Warum der Umbruch der europäischen Stromversorgung gefährlich chaotisch verläuft

Seite 6: Was kann getan werden?

Kurzfristig scheint nur mehr die Vorbereitung auf das Ereignis möglich zu sein, was auch ganz generell gilt: Verhindern und Sicherheit sind wichtig, aber zu wenig. Es braucht auch hier ein sowohl-als-auch-Denken: Wir müssen auch in der Lage sein, mit unerwarteten Ereignissen umzugehen und diese zu bewältigen.

Das betrifft alle Ebenen. Beispielsweise ist die Verhinderung von Cyber-Angriffen enorm wichtig, dennoch ist ein Wiederherstellungsplan unverzichtbar, auch wenn man immer hofft, dass dieser nie benötigt wird. Aber Hoffnung ist zu wenig. Das gilt genauso beim Thema Blackout. Wir betreiben gerade die größte Infrastrukturtransformation aller Zeiten am offenen Herzen und ohne Auffangnetz. Das könnte sich als fataler evolutionärer Irrtum herausstellen.

Der wichtigste Schritt beginnt in den eigenen vier Wänden: Sich und die eigene Familie zumindest zwei Wochen völlig autark mittels eigener Vorratshaltung versorgen zu können. Das betrifft zwei Liter Wasser pro Person und Tag.

Nach dem Stromausfall kann auch wieder gekocht aber nicht eingekauft werden. Daher Lebensmittel wie Nudel, Reis und Konserven für zwei Wochen. Das Gleiche gilt für wichtige Medikamente, Kleinkinder- oder Haustiernahrung. Taschenlampen, ein batteriebetriebenes Radio, Müllsäcke und sonstige wichtige Hilfsmittel, die man dann brauchen könnte. Einfach, was man auf einen zweiwöchigen Campingurlaub auch mitnehmen würde.

Sehr geringe Vorsorge

Wie aus verschiedenen Untersuchungen bekannt ist, können sich rund ein Drittel der Bevölkerung maximal vier Tage und ein weiteres Drittel maximal sieben Tage selbst versorgen. Damit beginnt ein Teufelskreis. Denn wenn sich die Menschen nicht mehr ausreichend selbst versorgen können, kommen sie nicht in Arbeit, um die Systeme wieder hochzufahren.

Eine Teufelsspirale beginnt sich zu drehen. Daher ist eine breite Eigenvorsorge in der Bevölkerung wesentliche Voraussetzung dafür, damit wir ein solches Szenario bewältigen können. Das betrifft insbesondere auch jene Organisationen und Unternehmen, die in einem solchen Fall einen Notbetrieb aufrechterhalten können müssen, also auch die Energiewirtschaft.

Inselbetriebsfähige PV-Anlagen

Was viele PV-Besitzer nicht wissen, ist, dass ihre PV-Anlage während eines Stromausfalls keinen Strom liefert, da die meisten Anlagen netzgeführt sind. Nur inselbetriebsfähige PV-Anlagen, also ergänzt mit Netztrennung, hybriden Wechselrichter und Speicher, können auch bei Netzausfall eine Notversorgung in den eigenen vier Wänden aufrechterhalten.

Damit könnten die Beleuchtung, Heizung und Kühlgeräte (Vorräte!) weiterbetrieben werden. Das Szenario würde damit deutlich abgemildert. Gesellschaftlich noch wirkungsvoller und effizienter wäre es, so rasch als möglich regionale Energiezellen aufzubauen, wo zumindest eine Grundnotversorgung mit Wasser, Abwasser, Wärme oder Gesundheitsdienstleistungen auch während eines Netzausfalles aufrechterhalten werden könnte. Dazu fehlt es aber am notwendigen Bewusstsein und den erforderlichen Rahmenbedingungen.

Organisatorische Maßnahmen

Auf diese persönlichen Vorsorgemaßnahmen können dann die notwendigen organisatorischen Maßnahmen aufsetzen. Dabei beginnt der erste Schritt mit der Sensibilisierung des eigenen Personals, um die Eigenvorsorge anzustoßen. Zum anderen sind umfassende Überlegungen notwendig, wie im Fall eines Blackouts die erforderliche Kommunikation sichergestellt werden kann.

In vielen Fällen werden nur Offline-Pläne, also vorbereitete Absprachen, die in den Köpfen der Mitarbeiter:innen verfügbar sein müssen, funktionieren. Das Schlüsselpersonal muss wissen, was zu tun ist, wenn niemand mehr erreicht werden kann und wie die Ablöse und Versorgung funktionieren, wenn ein Notbetrieb weiterlaufen muss.

Eine Alarmierung, wie sonst üblich, wird in der Regel nicht mehr funktionieren, da die Telekommunikationssysteme Großteils binnen weniger Minuten nach dem Stromausfall ausfallen werden. Bei der Mitarbeiter:innenverfügbarkeit sind vor allem die persönlichen Umstände, wie die räumliche Entfernung zum Arbeitsplatz oder sonstige Verpflichtungen, wie betreuungsbedürftige Personen, Funktionen in Gemeindekrisenstäben oder Einsatzorganisationen zu berücksichtigen.

Darüber hinaus muss erhoben werden, wie lange die vorhandenen Ressourcen, etwa der Treibstoff für Notstromeinrichtungen oder Lebensmittel für einen Notbetrieb verfügbar sind, da mit einer Versorgung von außerhalb kaum zu rechnen ist, wenn nicht entsprechende Vorbereitungen getroffen werden. Das geht dann bis hin zu Wiederanlaufplänen, wo zu überlegen ist, welche Voraussetzungen erforderlich sind, um überhaupt wieder in einen geordneten Betrieb übergehen zu können.