Vom Nutzen angeblich vereitelter Terroranschläge

Die Union setzt mit der Hilfe der SPD darauf, die liberale Justizministerin aushebeln zu können

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Festnahme dreier mutmaßlicher Islamisten, die geplant haben sollen, in Deutschland einen Anschlag mit einer Splitterbombe auszuführen, hat wieder einmal zu der jedes Mal stereotypen Forderung geführt, Gesetze zu verschärfen bzw. das nach dem 11.9. geschnürte Anti-Terror-Paket pauschal weiterzuführen.

Eigentlich sollte man davon ausgehen, die Festnahme und damit die Vereitlung eines Terrorplans würden gerade demonstrieren, dass die Befugnisse der Sicherheitsbehörden ausreichen, zumal die von der Bundesanwaltschaft al-Qaida zugerechneten Verdächtigen bestenfalls noch in den Anfängen der Planungen standen und eine konkrete Gefahr anscheinend noch nicht gedroht hatte.

Der 29-jährige marokkanische Staatsangehörige Abdeladim El-K., der in einem al-Qaida-Ausbildungslager im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet gewesen sein soll, der 31-jährige Deutsch-Marokkaner Jamil S. und der 19-jährige Deutsch-Iraner Amid C. sollen, so die Mitteilung der Bundesanwaltschaft vom 30. April, von einem nicht näher benannten "hochrangigen Al Qaida-Mitglied" den Auftrag erhalten haben, einen Anschlag in Deutschland zu verüben.

Mit der Planung sollen sie Ende 2010 begonnen haben. Obgleich El-K. in einem Ausbildungslager gewesen sein soll, in dem er offenbar nicht so viel gelernt hat, holten sich die Verdächtigten offenbar "Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoffen und Zündern sowie Informationen über abgeschottete Kommunikationswege" aus dem Internet. Sie sollen zudem versucht haben zu erkunden, wie sie Materialien wie Wasserstoffperoxid oder Aceton für die Herstellung von Bomben erhalten können, und sie sollen versucht haben, die Sicherheitsvorkehrungen von öffentlichen Gebäuden zu erhalten. Als sie sich offenbar über den Anschlag in Marokko freuten und versuchten, einen Zünder aus Grillanzündern herzustellen, wurden sie festgenommen. Gefahr in Verzug war da allem Anschein noch nicht, die Bundesanwaltschaft sagt überdies, dass aufgrund der "durchgehenden Überwachung" Verdächtigen die Sicherheit nicht gefährdet gewesen sei. Schon davor seien sie von der CIA und dem marokkanischen Geheimdienst überwacht worden. Angeblich wurde auf dem Computer von El-K. ein Trojaner zum Abhören installiert.

Die "umfangreiche Überwachungsmaßnahmen des Bundeskriminalamts" gegen die Verdächtigen wurden von der Bundesanwaltschaft nicht konkretisiert. Ebenfalls ohne diese zu benennen, ist Bundesinnenminister Friedrich (CSU) der Meinung, auf die Angst zu setzen, dass Deutschland weiterhin in "akuter Gefahr" durch Islamisten stehe. Obgleich sein Vorgänger de Maiziere seine Terrorwarnung vom November (Terrorwarnung: Alles höchst verdächtig!), zeitlich gut koordiniert mit dem Innenministertreffen, wieder ohne jede Art von Bestätigung zurückziehen musste (Wie man eine falsche Terrorwarnung wieder zurücknimmt), stört das den CSU-Politiker nicht, der sowieso auf die Einführung der Vorratsdatenspeicherung drängt. Er affirmiert die Warnung und aktualisiert sie, man müsse nämlich stets wachsam sein. Das hat die Vereitlung des Terrorplans der offenbar wieder sehr unbedarften Islamisten in seinen Augen bestärkt:

Es zeigt, wie sehr wir unsere Bevölkerung schützen müssen. Diesen Schutz gewährleisten auch die Anti-Terror-Gesetze. Sie sollten Ende des Jahres verlängert werden.

De Maiziere hatte es im November noch den Innenministern überlassen, u.a. eine Fortsetzung der Vorratsdatenspeicherung nach der Terrorwarnung zu fordern. Das konnte er auch gelassen diesen überantworten und sich heraushalten, weil die Mechanik jedem klar ist. Gleichwohl wird sie auch jetzt wieder heruntergebetet - und wieder erhält man wie so oft den Eindruck, als käme ein vereitelter Anschlag gerade zur rechten Zeit, schließlich laufen die Anti-Terror-Gesetze zum Jahresende aus und die Law-and-Order-Politiker wollen das einmal Erreichte natürlich erhalten. Wie schon 2001 als die SPD den kleinen grünen Koalitionspartner überwältigte, will nun auch die Union die letzte vernünftige Bastion des angeschlagenen liberalen Koalitionspartners platt machen.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist bei aller liberaler Wirtschaftspolitik doch weiterhin ein Garant für die Verteidigung der Bürgerrechte, also für politischen Liberalismus, der den Konservativen, aber auch teilweise den Sozialdemokraten eher abgeht, die wie deren Innenexperte Dieter Wiefelspütz für eine Verlängerung des Ati-Terror-Pakets plädieren. Leutheusser-Schnarrenberger verweist eben darauf, dass nach dem Erfolg keine schärferen Gesetze notwendig seien - und auch die des Anti-Terror-Pakets nicht pauschal verlängert werden müssten:

Keine der vom Bundeskriminalamt (BKA) bei der Fahndung nach den drei Männern genutzten polizeilichen Befugnisse zur Terrorismusabwehr ist auf die gesetzlichen Normen gestützt, um die es in derzeitigen Gesprächen zur Verlängerung des Ergänzungsgesetzes zur Terrorismusbekämpfung geht.

Mit Sicherheit und damit weiter eingeschränkten Bürgerrechten punktet man, denkt man sich in der Union, deren Wähler sowieso im höheren Alter angesiedelt und daher für Angst besser ansprechbar sind. So meint Uwe Schünemann, der niedersächsische Innenminister und Sprecher der Unionsinnenminister, dass eine Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze "das Mindeste" seien. So will es auch Wolfgang Bosbach (CDU), der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, sehen. Man dürfe doch nicht Gesetze abschaffen, die sich bei einer "anhaltend besorgniserregenden Bedrohung" als notwendig erwiesen hätten.