Ukrainer haben kein Vertrauen in ihre Regierung

Mit Poroschenko und der Regierung sind weniger Menschen zufrieden als 2013 mit Janukowitsch und dessen Regierung

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Ausgerechnet der ehemalige georgische Präsident Mikheil Saakashvili, der vom ukrainischen Präsidenten Poroschenko im Mai die ukrainische Staatsbürgerschaft erhielt und zum Gouverneur von Odessa ernannt wurde, will das korrupte System der Ukraine säubern (Wirtschaftsflüchtling Saakaschwili wird Gouverneur von Odessa) und hat sich bereits mit Regierungschef Jazenjuk und Innenminister Awakow angefeindet, denen er vorwirft, tief in Korruption verstrickt zu sein und Reformen zu hintertreiben. Vor kurzem erst griff er auf einer Sitzung Awakow so penetrant deswegen an, dass dieser mit einem Wasserglas um sich schmiss. Auch mit Poroschenkos Oligarchen-Konkurrenten Kolomoisky, auf dessen Seite Jazenjuk stehen soll, hat er sich angelegt.

Präsident Poroschenko mit Gouverneur Mikheil Saakashvili im Oktober 2015. Bild: president.gov.ua

Dafür hat er in der Ukraine Sympathien erworben, da die Menschen der jetzigen Regierung mittlerweile ebenso wenig vertrauen wie einst der Regierung Janukowitsch. Ob er allerdings den Augiasstall säubern kann, wenn er den Oligarchen Poroschenko und dessen Mannschaft deckt, darf stark bezweifelt werden. Offenbart geht es bei den Auseinandersetzungen auch um die Besetzung von politischen Positionen, da Jazenjuk mit seiner Volkfsfront schon seit längerer Zeit in der Bevölkerung keinerlei Rückhalt mehr besitzt, aber sich bislang weigert zurückzutreten.

Vor der Übernahme des Gouverneursamts hatte Saakashvili schon als Präsidentenberater Poroschenkos gedient, nachdem er die Maidan-Proteste aktiv unterstützt hatte. Offenbar vertraut Poroschenko, der auch drei Minister aus dem Ausland in sein Kabinett holte, darunter den Georgier Alexander Kwitaschwili als Gesundheitsminister, keinen ukrainischen Politikern bei der Korruptionsbekämpfung, wahrscheinlich wurde seine Ernennung auch mit Nachdruck aus den USA befördert. Nach der ukrainischen Verfassung ist eine Auslieferung von ukrainischen Bürgern an andere Staaten nicht möglich.

Saakashvili, der sich nach dem Ablauf seiner Präsidentschaft in die USA absetzte, aber sich auch als ukrainischer Gouverneur weiter in Georgien einmischt, wird von der georgischen Regierung mehrerer Vergehen, vor allem des Amtsmissbrauchs und exzessiver Gewaltanwendung gegen die Opposition, beschuldigt und strafrechtlich gesucht. Saakashvili weist die Anschuldigungen als politisch motiviert zurück.

Er hatte zwar bei Amtsantritt in Georgien die Korruption erfolgreich bekämpft, aber wegen seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik blieb ein Großteil der Bevölkerung weiterhin arm. Es kam zu großen Protesten, die seine Regierung mit schwerer Repression unterdrückte (Die Revolution, die keine war). Nach seinem abenteuerlichen Krieg gegen Südossetien, der Russland auf den Plan rief (Georgiens Schachzug war bislang erfolgreich), und dem von den USA unterstützten Versuch, in die Nato einzutreten, kam es wieder zu Massendemonstrationen gegen ihn (Mischas eiserne Hand), worauf er die Parlamentswahlen 2012 verlor. Aufgrund der Verfassung konnte er nicht zum dritten Mal als Präsident zu kandidieren.

