grenzposten quer durch die Sahelzone zu errichten, mit Niger als Drehscheibe, um die immer engeren Beziehungen des Kontinents zu China zu behindern.

Auch China nähert sich Afrika an

Seit mindestens drei Jahrzehnten investiert Peking im Rahmen der Seidenstraße in zahlreichen Ländern des Kontinents massiv in verschiedene Produktionssektoren, darunter große Bau-, Stahl- und Ölprojekte. An diesen Aktivitäten ist auch Russland beteiligt, das einen ehrgeizigen Modernisierungsplan für die Rüstung und Ausbildung der lokalen Armeen verfolgt. Außerdem hat Peking seit Beginn dieses Jahrhunderts hundert Häfen auf dem ganzen Kontinent gebaut.

Angesichts dieser Realität versuchen die Vereinigten Staaten, eine Art Abkommen auszuhandeln, um eine gewisse militärische Präsenz in Niger aufrechtzuerhalten und nicht gezwungen zu sein, das Land vollständig zu verlassen, wie es Frankreich tun musste.

Die Junta aber argumentiert weiterhin, dass die Militärpräsenz Washingtons eine Verletzung der Verfassung des Landes darstelle, sodass das Schicksal der beiden Militärstützpunkte mehr als ungewiss bleibt.

Nigers Junta und die Russen

Ferner kann die russische Militärpräsenz als Antwort auf die Forderungen der USA an das nigerische Militär gesehen werden.

Die US-Streitkräfte sind zwar immer noch in Niger präsent und kontrollieren die Drohnenbasen. US-Präsident Joe Bidens Aufmerksamkeit scheint indes auf die Wahlen im November gerichtet zu sein, ohne dass er sich um die überwältigenden Sicherheitsprobleme in der Welt kümmert, die seine Regierung verursacht hat.

Guadi Calvo ist ein argentinischer Schriftsteller und Journalist. Er ist ein internationaler Analyst, der sich auf Afrika, den Nahen Osten und Zentralasien spezialisiert hat. Sein Text erschien zuerst auf rebelion.org auf Spanisch. Er wurde von Telepolis in deutscher Übersetzung leicht überarbeitet und gekürzt.