Wagenknecht-Partei BSW: Mehr als ein Strohfeuer?

Sahra Wagenknecht

Die starke Fixierung auf eine Person ist nur eines der Probleme des Bündnis' Sahra Wagenknecht. Bild: penofoto / Shutterstock.com

Das Bündnis Sahra Wagenknecht wollte mit Sozialpolitik punkten. Bald könnte es mit der CDU koalieren. Muss das sein, um die AfD zu stoppen? Ein Kommentar.

Nach der Europawahl und den Kommunalwahlen in Sachsen und Sachsen-Anhalt gilt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) neben der AfD als Gewinner. Die Erfolgsserie könnte weitergehen. Umfragen sehen das BSW bei der Landtagswahl in Thüringen als drittstärkste Kraft – vor der Linkspartei, die dort mit Bodo Ramelow bisher ihren einzigen Ministerpräsidenten stellt.

BSW vs. Linke: Wenn Personen populärer sind als ihre Parteien

Würde dieser direkt gewählt, könnte Ramelow zwar laut aktueller Umfrage mit 47 Prozent als Sieger hervorgehen, seine Partei kann aber nur mit elf Prozent rechnen. Das BSW kommt dagegen auf 21 Prozent.

Doch welche Perspektive geht der BSW? Diese Frage stellte sich der Konservative Jasper von Altenbockum in der FAZ. Er sieht in der Niederlage der Ampel-Parteien keinen Rechtsruck und verweist auf den Wahlerfolg des BSW, das aus seiner Sicht nicht in ein Rechts-Links-Schema einzuordnen ist.

Auch andere fragen sich, ob die Wahlerfolge des BSW mehr als ein Strohfeuer sind. Schließlich stellt sich die Frage nach der Zukunft einer Partei, die sich nach einer prominenten Mitgründerin benennt und ohne sie weit weniger Zustimmung hätte.

Schon lange gibt es im Umfeld der BSW Unmut über die restriktive Aufnahmepolitik der Partei. Dabei geht es nicht nur um die Kritik an anderen Parteien, die wegen der selektiven Aufnahmepraxis sogar die Frage der Verfassungskonformität des BSW aufbrachten, wie die Grünen-Politikerin Irene Mihalic. Auch altgediente Wagenknecht-Fans monieren teilweise, dass sie nicht in die Partei kommen.

Wäre im BSW möglich, was die Gründerin in ihrer Ex-Partei tat?

Ein innerparteilicher Diskurs kann so auch nicht gefördert werden, dann dazu gehören nun mal Diskussionen und Auseinandersetzungen. Es wäre doch interessant, wenn jemand versuchen würde, im BSW eine kommunistische Plattform zu gründen – wie es die Namensgeberin vor vielen Jahren in der PDS und späteren Linkspartei tat. Wäre das ein Grund, ihn gar nicht erst aufzunehmen oder wieder auszuschließen?

Schließlich wurde in der CDU bereits diskutiert, ob das BSW auf Landesebene als Koalitionspartner infrage kommt. Wagenknecht selbst hat sich bereits vor ihrem Austritt aus der Linkspartei positiv auf die Wirtschaftspolitik des CDU-Politikers und einstigen Bundeskanzlers Ludwig Erhard bezogen.

Sind Wagenknecht und CDU sozialpolitisch kompatibel?

Zugleich begründete sie ihre Entfremdung von der Linkspartei unter anderem damit, dass Die Linke soziale Existenzängste "normaler Leute" vernachlässige. Eine Zusammenarbeit mit der CDU, die aktiv Sozialabbau propagiert, wäre demnach widersinnig, wird aber in Thüringen von beiden Seiten nicht ausgeschlossen.

Nun wird argumentiert, das BSW wolle mit der restriktiven Aufnahmepolitik verkappte Rechtsextreme, aber auch Querulanten heraushalten. Letzteres kann aber schnell auch ein Sammelbegriff für Menschen werden, die ihr Denken nicht bei der Parteivorsitzenden abgeben.

