Was bringt die Zukunft: Politische KI oder KI-Politik?

Werden Algorithmen bald zu den besseren Politikern? Epochaler Machtkampf nicht nur innerhalb des Westens. Besonders wichtig für die Visionen: 2045. Ein Überblick (Teil 3 und Schluss).

In Teil 1 und Teil 2 dieses Überblicks haben wir zunächst Aspekte der politischen und kontextpolitischen Veränderungskraft von KI unter die Lupe genommen. Darauf aufbauend haben wir einige Regierungsprogramme untersucht, die KI für sich zu benutzen suchen – und dabei nichts weniger als großflächige bis Menschheitsveränderungen anstreben.

KI dient heute sowohl der Entscheidungsvorbereitung wie als mögliche Vorreiterin einer "anderen" Art von Politik, in deren Zentrum die Verbindung von Pragmatik mit Kybernetik steht. Im Blick auf die kommenden Jahre stellt sich die Frage, wo die Perspektive der Konvergenz von KI und Politik liegt.

Wird KI Politik ersetzen?

Angesichts der Entwicklungen, die wir in Teil 1 und 2 betrachtet haben, häufen sich heute Ansätze, Künstliche Intelligenz entweder als künftigen Ersatz von Politik oder aber als deren neue Herrin zu deuten. Shoshana Zuboffs "Überwachungskapitalismus" (surveillance capitalism) aus dem Jahr 2019 ist bereits ein Klassiker.

Laut Zuboff ist die KI-Steuerung und -Integration großer Datenmengen die eigentliche, neue Form des Politischen in der Gegenwart. Sie überschreitet an realer Macht längst die institutionalisierte Politik. Zuboffs Forderung nach einer "menschlichen Zukunft an den neuen Grenzen der Macht" mittels "Demokratisierung der Algorithmen", um deren Errichtung einer universalen, alles durchdringenden techno-humanen Macht zu brechen, wird inzwischen von vielen Gelehrten und Politikern geteilt.

Breit geteilt wird auch die Ansicht, dass der neuen, "impliziten" KI-Überwachung nicht mehr durch zivilgesellschaftliche Gegenformen der "Unterwachung" (sousveillance) beigekommen werden kann, also durch die Dokumentation von Machtausübung durch Bürger, die mit Handykameras und Internetplattformen Transparenz herstellen, was noch die frühen Aktivisten des Internet erhofft hatten.

Auf die veränderten Machtformen und ihre Anforderungen reagieren mittlerweile neue Formen alternativen Umgangs, wie zum Beispiel The Syllabus.com des – allerdings nicht unumstrittenen – belarussischen Publizisten Evgeny Morozov, der inzwischen auch in europäischen Medien populär ist.

Vor allem die politische Ausgewogenheit der damit verbundenen Kritik, die sich meist einseitig gegen westliche, nur selten gegen Akteure in autoritären Gesellschaften wie Russland oder China richtet, steht zur Debatte. Ähnliches gilt für europaweite Initiativen wie X-net aus Barcelona, die mit postuniversitären Ausbildungsprogrammen wie "Technopolitiken und Rechte in der Digitalen Ära" verbunden ist und versucht, auch im europäischen Schulbereich Fuß zu fassen.

Epochaler Machtkampf und irrige Vorhersagen

Zusammenfassend ist das Feld zwischen Bürgergesellschaft, Politik und KI heute in starker Bewegung – allerdings mit ungewissen Perspektiven. Dabei handelt es sich auch um einen epochalen Machtkampf zwischen KI-Politik-Befürwortern und -Gegnern. Sowohl Befürworter wie Gegner kennzeichnen diesen Kampf als mit entscheidend sowohl für die Zukunft von Freiheit wie offener Gesellschaft.

Oft wird die Tatsache vernachlässigt, dass sich dieser Kampf nicht nur innerhalb des Westens, sondern in einem globalen Umfeld abspielt, das längst nicht mehr von Demokratien allein bestimmt wird und wo die neuen Allianzen der Autokratien auf dem Vormarsch sind.

