Ukrainische Angriffe in Russland sollten für Washington ein Alarmsignal sein
- Ukrainische Angriffe in Russland sollten für Washington ein Alarmsignal sein
- Der Anreiz zu Eskalation nimmt zu
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Kämpfe in Belgorod, Drohnenangriffe auf Moskau: Die USA laufen Gefahr, direkt in den Krieg gezogen zu werden. Wann werden Russlands rote Linien überschritten? Die Gefahr liegt im Unbestimmten.
Der Überfall mutmaßlicher russischer Oppositionsparamilitärs aus der Ukraine auf die russische Provinz Belgorod sollte für die Biden-Administration ein Alarmsignal sein, wie schwierig es ist, die Eskalation in der Ukraine in Schach zu halten und so das Risiko zu minimieren, dass die USA in den Krieg hineingezogen werden.
Deswegen lehnt die offizielle US-Politik ukrainische Angriffe auf russisches Territorium weiterhin ab. Die ukrainische Regierung hat Washington im vergangenen Jahr auch zugesagt, das nicht zu tun.
Nach dem Angriff auf Brjansk im März ist es der zweite Angriff der Oppositionsmilizen in Russland. Auch die Drohnenangriffe von der Ukraine auf Russland werden Berichten zufolge fortgesetzt.
Da die Ukraine von Russland überfallen wurde, hat sie natürlich rechtlich und moralisch betrachtet absolut das Recht, auch in russischem Gebiet zurückzuschlagen. Ob es im Interesse der Vereinigten Staaten liegt, ist eine ganz andere Frage – und angesichts der entscheidenden Rolle, die die USA bei der Bewaffnung und Unterstützung der Ukraine spielen, hat die US-Regierung auch das Recht, über die Verwendung ihrer Hilfe mitzubestimmen.
Sie hat so gar nicht nur das Recht, sondern die Pflicht gegenüber dem US-amerikanischen Volk, diesen Einfluss auszuüben. Denn die Biden-Regierung (und die große Mehrheit der Regierungen von Washingtons Nato-Verbündeten) haben ihren Wählern wiederholt versprochen, dass sie nicht zulassen werden, dass der Westen direkt in einen Krieg mit Russland hineingezogen wird. Die Ermöglichung ukrainischer Angriffe auf russisches Territorium weist letztlich in genau diese Richtung.
Die New York Times hat Bilder veröffentlicht, die darauf hindeuten, dass bei dem Angriff gepanzerte US-Fahrzeuge eingesetzt wurden. Das wurde von Denis Kapustin (der sich selber den Nachnamen Nikitin gab) dem Kommandeur des Russischen Freiwilligenkorps (RDK), einer der beteiligten bewaffneten Gruppen, bestätigt.
Nikitin hatte zuvor erklärt, dass seine Gruppe "direkt unter dem Kommando von Kiew" operiert habe und dass der Angriff auf Brjansk von den ukrainischen Behörden genehmigt worden sei. Ein Vertreter der RDK erklärte im April gegenüber Newsweek:
Die Ukraine unterstützt unseren Kampf auf jede erdenkliche Weise. Wir wären kaum in der Lage, an Waffen zu kommen, wenn wir nicht die Hilfe des ukrainischen Staates hätten. Außerdem unterstehen wir auf dem Territorium der Ukraine dem ukrainischen Verteidigungsministerium.
Als Reaktion auf die Angriffe wiederholte das US-Außenministerium, dass "wir den Ukrainern sehr deutlich gemacht haben, dass wir keine Angriffe außerhalb der ukrainischen Grenzen ermöglichen oder fördern." Das Pentagon hat eine Erklärung abgegeben, in der es heißt:
Wir können bestätigen, dass die US-Regierung keinen Transfer von Ausrüstung an paramilitärische Organisationen außerhalb der ukrainischen Streitkräfte genehmigt hat und dass die ukrainische Regierung auch nicht um einen solchen Transfer gebeten hat.
Das mag Washington den Ukrainern gesagt haben, aber es ist unklar, ob die Ukrainer darauf hören. Kiew hat öffentlich bestritten, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein. Ein ukrainischer Beamter hat jedoch unter vier Augen eingeräumt, dass eine "Zusammenarbeit" stattgefunden hat.
Wenn man davon ausgeht, dass sich die US-Politik nicht geändert hat, könnte der Angriff in Belgorod ein Hinweis darauf sein, in welchem Maße Kiew die Wünsche der USA ignorieren und gleichzeitig davon ausgehen kann, weiterhin umfangreiche US-Hilfe zu erhalten.
Wie so oft in der Vergangenheit würde US-Hilfe, die von den politischen Kräften in den USA unterstützt wird, keineswegs den Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika auf die Regierung des Empfängerstaats stärken, sondern vielmehr die amerikanische Politik von der ihres Auftraggebers abhängig machen.
Ferner bekennt sich eine der Milizen, die an dem Überfall in Belgorod und anderen Anschlägen in Russland beteiligt waren, das Russische Freiwilligenkorps, zu neonazistischen Überzeugungen. Sein Anführer ist laut Washington Post "ein ehemaliger Kampfsportler mit Verbindungen zu rassistisch-nationalistischen Gruppen in ganz Europa".
Wenn die US-Hilfe den Weg zu einer solchen Gruppe fände, wäre das ein Geschenk an die russische Propaganda, die behauptet, in der Ukraine sei "Neonazismus" weitverbreitet.