Ukraine-Krieg: Das Endspiel um die Festung Awdijiwka

Seite 2: Ukrainische Verteidigung: Munition fehlt, vor allem aber Soldaten

Ein Grund für den Rückzug der ukrainischen Armee dürfte im fehlenden Rüstungsmaterial zu sehen sein, denn der westliche Nachschub ist weitestgehend versiegt. Das ist für die kämpfenden Truppen der Ukraine überall spürbar.

Es fehlt vor allem an Munition, um den unentwegten russischen Angriffen wirkungsvoll etwas entgegensetzen zu können. Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov gibt an, dass die Streitkräfte des Landes ein Minimum an 6000 Artillerie-Granaten des Kalibers 155 Millimeter benötigen – doch die Ukraine kann nach seinen Angaben gerade einmal 2000 einsetzen.

Auf der russischen Seite gibt es dagegen wenig Anzeichen für eine Munitionsknappheit. Der russische Ausstoß an 152 Millimeter-Granaten konnte deutlich hochgefahren werden und zusätzlich liefern sowohl Nordkorea als auch der Iran große Mengen an Granaten dieses Kalibers.

Doch selbst wenn der Westen plötzlich und unerwartet alles liefern würde, was die Ukraine sich erwünscht: Das Land hat keine Soldaten mehr, um die Waffen zu bedienen.

"Wenige neuen Rekruten, wenig Know-how"

Neben den immer verzweifelteren Mobilisierungsversuchen des ukrainischen Staates gibt es vor allem das Problem, dass die kämpfenden Truppen nicht in dem Ausmaß abgelöst werden, wie das für den Erhalt der Wehrkraft nötig wäre.

Die Washington Post vom 8. Februar beschreibt die Situation an der Front:

Vor allem im Winter, wenn die Witterungsbedingungen schwierig sind, sollte die Infanterie nach etwa drei Tagen wieder abgelöst werden. Da es den Einheiten jedoch an Truppen mangelt, werden die Einsätze verlängert - oder das für den rückwärtigen Bereich vorgesehene Personal wird zum Frontdienst gezwungen, obwohl es schlecht darauf vorbereitet ist.

Truppen, die aufgrund von Überlastung geistig und körperlich erschöpft sind, können ihre Stellungen manchmal nicht verteidigen, so dass Russland – mit mehr Personal und Munition – vorrücken kann.

"Sie müssen durch jemanden ersetzt werden", sagt Oleksandr, der Kommandeur des Bataillons. "Es gibt niemanden, der sie ersetzen kann, also sitzen sie länger dort, ihre Moral sinkt, sie werden krank oder erfrieren. Sie sind am Ende. Es gibt niemanden, der sie ersetzen kann. Die Front bekommt Risse. Die Front bröckelt."

Washington Post

Die Zeitung konnte unter dem Versprechen der Anonymität mit fast einem Dutzend ukrainischen Soldaten und Kommandeuren an der Front sprechen. Sie alle hatten Angst vor den Konsequenzen in ihrer Heimat, wenn sie den sich verschlechternden Zustand des Militärs in ihrem Land öffentlich machen würden.

Ukrainische Kommandeure beklagen zudem den schlechten Ausbildungsstand der wenigen neuen Rekruten:

Auf die Frage, wie viele neue Soldaten er erhalten hat – ohne diejenigen, die nach Verletzungen zurückgekehrt sind – sagte Oleksandr, dass sein Bataillon in den letzten fünf Monaten fünf neue Soldaten erhalten hat.

Er und andere Kommandeure sagten, die neuen Rekruten seien in der Regel schlecht ausgebildet, was zu dem Dilemma führe, ob man jemanden sofort auf das Schlachtfeld schicken solle, weil man dringend Verstärkung benötige, auch wenn sie wahrscheinlich verletzt oder getötet würden, weil ihnen das Know-how fehle.

Washington Post

Weiter äußert sich der Kommandeur gegenüber dem US-Medium mit folgenden Worten:

"Die Grundlage von allem ist der Mangel an Männern", sagte Oleksandr.
"Wohin gehen wir? Ich weiß es nicht", fügte er hinzu. "Es gibt keine positiven Zukunftsaussichten. Überhaupt keine. Es wird mit viel Tod enden, mit einem globalen Scheitern. Und höchstwahrscheinlich, denke ich, wird die Front irgendwo zusammenbrechen, so wie sie es für den Feind im Jahr 2022 in der Region Charkiw tat."

Washington Post

Eine Analyse der New York Times malt ebenfalls ein schwarzes Bild von der Front. Zwar habe die Armee der Ukraine jetzt neue Befehlshaber, die Probleme hätten sich aber nicht geändert.

Westliche Beamte und Militärexperten: Warnungen vor Nachlassen der Hilfe

Besonders die fehlende Unterstützung der USA könnte das Ende des Krieges noch in diesem Jahr bedeuten:

Westliche Beamte und Militärexperten haben davor gewarnt, dass ohne die Unterstützung der USA ein kaskadenartiger Zusammenbruch entlang der Front im Laufe dieses Jahres möglich ist. Es werde noch mindestens ein paar Monate dauern, bis sich das Ausbleiben der neuen Hilfe auf breiter Front auswirke, heißt es. Aber ohne diese Hilfe, so fügen sie hinzu, sei es schwer vorstellbar, wie die Ukraine ihre derzeitigen Positionen auf dem Schlachtfeld halten könne.

Im nächsten Monat könnte die Ukraine Schwierigkeiten haben, lokale Gegenangriffe durchzuführen, und im Frühsommer könnte das Militär Schwierigkeiten haben, russische Angriffe abzuwehren, so die Beamten und Analysten.

New York Times

Das sind deutliche Worte und realistische Einschätzungen, die man so in den deutschen Medien zumeist schmerzlich vermisst.

Selbst die Weitergabe von mehr und potenteren Waffen an die Ukraine, wie das etwa die deutsche Taurus wäre, würde an dem Ausgang des Krieges nichts Entscheidendes mehr ändern, drängt sich gegenwärtig als Eindruck auf. Nur noch ein Einmarsch von Nato-Truppen in die Ukraine könnte den Zusammenbruch der ukrainischen Streitkräfte verhindern?

Frieden bringt das allerdings nicht. Der kann nur auf dem Verhandlungsweg wieder hergestellt werden. Und durch das Ernstnehmen der russischen Sicherheitsinteressen.

Die hier zusammengestellten Informationen speisen sich aus folgenden OSINT-Quellen: Weeb Union, Military Summary Channel, Suriyakmap, Deepstatemap, Remilind23, HistoryLegends, simplicius76, Militaryland, Red Fish Bubble 2.1 (geschlossene Gruppe).