Trotzdem könnte es der Debatte um die Zukunft der Politik in der KI-Gesellschaft in den kommenden Jahren gehen wie vordem der Debatte um die Zukunft der Religion. Manche werden angesichts des – behaupteten und faktischen – Aufstiegs von KI ins Zentrum aller Lebenszusammenhänge behaupten, dass herkömmliche Politik wegen der umfassenden Technisierung der Lebensstile in absehbarer Zeit gar keine Rolle mehr spielen wird – so wie man das vorher zum Beispiel für die traditionelle Religion prophezeit hat.

Doch diese Vorhersage könnte sich als falsch erweisen. Bei Religion jedenfalls hat man sich bisher mit dieser Prophezeiung, die bereits von den liberal-säkularen Nationalstaats-Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts vorgebracht wurde, über lange Zeiträume immer wieder aufs Neue getäuscht. Doch wenn der Verfall von Religion auch aufgrund des Trends zu "digitaler Religion" bislang nicht eingetreten ist, ja im Gegenteil neuen Renaissance-Bewegungen Raum gibt – wird dann das Politische, wie wir es kennen, vor dem Aufstieg Künstlicher Intelligenz weichen?

Vermutlich nicht gänzlich; und nicht so, wie es manche Kritiker angesichts der Phänomene des heutigen "KI-Goldrauschs" erwarten.

Wie immer man die Herausforderung beantworten will: Zur Sphäre Künstlicher Intelligenz gehört, dass sie laut ihren Vorreitern und Propagatoren immer mehr zum Katalysator, Transformator und Umschlagpunkt "traditionell menschlicher" politischer Prozesse werden soll.

Menschheitsvisionen

Dieser Trend nimmt derzeit eine Vielfalt von Formen an. Zu den Ansätzen gehören zum Beispiel die Algorithmen von Facebook, Google, Twitter und Baidoo.

Diese haben längst begonnen, sich von sozialen Plattformen zu politisch hochrelevanten Medienkonzernen umzuwandeln, obwohl sie das bis auf weiteres zum Schutz ihres Geschäftsmodells nicht zugeben.

Denn als Medienkonzerne würden sie im Vergleich zu Plattformen stärker besteuert – weshalb sich vonseiten von Bürgerinitiativen die Forderungen nach einer Einstufungsänderung von "platform" zu "publisher" häufen. "Alternative" soziale Medien wie etwa Scuttlebutt versuchen, KI statt für solche proto-politischen Monopolbildungen für partizipativere Gesellschaftsmechanismen zu nutzen – mit welchen Erfolgsaussichten, bleibt bislang unklar.

Zur politischen Dimension gehören auch die Träume einzelner Vorkämpfer der KI-Revolution wie Elon Musk. Musk war immerhin von Dezember 2016 bis Juni 2017 Berater von US-Präsident Donald Trump, des "großen Unterbrechers" bisheriger Politikverständnisse in offenen Gesellschaften.

Der Starinvestor und Multi-Unternehmer spricht von einem neuen Techno-Menschen, der sich mittels seiner Firma "Neuralink" mittels Gehirnimplantaten physisch und geistig mit Künstlicher Intelligenz verbindet ("jeder Mensch erhält Drähte in sein Gehirn").

Gleichzeitig gehört Musk – offenbar auch nach eigenem Dafürhalten – zu den großen Faust-Figuren der KI-Epoche und warnt: "Mit der Künstlichen Intelligenz beschwören wir den Dämon herauf". Das meint er mutmaßlich sowohl menschlich wie politisch.

Das Jahr 2045

Zu den visionären Vorwegnehmern einer neuen sozio-politischen Großmacht KI gehören schließlich, vielleicht am wichtigsten, die globalen "Erneuerungs"-Visionen einflussreicher informeller Verbindungen. Darunter ist, um nur ein Beispiel zu nennen, die "2045 Strategische Soziale Initiative".

