Warum der Umbruch der europäischen Stromversorgung gefährlich chaotisch verläuft
Seite 5: Handeln nach einem Blackout
In Österreich sind wir wahrscheinlich in der Lage, als eines der ersten Länder in Europa wieder ein Stromnetz aufzubauen, was immer noch rund einen Tag oder länger dauern wird. Bis auf europäischer Ebene wieder überall der Strom fließt, wird laut Experten-Einschätzungen zumindest eine Woche vergehen. Das ist nicht alles.
Ganz generell werden die Folgen und Wiederanlaufzeiten nach einem großflächigen und abrupten Ausfall der Stromversorgung massiv unterschätzt. Viele Vorbereitungen beschäftigen sich zudem nur mit der unmittelbaren Vorsorge für den Stromausfall, was häufig in der Anschaffung oder Erweiterung einer Notstromversorgung mündet. Dabei ist die Phase 1, also die Zeit des Stromausfalls, noch am überschaubarsten.
Viel schwerwiegender und katastrophaler werden sich die deutlich längeren Phasen des Wiederanlaufes (Phase 2 und 3) in den anderen Infostruktursektoren und bei der Resynchronisierung der Versorgungslogistik auswirken, was in dieser Dimension völlig unterschätzt wird, weil uns dazu die Erfahrungen fehlen.
Die sehr hohe Versorgungssicherheit in allen Lebensbereichen, insbesondere in Mitteleuropa, wird zum Bumerang: Es fehlt an den erforderlichen Eigenvorsorgemaßnahmen und Rückfallebenen. Viel zu viele Menschen und Organisationen verlassen sich einfach blind auf die ständige Verfügbarkeit. Eine Truthahn-Illusion.
Langwieriger Wiederanlauf
So ist etwa zu erwarten, dass bis nach der Stromversorgung die Telekommunikationsversorgung, also Handy, Internet und Festnetz, wieder funktionieren wird, weitere Tage vergehen werden. Dies, weil mit schwerwiegenden Hardwareschäden, Störungen und Überlastungen zu rechnen ist. Damit wird es bis zumindest in die zweite Woche dauern, bis wieder eine Produktion und Warenverteilung im breiteren Umfang anlaufen kann.
Ganz abgesehen von den internationalen Verflechtungen und wechselseitigen Abhängigkeiten in der Versorgungslogistik. Auf das sind jedoch weder die Menschen noch Unternehmen oder die Staaten vorbereitet. Es droht eine unfassbare Katastrophe, die in die größte Katastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg enden könnte, wie bereits 2011 das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag festgehalten hat: "Spätestens am Ende der ersten Woche wäre eine Katastrophe zu erwarten, d. h. die gesundheitliche Schädigung bzw. der Tod sehr vieler Menschen sowie eine mit lokal bzw. regional verfügbaren Mitteln und personellen Kapazitäten nicht mehr zu bewältigende Problemlage." Dabei bezog sich die Analyse noch gar nicht auf einen europaweiten Ausfall. Ganz zu schweigen von der enorm gestiegenen Vernetzung binnen der letzten Dekade.