Ukraine-Krise: Vorbereitung auf den Ernstfall
Seite 3: Lageführung bei der Europäischen Union
Die ukrainischen Demonstranten auf dem Maidan-Platz in Kiew forderten monatelang einen Anschluss ihres Landes an die Europäische Union (EU). Seit deren Gründung hat sich noch niemals zuvor jemand mit seinem Leben für die "europäische Integration" eingesetzt. Daher fühlt sich die EU jetzt in besonderem Maße gegenüber der Ukraine verpflichtet. Wie bei der NATO beobachtet man auch bei der EU in Brüssel die Lageentwicklung in Osteuropa minutiös:
Beim Rat der European Union ist das EU-Generalsekretariat mit seinem Intelligence Centre (INCENT) seit Dezember 1999 für die Lageführung bezüglich Krisenregionen zuständig. Es ist dem Secretary General High Representative direkt unterstellt und wird dem European External Action Service (EEAS) (dt. Bez.: Europäischer Auswärtiger Dienst - EAD) zugerechnet, der z. Zt. von Cathrin Ashton geleitet wird. Damit ist das SitCen eine zentrale Institution zur Generierung einer Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik (GAPS).
Das INTCEN befindet sich in Brüssel (Rue De La Loi. 175). Das SitCen wird seit dem 17. Dezember 2010 vom früheren finnischen Geheimdienstler Ilkka Salma geleitet. Das INTCEN gliedert sich in zwei Abteilungen: Die Abteilung A1 unter dem Spanier José Miguel Palacios Coronell ist für die Auswertung der Nachrichtenmeldungen zuständig, die Abteilulng A2 unter Leitung des Ungarn József Molnár ist für die EU-Außenbeziehungen zuständig. Nach anderen Angaben gliedert sich INTCEN in eine General Operations Unit (GOO), die den rund-um-die-Uhr-Betrieb (24/7) aufrechterhält und auch als "Alert Desk" bezeichnet wird. Außerdem gibt es die Communications Unit, die die Fernmeldeverbindungen wie z.B. das "Argus Rapid Alert System" betreibt. Außerdem ist INTCEN für das EU-Kommunikationssystem Correspondance Européenne (COREU) zuständig.
Das INTCEN rekrutiert sein Personal (rund 110 bis 130 Mann) aus der Policy Planning and Early Warning Unit (kurz: Policy Unit) mit ihren 40 Mitarbeitern und dem EU Military Staff (EUMS). Der Military Staff hat seinen Sitz im Brüsseler Kortenberg-Gebäude (Avenue de Kortenburg 150) und wird derzeit von dem österreichischen Generalleutnant Wolfgang Wosolsobe geführt. Sein Stab umfasst über 190 Offiziere. Die Bundesrepublik ist durch Personal vom Bundesnachrichtendienst und der Bundeswehr vertreten. Zu seinem Apparat gehören die Military Intelligence Division (DIVINT) und die Single Intelligence Analysis Capacity (SIAC).
Zur politisch-institutionellen Bedeutung des INTCEN berichtete Tim Schumacher von der Informationsstelle Militarisierung (IMI):
Das SitCen (ältere Bezeichnung des INTCEN bis 31.12.2012, G. P.) soll also für die neue Bedrohungsanalyse sensibilisieren. Damit spielt es eine enorm wichtige Rolle bei der Ausformulierung, Angleichung und Verankerung der Bedrohungsanalyse und letztendlich bei der Herausbildung eines Konsenses darüber, was als wichtigste Bedrohung erkannt wird. Das Lagezentrum liefert damit gewissermaßen den Nährboden, auf dem die Militarisierung der EU aufbaut. Außerdem verfügt das SitCen teilweise über Informationen, auf die andere Akteure, wie beispielsweise Regierungen, Think Tanks oder Universitäten keinen Zugriff haben. Damit vergrößert sich die Deutungsmacht von geheimdienstlichen Institutionen wie dem SitCen bezüglich der Wichtigkeit von Bedrohungen enorm. (…) Da die Arbeit des SitCen jedoch extrem undurchsichtig ist, da alle Veröffentlichungen unter Verschluss gehalten werden, kann nicht an konkreten Beispielen untersucht werden, welchen Einfluss das SitCen auf die jeweiligen Akteure hat.
Die Informationshoheit und die Definitionsmacht über Bedrohungen bleiben weiterhin ein umkämpftes Feld, in dem das SitCen, auch mit seiner neuen Rolle im Europäischen Auswärtigen Dienst, eine entscheidende Rolle spielen wird.
Seine Aufklärungsdaten erhält das CIC aus verschiedenen Quellen: Sie werden u. a. vom der Lageabteilung des EU Military Staff (J-2) zur Verfügung gestellt.
Für die Grenzüberwachung ist Frontex zuständig. Diese Agentur mit Sitz in Warschau (Polen) nahm im Mai 2005 ihre Arbeit auf. Unter der Leitung von Ilkka Pertti Laitinen beschäftigt Frontex z. Zt. etwa 270 Mitarbeiter, das Jahresbudget beträgt ungefähr 80 Millionen Euro. Fahrzeuge, Boote, Hubschrauber und Grenzüberwachungsanlagen stehen zur Verfügung. Sollte ein Mitgliedsstaat der EU nicht mehr in der Lage sein, seine Grenzen effektiv zu überwachen, kann er auf die personelle und technische Hilfe von Frontex rekurrieren. So können nationale Grenzschutzeinheiten vor Ort kurzfristig durch internationale Rapid Border Intervention Teams (RABIT) aus rund 200 Mann verstärkt werden. Durch den Einsatz von modernster Sensor- und Radartechnik in Verbindung mit Kommunikations- und Alarmsystemen sollen die nationalen Grenzanlagen ausgebaut werden.
Auch Sentinel-Satelliten des europäischen GMES-Systems (Global Monitoring for Environment and Security) werden eingesetzt. So steuert da European Union Satellite Centre (SATCEN) in Torrejón de Ardoz (Spanien) seine Spezialinformationen (Geospatial Intelligence - GEOINT) bei.