Dabei handelt es sich um die Organisation hinter dem "Globalen Zukunftskongress 2045" (GF2045). Diese 2012 gegründete, ursprünglich russische Initiative von Neurotechnologen, KI- und Robotik-Experten um den Unternehmer Dmitry Itskov wollte sich auch als globale Partei "Evolution 2045" etablieren.

Mit "Evolution" meinte sie in erster Linie KI-Evolution bis hin zur Superintelligenz, um die Menschheit umzugestalten. Die Gruppe erwartet, dass KI spätestens um das Jahr 2045 eine Art techno-individuelles Bewusstsein: eine "Singularität" entwickeln wird.

Deshalb waren einzelne Mitglieder an der Gründung der "Singularity University" am Moffett Air Field in Kalifornien beteiligt, die die Elite der Menschheit auf eine selbstbewusste KI vorbereiten will.

Der "Globale Zukunftskongress 2045" schrieb am 11. März 2013 einen – aus Sicht von Kritikern ebenso bahnbrechenden wie für die kommende Entwicklung symptomatischen – offenen Brief an den damaligen UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon1. Darin wurde die radikale Verschiebung öffentlicher Mittel aus allen anderen Gesellschaftsbereichen in den Technologiebereich und die faktische Umwandlung von Politik zur Dienstleistung für technologische Innovation mit Zentrum KI gefordert.

Auszüge aus dem Brief lesen sich wie ein Programm zu einer dann nur mehr semi-humanen KI-Zivilisation. Sie waren – und sind – aber in keinem Punkt als Utopie, sondern ganz konkret als einzig mögliche Zukunftsoption für die Mitte des 21. Jahrhunderts gemeint:

Herr Generalsekretär! Wir, Wissenschaftler, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Wirtschaftsführer aus Russland, den USA, Großbritannien und Kanada sowie Teilnehmer des Zweiten Internationalen Kongresses Globale Zukunft 2045 (15./16. Juni 2013 in New York), möchten Sie auf eine Reihe ernster Probleme aufmerksam machen. Die Welt steht an der Schwelle eines tatsächlich globalen Wandels.

Ökologische, politische, anthropologische, wirtschaftliche und andere Krisen verschärfen sich. Kriege werden geführt, Ressourcen vergeudet und der Planet verschmutzt. Die Gesellschaft befindet sich in einer Krise der Ziele und der Werte, während Wissenschaft und Technologie nie dagewesene Möglichkeiten des Fortschritts bieten. Die Staats- und Regierungschefs konzentrieren sich nach wie vor auf kurzfristige innere Stabilität, ohne den Chancen für die Zukunft der Zivilisation ausreichend Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Menschheit steht im wesentlichen vor folgender Wahl: in den Abgrund eines globalen Abstiegs zu rutschen – oder ein neues Entwicklungsmodell zu finden und zu verwirklichen: ein Modell, das in der Lage ist, das menschliche Bewusstsein zu verändern und dem Leben einen neuen Sinn zu geben.

Offener Brief an Ban Ki-Moon. Globaler Zukunftskongress 2045

Was genau wäre das für ein Modell? Laut GF2045 das einer hypertechnologischen Gesellschaft, in der Technologie – angeordnet um den Kern Künstliche Intelligenz – alle anderen Bereiche entweder in sich aufnimmt, kapillar durchdringt, fundamental verwandelt oder überflüssig macht. Der offene Brief fährt in diesem Sinn fort:

