"Ultra montes"
Seite 8: "Wir sind Papst" war gestern
- "Ultra montes"
- Der Egomane und Judenbekehrer Papst Pius IX.
- Die Förderung des "Opus Dei" durch Karol Woytila und Joseph Ratzinger
- Kein Ende in Sicht: Pius XII. als nächster Kandidat für den Heiligenschein?
- Die platonische Dogmatik des deutschen Papstes
- Der "Schwarze Karfreitag" für das II. Vatikanische Konzil: Unter Ratzinger darf wieder für die Erleuchtung der Juden gebetet werden
- Bischof Lefebvre und der klerikal-faschistoide Komplex
- "Wir sind Papst" war gestern
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Die Zeit, in der das Mainstreaming der Medien die Bild-Botschaft "Wir sind Papst" verbreitete und sich vom Tand kostbarer Gewänder blenden ließ, scheint vorbei zu sein. Die Tragik der letzten Papstwahl, auf die zeitnah nur böse Reform- und Linkskatholiken hingewiesen haben, wird nun endlich von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Die Permanenz der Skandale bringt das Fass einfach zum Überlaufen. Wenn der Papst nach seinem Ausschwitzbesuch 2006 wirklich erschüttert war, kann er dies jetzt mit einem entschiedenen und großherzigen Schritt unter Beweis stellen. Kühle Distanzierungen mehren nur den Schmerz.
Auf unbedingte Gefolgschaft aller Bistümer kann er allerdings nicht mehr zählen. Weithin unbekannt ist, wie viele ortsnahe Gemeinden in Deutschland aufgrund des Priestermangels täglich sterben und welche schlaflosen Nächte dies den Personalverantwortlichen bereitet. Der Papst verweigert jegliche Hilfe, obwohl er ohne Not verheiratete Theologen zu Weihe und Gemeindeleitung zulassen könnte.
Die durchaus auch positiven Aspekte des überkommenen Milieukatholizismus hat vor wenigen Tagen Kardinal Karl Lehmann bei der Jubiläumsfeier im Mainzer Dom hervorgehoben: die Anwaltschaft für die kleinen Leute (nicht nur die katholischen). Doch schon wieder ist ein Jahr verstrichen, in dem der – um die traditionalistischen Ränder bemühte – Papst keinen nennenswerten Beitrag zur Weiterentwicklung der katholischen Soziallehre geleistet hat. Es gehört ja gerade auch die Soziallehre zu den Dingen, die den Traditionalisten förmlich als "Abfall"-Produkte gelten.
Narzisstische Persönlichkeiten, die ihre selbstbezogenen Vorlieben pflegen, haben seit Durchbruch der neoliberalen Wirtschaftsreligion nicht nur im Katholizismus leitende Kirchenämter an sich gezogen. Eine kritische Öffentlichkeit fragt, ob speziell die katholische Kirche sich vor allem als ein großes, selbstverliebtes Kollektiv darstellen möchte, das sich in einer schönfärberischen Geschichtsschreibung, verflossenen Glanzzeiten und einem unbeirrbarem Wahrheitsbesitz sonnt?
Die dem II. Vatikanischen Konzil entsprechende Frage lautet aber: "Welche Fehler und Sünden haben wir in der Vergangenheit begangen? Was haben wir angesichts des zivilisatorischen Ernstfalls, angesichts der Bedrohung der Lebensgrundlagen und eines neuen kriegerischen Zeitalters, heute als Partnerschaft und als Beitrag zum Wohl aller Menschen anzubieten?"
Der Autor ist röm.-kath. Theologe und Krankenpfleger und arbeitet als freier Publizist in Düsseldorf.