Ukraine-Krise: Vorbereitung auf den Ernstfall

Seite 4: Die osteuropäischen NATO-Mitglieder

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Die drei baltischen Staaten wurden von Juni bis August 1940 - also quasi mitten im Frieden - von sowjetischen Truppen besetzt und an die Sowjetunion angeschlossen. Erst fünfzig Jahre später, von März 1990 bis August 1991, konnten sich die drei Kleinstaaten nach und nach von der damaligen Sowjetunion loslösen.

Heute grenzt Estland an Russland, Lettland an Russland und Weißrussland, Litauen an die russische Enklave Kaliningrad und Weißrussland. Polen und Litauen trennt eine rund 100 km lange Landgrenze mit den beiden Grenzübergängen Ogrodniki und Budzisko, so dass die baltischen Staaten organisch an das NATO-Gebiet angeschlossen sind.

Estland

Estland hat 1.286.479 Einwohner, darunter 25,48 % Russen. Das Land ist seit dem 29. März 2004 Vollmitglied der NATO. Die estnischen Streitkräfte haben einen Gesamtumfang von rund 3.800 Soldaten (3.300 Heer, 200 Luftwaffe und 300 Marine), hinzu kommen im Kriegsfall rund 11.000 Reservisten.

Militärischer Befehlshaber ist z. Zt. Generalmajor Riho Terras. Das Hauptquartier mit Generalstab (Kaitseväe Peastaap) und Stabsbataillon (Staabija sidepataljon) befindet sich in Tallinn. Außerdem verfügt Estland über einen militärischen Nachrichtendienst (Luurepataljon). Die Streitkräfte besitzen 89 Panzer, 4 Flugzeuge, 4 Hubschrauber und 5 kleine Kriegsschiffe. Nach zwölfjährigen Verhandlungen konnte 2011 mit Russland ein Grenzvertrag abgeschlossen werden.

Lettland

Lettland hat 2.023.800 Einwohner, davon sind 26,9 Prozent Russen. Lettland ist seit dem 29. März 2004 NATO-Mitglied. Militärischer Befehlshaber ist Generalleutnant Raimonds Graube.

Seit dem 1. Januar 2007 verfügt das Land über eine Berufsarmee (Nacionālie bruņotie spēki) aus rund 5.500 Soldaten (4.300 Heer, 270 Luftwaffe, 930 Marine). Hinzu kommt eine paramilitärische Nationalgarde mit 11.000 Reservisten. Die Streitkräfte verfügen über 5 Panzer, keine Flugzeuge und 12 Patrouillenboote. Das Militärbudget betrug 2011 289 Mi. Dollar.

Litauen

Litauen hat 2.944.459 Einwohner, darunter 5.4 Prozent Russen. Der Staat wurde am 29. März 2004 NATO-Mitglied. Militärischer Befehlshaber ist Generalleutnant Arvydas Pocius.

Die Streitkräfte haben einen Gesamtumfang von 15.000 Personen, darunter 12.400 Soldaten; hinzu kommen 10.000 bis 100.000 Reservisten im Mobilmachungsfall. Das Heer verfügt über mehrere gepanzerte Mannschaftstransportwagen M113, die Luftwaffe hat vermutlich 17 unbewaffnete Transport- und Ausbildungsflugzeuge und 16 Transport- bzw. Seenot-Rettungshubschrauber, die Marine setzt mehrere Kriegsschiffe ein.

In Litauen befindet sich seit 2006 die Koordinationsstelle des Regionalen Luftraumüberwachungssystems Baltic Air Surveillance Network (BALTNET). Es gibt sechs Radarstationen der sowjetischen Typen P-18 Spoon Rest und P-37 Bar Lock (Juodkrantė, Degučiai, Vidiškės, Sutkūnai, Gražiškiai und Antaveršis). Hinzu kommen drei mobile Radarfahrzeuge TRML-3D aus Deutschland. Der Militärhaushalt betrug 2011 351 Mio. Dollar.

Die NATO hat auf dem Fliegerhorst Šiauliai mehrere Jagdflugzeuge im Rahmen des "Air Policing Baltikum" auf Rotationsbasis stationiert. In den vergangenen Jahren beteiligte sich die Bundesluftwaffe mit F-4F Phantom II daran. Wenn sich ein russisches (Militär-)Flugzeug der Grenze zu sehr nähert, starten die NATO-Abfangjäger zu einem "scramble"-Abfangeinsatz.

Polen

Polen hat 38.501.000 Millionen Einwohner; der Anteil der russisch-stämmigen Bevölkerung beträgt nur 0,03 Prozent. Das Land ist seit dem 12. März 1999 NATO-Mitglied.

Militärischer Befehlshaber ist z. Zt. Generał Mieczysław Gocuł. Die Streitkräfte (Siły Zbrojne Rzeczypospolitej Polskiej), die seit 2010 eine Berufsarmee sind, verfügen über 99.000 Soldaten. Das Heer (Wojska Lądowe) verfügt über 714 Kampfpanzer (T-72 und Leopard 2A4) und 2.550 gepanzerte Fahrzeuge (BMP-1, PT-91 und Patria AMV). Die Luftwaffe (Siły Powietrzne) besitzt 45 MiG-29, 48 F-16 und 48 Su-22. Die Marine (Marynarka Wojenna) setzt sich zusammen aus 2 Fregatten, 3 Korvetten, 5 Landungsschiffe, 5 U-Boote und 40 Patrouillenbooten. Hinzu kommen die Spezialstreitkräfte (Wojska Specjalne) als selbstständige Teilstreitkraft.

Am 13. November 2006 wurde gemeinsam mit Deutschland, Lettland, Litauen und der Slowakei ein Abkommen zur Bildung einer gemeinsamen EU-Einsatztruppe unterzeichnet. Polen soll dabei das Oberkommando übernehmen und 750 Soldaten zur Verfügung stellen. Am 14. Juni 2009 vereinbarte man die Gründung einer Trinationalen Brigade aus polnischen, ukrainischen und litauischen Einheiten. Auch die NATO unterhält in Polen eigene Dienststellen bzw. Einheiten seines Kommandosystems: In Bydgoszcz ist das 3rd NATO Signals Battalion stationiert, in Krakau ein Action Request System (ARS).