Wir glauben, dass die Menschheit, um auf eine neue Stufe der menschlichen Evolution zu gelangen, unbedingt eine wissenschaftliche Revolution benötigt, die mit bedeutenden geistigen Veränderungen einhergeht, welche untrennbar miteinander verbunden sind und sich gegenseitig ergänzen und unterstützen. Der Vektor zukünftiger Entwicklung, der durch den technologischen Fortschritt bereitgestellt wird, sollte die Evolution des Bewusstseins der Menschheit, des Individuums und der Gesellschaft unterstützen – und den Übergang zu einer Neo-Humanität darstellen. Diese Art von Forschung wurde bereits auf dem Globalen Zukunftskongress 2045 [im Jahr 2013] diskutiert. Es wurden Spitzentechnologien vorgestellt, von denen viele bereits entwickelt und verbessert wurden, aber noch nicht allgemein und routinemäßig für die Menschen verfügbar sind, die sie benötigen.

Offener Brief an Ban Ki-Moon. Globaler Zukunftskongress 2045

Was wären diese Spitzentechnologien, die praktisch allesamt mit KI zusammengedacht werden müssen oder von ihr substantiell abhängen? Dazu der offene Brief:

1. Die Konstruktion von anthropomorphen Avatar-Robotern – künstlichen Körpern.

2. Die Entwicklung von Telepräsenz-Robotersystemen für die Steuerung von Avataren über große Entfernungen.

3. Die Entwicklung von Gehirn-Computer-Schnittstellen zur direkten mentalen Steuerung der Avatare. Anwendungen:

- Rehabilitation für Behinderte;
- Ersatz von Personen, die unter gefährlichen Bedingungen arbeiten oder bei friedenserhaltenden Einsätzen mit Aufräumarbeiten betraut sind;
- Telepräsenztechnologien für die persönliche und geschäftliche Kommunikation sowie für den Tourismus.

Davon erwarten sich die Vertreter des "Globalen Zukunftskongresses 2045" geradezu revolutionäre "Durchbrüche" für die gesamte Menschheit:

Es wird erwartet, dass die erfolgreiche Weiterentwicklung der drei oben genannten Ansätze zu Durchbrüchen führen wird, darunter:

4. Entwicklung von Technologien zur Lebensverlängerung mit lebenserhaltenden Systemen für das menschliche Gehirn, die in einen künstlichen Avatar-Körper integriert sind. Laut der Prognose Global Trends 2030 des US National Intelligence Council könnten sich die Menschen mit Hilfe der technologischen Fortschritte dafür entscheiden, ihr körperliches Erscheinungsbild mittels Ersatz von Gliedmaßen zu verbessern, wie sie es heute mit der Schönheitschirurgie tun. Anwendung: Die signifikante Verlängerung des Lebens von Personen, deren biologische Körper ihre Ressourcen erschöpft haben.

5. Untersuchung der wichtigsten Prinzipien der Funktionsweisen des menschlichen Gehirns und Erstellung eines allgemeinen Funktionsmodells, das heißt: Emulation des gesamten Gehirns.

6. Entwicklung von Prothesen für Teile des menschlichen Gehirns.

7. Schaffung eines vollständig künstlichen Äquivalents für das menschliche Gehirn.

8. Untersuchung des menschlichen Bewusstseins und der Möglichkeiten für seine zukünftige Verkörperung in einem nicht-biologischen Substrat (Mind-Uploading). Anwendungen:

- Behandlung von degenerativen Krankheiten und Traumata des Gehirns;
- Erforschung von Regionen des Weltraums, die für biologisches menschliches Leben feindlich sind;
- radikale Verlängerung des menschlichen Lebens bis hin zur Unsterblichkeit.