Eigentlich gäbe es da schon unter der jetzigen Mitgliedschaft ein großes Streitpotential. Einige der Abgeordneten, die mit Wagenknecht aus der Partei Die Linke ausgetreten sind, galten dort lange Zeit als Politiker des linken Flügels. Sie kritisierten die Linkspartei, weil sie für Koalitionen mit SPD und Grünen ihre Grundsätze aufgebe. Wie passt das nun damit zusammen, dass Wagenknecht sich jetzt sogar der CDU als Koalitionspartner anbietet?

Hatte Wagenknecht andere Favoriten für harte Kompromisse?

Ging es also gar nicht um eine generelle Kritik an Koalitionen mit etablierten Parteien? War man nur unzufrieden, weil Die Linke vor allem auf Bündnisse mit SPD und Grünen setzte, nicht aber mit der CDU? Und wie ernst war die Kritik des Wagenknecht-Lagers an der angeblichen Abkehr der Linken von "normalen" Arbeitern und Erwerbslosen zu nehmen, wenn die neue Partei jetzt vor allem den Mittelstand anspricht und auch in die Agitation gegen das Bürgergeld als "leistungsloses Einkommen" einstimmt?

Damit positioniert sich das BSW an der Seite von CDU, FDP und AfD und vertritt keineswegs die Interessen von engagierten Erwerbslosen und Lohnabhängigen, die durch Abstriche beim Bürgergeld erpressbarer werden.

Dass sich das BSW in der Migrationsfrage am rechten Rand der Sozialdemokratie positioniert, ist schon lange bekannt und gehört geradezu zu ihrem Markenkern. Das macht das BSW noch nicht zu einem Teil der extremen Rechten – aber hier wird zumindest eine Stimmung geschaffen, an die auch Rechte andocken können.

Keine Brandmauer gegen die AfD in Kommunen

Da ist es auch nicht verwunderlich, dass der Umgang mit der AfD zum ersten größeren Streit im BSW geführt hat. So trat kürzlich der saarländische BSW-Vorsitzende zurück, nachdem die BSW-Spitzenpolitikerin Astrid Schramm in einem Zeitungsinterview eine Kooperation mit der AfD auf kommunaler Ebene nicht ausgeschlossen hatte.

Nun ist der Streit um den Umgang mit der AfD in den Kommunen schon alt. Diese Auseinandersetzung erfasst die CDU ebenso wie Die Linke. In Potsdam spaltete sich sogar die Linksfraktion, weil ein Mitglied einem AfD-Antrag zugestimmt hatte. Einige forderten seinen Ausschluss, andere solidarisierten sich mit ihm.

Nun könnte man es als größten Erfolg der Rechten ansehen, wenn sich die Linken an der Frage spalten, wie mit ihren Anträgen umgegangen werden soll. In kleineren Gemeinden findet eine Kooperation in der Form statt, dass dort auch Mehrheiten mit AfD-Unterstützung zustande kommen.

Allerdings besteht auch die Gefahr, dass der AfD noch viel mehr Aufmerksamkeit bekommt, wenn es jedes Mal eine heftige Auseinandersetzung über die Frage gibt, wer gemeinsam mit ihr abstimmt. Nach ihren Erfolgen in einigen Gemeinden wird es noch schwieriger, solches Stimmverhalten zu vermeiden.

Was tun bei lokalpolitischen Sachfragen?

Dabei wäre die Unterscheidung sinnvoll, ob die Abstimmung sich auf ein neues Feuerwehrhaus oder einen Spielplatz bezieht, oder ob es um originär rechte Forderungen geht, die nur mit AfD-Stimmen umgesetzt werden können.

So gab es nur wenig Aufmerksamkeit für eine Kampagne der AfD gegen das linksliberale Festival Osten, das an drei Wochenenden in Bitterfeld-Wolfen stattgefunden hat.

Dabei vermieden die Festival-Verantwortlichen eine explizite politische Positionierung – und auch die Geschichte des Bitterfelder Weges, mit dem in der DDR Kultur nicht für, sondern mit Arbeiterinnen und Arbeiten gefördert werden sollte, spielte (anders als vor zwei Jahren) dieses Mal beim Festival kaum noch eine Rolle.