Aber auch als Helfer von Poroschenko, den manche bereits als Nachfolger von Jazenjuk sehen, konnte er den Vertrauensverlust nicht aufhalten. Poroschenko startete letztes Jahr mit dem relativ großen Vertrauensvorschuss von 47 Prozent kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten, im Sommer diesen Jahres war die Zustimmung zu seiner Arbeit bereits nach einer Gallup-Umfrage auf 17 Prozent abgesackt. Warum die Umfrage, die im Juli und August durchgeführt wurde (die Krim und die "Volksrepubliken blieben ausgeklammert), jetzt erst veröffentlicht wurde, teilt das Meinungsforschungsinstitut nicht mit. Aber die Werte sind vergleichbar mit anderen Umfragen.

Bild: Petro Poroschenko. Bild: president.gov.ua

Interessant ist, dass sein Vorgänger Janukowitsch bei seinem Amtsantritt mit 46 Prozent ebenso viel Vertrauen entgegen gebracht wurde, 2013 waren mit 28 Prozent noch mit seiner Arbeit zufrieden. Poroschenko scheint zu wiederholen, was Juschtschenko, dem Sieger der Orangenen Revolution, geschehen ist, dessen Anerkennung 2009 auf 7 Prozent gesunken war und er daraufhin von Janukowitsch abgelöst wurde.

Im Osten schätzen gerade einmal 11 Prozent die Arbeit von Poroschenko, noch schlimmer ist es im Süden, also auch in Odessa, wo gerade einmal 7 Prozent mit ihm zufrieden sind. Das war sicher auch ein Grund, Saakashvili nach Odessa zu schicken, um dort zumindest mit der Korruption der anderen Oligarchen aufzuräumen. In der West- und Zentralukraine sind die Menschen mit 22 Prozent etwas zufriedener, in der Nordukraine sind es 21 Prozent.

Klar ist, dass das Land auch ohne die "Volksrepubliken" weiter zerrissen ist und die Regierung im luftleeren Raum schwebt. Kaum einer ist mit der Regierung unter Jazenjuk zufrieden. 79 Prozent sind unzufrieden, 8 Prozent äußern sich positiv. Die Erwartungen waren auch 2014 nicht sonderlich hoch, wo nach der "Revolution der Würde" gerade einmal 24 Prozent mit der Arbeit der Regierung zufrieden waren. Etwa so viel hatte Janukowitsch auch bis auf 2013 erhalten, als seine Regierung auf 19 Prozent abfiel. Aber auch das waren noch doppelt so viel, als die jetzige Regierung an Zustimmung erhält, was wiederum so viel ist, wie auch die Regierung von Juschtschenko erzielte.

88 Prozent sagen, dass in der Regierung Korruption weit verbreitet ist. Nur 5 Prozent sind der Meinung, dass die Regierung genug macht, um sie zu bekämpfen. 2013 gab es mit 6 Prozent ähnliche Werte für die Janukowitsch-Regierung. Für 65 Prozent führt die Regierung das Land in die falsche Richtung. Umso verbissener wird die ukrainische Regierung an dem Konflikt mit den "Volksrepubliken" und Russland festhalten, weil die Bedrohung von außen und die permanente Kriegsstimmung für einen Zusammenhalt sorgen soll, der anders nicht mehr hergestellt werden kann. An der Umsetzung des Minsker Abkommens hat man in Kiew machtstrategisch ebenso wenig Interesse wie in Lugansk, Donetsk oder Moskau.

Gut möglich, dass das Land auf eine Führungspersönlichkeit wartet, die suggerieren kann, die Dinge entschlossen zum Besseren zu wenden. Putin war so jemand für Russland. Nach der Regierung der Orangenen Revolution war es in der Ukraine Janukowitsch. Da es in der Ukraine keine wirklichen Parteien mit Prorgrammen gibt, sondern diese nur dazu dienen, bestimmten Politikern, in aller Regel Oligarchen, politischen Einfluss zu ermöglichen, dürfte das korrupte Pleiteland an der Nabelschnur des Westens wenig Chancen haben, eine wirkliche demokratische Kultur auszubilden, sondern eher - und riskant - auf einen Erlöser warten. Der Westen, der auf Konfrontation mit Russland und dessen Eindämmung setzt, hat von Anfang an nur strategisch gehandelt. Es könnte ein böses Erwachen geben.