Offener Brief an Ban Ki-Moon. Globaler Zukunftskongress 2045

Daraus folgt laut dem "Globalen Zukunftskongress 2045":

Zu den Teilnehmern des Kongresses gehören Wissenschaftler, Philosophen, Vertreter verschiedener Religionen, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Wirtschaftsführer und Philanthropen. Wir werden die Realitätsnähe der Avatar-Technologien demonstrieren und ein neues wissenschaftliches Megaprojekt starten, das die Grundlage für eine neue Evolutionsstrategie der Menschheit bilden wird. Diese Erkenntnis wird es ermöglichen, viele Probleme der Gesellschaft ein für alle Mal zu lösen, die biologischen Grenzen des Menschen zu überwinden und eine neue Zivilisation mit hoher Ethik, Kultur, Spiritualität, Hochtechnologie und Wissenschaft zu schaffen. Diese neue Strategie sollte eine Alternative zu national ausgerichteten Ideologien werden – eine Strategie, die die Bewohner unseres Planeten in Bürger der Erde verwandelt und die Nationen zusammenführt, indem sie es zum Sinn des Lebens eines jeden Bürgers macht, hohen Idealen und Prinzipien zu dienen und sich ständig weiterzuentwickeln.

Offener Brief an Ban Ki-Moon. Globaler Zukunftskongress 2045

Und daraus lässt sich aus Sicht der Unterzeichner der Schluss ziehen:

Um diese wichtige Aufgabe zu erfüllen, ist die Unterstützung der UNO für uns von entscheidender Bedeutung… Wir glauben, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen in naher Zukunft nicht mehr zusammentreten wird, um militärische Konflikte zu regeln, sondern um den Staatsoberhäuptern und den Führern nationaler und transnationaler Organisationen zu empfehlen, die Strategie für den Übergang der Menschheit in eine Neo-Humanität in die Tat umzusetzen.

Offener Brief an Ban Ki-Moon. Globaler Zukunftskongress 2045

Der Brief wurde unterzeichnet von einflussreichen Persönlichkeiten verschiedenster Gesellschaftssektoren, darunter:

  • Dmitry Itskov – Founder of the 2045 Initiative. President of the Global Future 2045 congress.
  • Ray Kurzweil – Director of Engineering, Google; futurist and inventor, co-founder, Singularity University, and author of How to Create a Mind.
  • Dr. James Martin – British author and entrepreneur and the largest individual benefactor to the University of Oxford in its 900-year history.
  • Dr. Theodore Berger – University of Southern California Professor, brain prosthesis technology developer.
  • Dr. Peter H. Diamandis – Founder and Chairman, X Prize Foundation, co-founder, Singularity University, author of Abundance.
  • Dr. Robert Thurman – Professor of Indo-Tibetan Buddhist studies at Columbia University New York.
  • Dr. Amit Goswami – Professor Emeritus from the Theoretical Physics Department of the University of Oregon.
  • Dr. David Hanson – Robotics designer and researcher, creating androids: humanlike robots with intelligence and feelings.
  • Dr. Alexander Kaplan – Psychophysiologist, founder of the first Russian Brain-Computer Interface laboratory.
  • Dr. Ben Goertzel – Artificial General Intelligence researcher and entrepreneur, Founder, OpenCog Project, CEO, Novamente LLC.
  • Dr. Natasha Vita-More – Human enhancement theorist, university lecturer, co-editor of The Transhumanist Reader on the philosophy of self-directed human evolution.
  • Dr. Randal Koene – Head of Carboncopies.org, author of the concept of Substrate-Independent Minds (SIM).
  • Dr. Anders Sandberg – Researcher, Future of Humanity Institute of the University of Oxford, science debater, futurist, and author of the Whole Brain Emulation Roadmap.
  • Dr. Stuart Hameroff – Neuro-anesthesiologist and professor at the University of Arizona. Co-creator of the Orch OR model of the quantum nature of consciousness and memory.
  • Dr. Ken Hayworth – President of the Brain Preservation Foundation, and Senior Scientist at the Howard Hughes Medical Institute’s Janelia Farm Research Campus.
  • Dr. David Dubrovsky – Russian philosopher, psychologist and expert in the field of the analytical philosophy of mind.
  • Dr. Witali L. Dunin-Barkowski – Head of the Russian project for reverse brain engineering, Professor, Founder of the Russian Association of Neuroinformatics.
  • Dr. Alexander Panov – Astrophysicist, author of the Snooks-Panov curve which describes the singularity.
  • Dr. William Bushell – MIT-affiliated religious anthropologist.
  • Lazar Puhalo – Archbishop (ret.) of Ottawa of the Orthodox Church in America.
  • Swami Vishnudevananda Giri Ji Maharaj – Russian yoga master, philosopher, and futurologist.
  • Rabbi Dr. Alan Brill – Cooperman/Ross Endowed Professor in Honor of Sister Rose Thering at Seton Hall University.
  • Nigel Ackland – Pioneering user of the world’s most advanced bionic artificial arm.

