Von Ubibots und Sobots

Ein südkoreanischer Wissenschaftler stellt den angeblich ersten Vertreter einer autonomen "künstlichen Art" mit einer "Persönlichkeit" vor, der sich fortpflanzen soll und sich als Ubibot in allen Netzwerken ansiedeln kann

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Kim Jong-hwan ist Professor am Korea Advanced Institute of Science and Technology. Einen Namen hat er sich unter anderem auch damit gemacht, dass er neben Hiroaki Kitano, dem Hauptinitiator des RoboCup, eine wichtige Rolle für die Entstehung des Roboterfußballs spielte - und noch immer spielt. 1995 organisierte er den ersten internationalen Wettkampf, den Micro-Robot World Cup Soccer Tournament (MiroSot), und gründete die Federation of International Robot-soccer Association (FIRA). Jetzt verkündet Jong-hwan, dass unter seiner Leitung der erste Roboter mit einer "Persönlichkeit" entwickelt worden ist.

Rity, der Sobot und zugleich Ubibot vom Korea Advanced Institute of Science and Technology

Der Druck der Konkurrenz scheint groß zu sein, der Drang nach Aufmerksamkeit vermutlich auch. Erst vor kurzem hatte ein anderes Team desselben Instituts den angeblich ersten intelligenten Humanoiden vorgestellt, der über eine Hochgeschwindigkeits-Funkverbindung mit einem ausgelagerten "Gehirn" verbunden ist (Trennung von Gehirn und Körper). Diese Erfolgsmeldung soll nun wohl der Roboter mit Persönlichkeit übertrumpfen, den Jong-hwan auch noch als die "weltweit erste künstliche Art" verkauft, dessen Intelligenz und Verhalten auf "Genen" und "Chromosomen" basiere.

Diesen Roboter gibt es bislang nur virtuell als "autonomen Agenten", grafisch als 3D-Hund dargestellt, der den Namen Rity trägt. Weil er nicht in Hardware verkörpert ist, sondern nur Software-basiert ist, gehört er den Sobots an, diese wiederum, so Jong-hwan, sind Bestandteil der künftigen Gattung der Ubibots, denen er eine große Zukunft verheißt:

Ubiquitous robot (Ubibot), a 3rd generation of robotics, is introduced as a robot incorporating three forms of robots: software robot (Sobot), embeded robot (Embot) and mobile robot (Mobot), which can provide us with various services by any device through any network, at any place anytime in a ubiquitous space.

Ritys Persönlichkeit ist aus fünf Hauptmodulen zusammen gesetzt: Wahrnehmung (Licht, Ton, Berührung. Vision, Gleichgewicht, Temperatur, Zeit, auch die Aufmerksamkeit gehört hierzu), interne Zustände (Motivation, Homöostase, Gefühle), Auswahl des Verhaltens, interaktives Lernen (durch "Strafe" und "Belohnung", was die Entscheidungsgewichtungen verändert) und Motorik. Da es sich aber um einen evolutionär entwicklungsfähigen Sobot handeln soll, der seine Eigenschaften vererbt, besteht nach Jong-hwan seine "Persönlichkeit" aus - in Zukunft erweiterbaren - 14 "Chromosomen", d.h. aus 14 Programmeinheiten, mit denen er wahrnehmen, auf Wahrnehmungen reagieren, "Gefühle" ausdrücken und Handlungen initiieren kann. So gibt es den Wunsch, Unangenehmes zu vermeiden, Kontrolle oder Nähe zu erreichen, die Neugier oder die Lust zu befriedigen und der Langeweile zu entgehen, dazu Gefühle wie Glück, Trauer, Angst und Befindlichkeiten wie Müdigkeit oder Hunger.

Angeblich reagieren die Sobots unterschiedlich auch auf dieselben Stimuli unter den gleichen Bedingungen, weil sie mit einem internen Entscheidungsmechanismus jeweils die Wahrnehmungen anders gewichten oder interpretieren. Mit seinen "Sensoren" können die Ritys 47 unterschiedliche Stimuli in der Außenwelt unterscheiden und insgesamt 77 Verhaltensmuster zeigen, die emotional gefärbt seien. Rity lebt so zwar als virtuelles Wesen, steht aber in Beziehung zur wirklichen Welt außerhalb des Computers und kann mit einem Gesichtserkennungsprogramm und einer Kamera auch Menschen identifizieren, um so individuell mit diesen zu interagieren. Auf einer Veranstaltung in Neuseeland führte Jong-hwan kürzlich vor, dass Rity freudig und mit Neugier und Vertrautheit reagiert, wenn der Sobot seinen "Herrn" mit der Kamera erkennt, einem fremden Menschen gegenüber zeigte er sich gleichgültig. Man kann dem Sobot auch Befehle verbal geben.

Rity freut sich, wenn es den "Herrn" vor dem Bildschirm erkennt

Jong-hwan meint, dass bislang zuviel Aufmerksamkeit in der Forschung auf Roboter gelegt wurde, die menschenähnliches Verhalten zeigen. Man habe sich aber zuwenig um die Frage gekümmert, "was heißt, ein Roboter zu sein". Es ei jetzt Zeit, an die Ursprünge einer "künstlichen Art" zu denken. Und Rity soll eben eine Einlösung einer solchen Art sein, deren Vertreter nicht nur unterschiedliche Persönlichkeiten haben, sondern sich auch - virtuell - fortpflanzen können. Daher eben die "Gene" und "Chromosomen", so dass eine Evolution durch Genaustausch und Mutation stattfinden kann. Der Robotikwissenschaftler will nun Äquivalente für die X- und Y-Chromosomen entwickeln, um die Sobots mit unterschiedlichen Geschlechtern auszustatten. Ganz neu ist der Gedanke eigentlich nicht gerade, er liegt dem Konzept des Künstlichen Lebens zugrunde und ist auch schon längst in Form eines Spiels - Creatures - auf den Markt gekommen (Virtuelle Pilotenagenten für echte Kampfjets; Der Ururenkel von Frankenstein).

Allerdings will der koreanische Wissenschaftler seine Sobots bald in Mobots verwandeln, d.h. sie in einer Hardware verkörpern, so dass sie auch mit einem Körper in der Welt sind. Dann allerdings wird die anvisierte Sexualität sozusagen geistig bleiben, also nur die Persönlichkeit oder die Software betreffen.

Gleichwohl ist das Konzept der Ubibots für den Südkoreaner zentral. So führte er auf einer Veranstaltung vor, dass man einen Sobot mit seiner "Persönlichkeit" über das Internet beliebig an andere Orte mit verschicken und dort mit anderen Sobots auf einer gemeinsamen grafischen 3D-Umgebung interagieren lassen kann. Die Sobots haben dabei feste IP-Adressen. Zumindest Jong-hwan ist ganz begeistert:

In the new ubiquitous era, our future world will be composed of millions of u-spaces, each of which will be closely connected through ubiquitous networks. In this u-space we can expect that Ubibot will help us whenever we click as Genie of the Aladdin Magic Lamp did.

Kim Jong-hwan