Aber die Kampagne der AfD zog. Viele Bewohner blieben dem Festival fern – und ob es eine Wiederholung geben wird, ist noch offen. Die AfD hätte mit einer konservativen Liste die Mehrheit im Wolfener Kommunalparlament.

AfD-Verbotskampagne: Ein untaugliches Mittel

Liberale wollen nun ihre Kampagne für ein AfD-Verbot intensivieren, wobei selbst Befürworter sicher sind, dass sie keinen Erfolg haben wird. Das ist aber aus antifaschistischer Sicht keine schlechte Nachricht, da hier mit totalitarismustheoretischen Argumenten gearbeitet wird, mit denen auch gegen Linke vorgegangen werden könnte, wenn sie stärker würden.

Das ist leicht an den Begründungen erkennen, wenn es etwa heißt: "Die AfD ist eine Bedrohung für das Leben aller Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. Sie verbreitet völkisch-rassistisches Gedankengut, verhöhnt die Demokratie und greift den Rechtsstaat an."

Verhöhnung der Demokratie: Ein fragwürdiger Vorwurf

Die Frage ist, warum auch linke Juristen eine Initiative unterstützen, die Begriffe wie "Verhöhnung der Demokratie" und Angriffe auf den Rechtsstaat als Gründe für ein AfD-Verbot akzeptieren. Dabei wissen sie doch, dass immer wieder auch ohne die AfD der Rechtsstaat angegriffen wird – von der Polizei, von Gerichten, vom Verfassungsschutz.

Es ist politisch mindestens naiv, nicht die kapitalistische Realität in Deutschland anzugreifen, sondern nur die AfD für Angriffe auf den Rechtsstaat verantwortlich zu machen – und dass man manchmal für die real existierende Demokratie nur Hohn und Spott übrig hat, dafür sorgen doch die Verhältnisse.

Wenn Wähler die Demokratie bedrohen

Oder wie ist eine Schlagzeile des Redaktionsnetzwerks Deutschland zu verstehen, die lautet: "Nicht nur Extremisten bedrohen die Demokratie, sondern auch Millionen Wähler"?

Mit dieser Überschrift leitet das RND die Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichts ein. Ist das etwa Verhöhnung der Demokratie?

Auf dem Foto dazu ist ein Plakat der AfD neben einem BSW mit dem Konterfei ihrer Namensgeberin zu sehen. Besser kann man nicht deutlich machen, dass man in totalitarismustheoretischen Sumpf endet, wenn man sich als Verfassungspatriot aufspielt und für Parteiverbote eintritt.

Dass auch Vertreter von Parteien wie den Grünen und der SPD dabei sind, die in manchen ostdeutschen Bundesländern nahe an die Fünf-Prozent-Grenze geraten sind, spricht für sich. Die müssen dann die Wähler zur Bedrohung der Demokratie erklären, das ist dann keine Verhöhnung, sondern reale Demokratie-Performance.

Antifaschismus von unten statt Verbotsdebatten

Da könnten auch Antifaschisten, die nichts mit Verfassungspatriotismus zu tun haben wollen, von Frankreich lernen. Da sind nach den Wahlerfolgen des rechten RN tausende Menschen auf die Straße gegangen. Auf der parlamentarischen Ebene haben sich alle Parteien links von Präsident Emmanuel Macron auf ein gemeinsames Wahlbündnis geeinigt.

Auch wenn man aus Gründen den Volksfront-Mythos historisch und auch aktuell kritisch gegenübersteht, ist das auf jeden Fall eine positivere Reaktion. Eine Verbotsdebatte gegen den RN gibt es in Frankreich nicht, dafür mehr staatskritischen Antifaschismus auf der Straße. Vielleicht sieht man davon mehr am übernächsten Wochenende, wenn Antifaschisten gegen den AfD-Parteitag in Essen protestieren wollen.