Zweifellos kann man diese Menschheits-Vision und die Forderung, sie zum Programm der Vereinten Nationen und damit der gesamten Menschheit zu erheben, ebenso wie die beteiligten Persönlichkeiten sehr unterschiedlich bewerten.

Zweifellos benötigt das GF2045 Unternehmen Kritik, um sich weiterzuentwickeln. Dass aber diese und ähnliche Initiativen schon durch ihre bloße Existenz politisch-kulturelle Effekte zeitigen, die mittel- bis langfristig über sie hinausgehen, dürfte wahrscheinlich sein.

Politiken des Negativen: Ängste vor KI-Vorurteil und -Unterdrückung

Zur wachsenden politischen Valenz Künstlicher Intelligenz gehören neben solchen euphorisch-positiv gemeinten, techno-universalistischen Ansätzen inzwischen auch wissenschaftliche Untersuchungen der gesellschaftspolitischen Wirksamkeit von KI im negativen Sinn.

Letztere sind deshalb produktiv, weil sie über Diskussion und Widerstand aktive Beteiligung an der Weiterentwicklung der sozio-politischen Dimension von KI bewirken.

Darunter ist zum Beispiel die zunehmende Diskussion über – und Kritik an – "Algorithmen der Unterdrückung" (algorithms of oppression). Diese Diskussion politisiert KI auf ihre eigene Weise. Wie etwa Safiya Umoja Noble von der Universität von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) in ihrem bemerkenswerten Buch für die New York University Press 2018 hervorhob, können Algorithmen in Suchmaschinen auch zu politisch relevanten "Verstärkern von Rassismus" werden.

Gender-Herausforderung als Makro-Herausforderung an KI

Zu den politischen Aspekten gehört schließlich auch die Gender-Herausforderung als Makro-Herausforderung an KI. Sie bleibt – trotz richtungsweisender Reports zur Problemstellung vonseiten globaler Organisationen wie der Unesco – in der KI-Realpolitik noch weitgehend unbearbeitet.

So wie andere Kritiker erkennt auch Umoja Noble in der aktuellen – und möglicherweise auch kommenden – Anwendung Künstlicher Intelligenz weit mehr direktes genderpolitisches Gewicht, als im öffentlichen Hype meist beachtet wird, ohne dass dies jedoch bislang ausreichend thematisiert wird. So

bestreitet Umoja Noble die Idee, dass Suchmaschinen wie Google gleiche Bedingungen für alle Arten von Ideen, Identitäten und Aktivitäten bieten. Datendiskriminierung ist [für Umoja Noble] ein echtes gesellschaftliches Problem. Die Kombination aus privaten Interessen an der Förderung bestimmter Webseiten und der Monopolstellung einer relativ kleinen Anzahl von Internet-Suchmaschinen führt zu einem vorurteilsbelasteten Satz von Suchalgorithmen, die [ihrer Meinung nach] Weiße bevorzugen und farbige Menschen, insbesondere farbige Frauen, diskriminieren.

Anhand einer Analyse von Text- und Mediensuchen sowie umfangreicher Recherchen zu bezahlter Online-Werbung deckte Noble eine Kultur des Rassismus und Sexismus in der Art und Weise auf, wie Auffindbarkeit [mittels KI] online geschaffen wird.

Da Suchmaschinen und die mit ihnen verbundenen Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnen – zum Beispiel als Host für E-Mails, als Instrument für das Lernen in Grund- und weiterführenden Schulen und darüber hinaus – ist es von größter Bedeutung, diese beunruhigenden Trends und diskriminierenden Praktiken zu verstehen und umzukehren.

Der auf Künstlicher Intelligenz basierende Suchmaschinen-Vorurteilsmechanismus (search engine bias) geht in Ursprüngen, Mechanismen und Wirkungen weit über techno-selektive Aspekte hinaus. Er reicht faktisch direkt ins Herz des zeitgenössischen Politischen hinein.

Denn KI-Vorurteile befördern – wie die heute existente "weiche" Künstliche Intelligenz insgesamt – politische Tendenzen, die sich auch in partei- und personenpolitischen Einstellungen und Wählerverhalten niederschlagen.

Ausblick: Der Zusammenfluss pragmatischer und neo-idealistischer Visionen: Künstliche Intelligenz als politische Konvergenzphantasie?

Was ist im Ausblick auf die Schnittstelle KI-Politik am wichtigsten?

Das immer stärkere Zusammenwachsen von KI und Politik führt, aufs Ganze besehen, zu einer unausgesprochenen Konvergenzphantasie angeblicher Vereinheitlichbarkeit und Zusammenführbarkeit "von allem" mittels KI.

Der Charakter dieser politischen Universalphantasie ist sowohl in demokratie- wie gesellschaftspolitischer eine Herausforderung, weil sie in gewissen Aspekten gefährlich nah an eine neue Universalideologie grenzt.

Konvergenzphantasie entsteht, wenn sich Unterschiede aller Art an einem Ort so integrieren lassen sollen, dass sie "kompatibel" werden – entweder über Pluralität und Differenz hinaus, parallel zu ihnen oder faktisch (funktional) an ihrer Stelle.

Ein zweites Kriterium von Konvergenzphantasie ist ihr verborgener Charakter, der sich unter dem Deckmantel des Anspruchs auf "Postideologie" nicht offen ausspricht, sondern unausgesprochen verwirklicht. Das macht die Phantasie intransparenter und damit auch schwerer fassbar.

Beide Aspekte spiegeln sich heute in der scheinbar unaufhaltsamen Synchronie von KI-Phantasien auf praktisch allen Feldern wider. Mit ihrer scheinbar "natürlichen" Verbindung unterschiedlicher Felder mittels ihrer – zugeschriebenen – transversal-interdisziplinären Übersetzer-Modellfunktion zwischen gesellschaftlichen und sozialen Akteuren wird Künstliche Intelligenz allmählich zum Ideologieersatz.

Rückkehrmoment der Modernisierungs- und Integrationsutopie aus dem 19. Jahrhundert

Sie wird zum zeitgenössischen Rückkehrmoment der Modernisierungs- und Integrationsutopie aus dem 19. Jahrhundert, ohne dass Medien und Öffentlichkeit dies bislang ausreichend reflektieren.

Zusammenfassend gerät KI heute durch ihre bloße Existenz sowohl in offenen wie geschlossenen Gesellschaftssystemen zum latenten partei- und weltanschauungsübergreifenden Kit. Gerade in dieser Rolle ist der heutige KI-Diskurs selbst bereits politisch. Zu diesem Diskurs gehört zum Beispiel die Idee des "Building Human Interfaces with Artificial Intelligence" zur Erzeugung von "Digital Humans" mittels "Conversational AI in action".

Dazu gehört – daran anschließend – auch die Frage, inwieweit Menschen – und wichtiger: das Menschliche in seinen sehr verschiedenen Aspekten – überhaupt noch als "frei" und "selbstbestimmt" in KI-Politiken eingebunden sein können, wenn die Entwicklung an der KI-Politik-Schnittstelle nur annähernd so rasch weitergeht wie bisher.

Da verwundert es nicht, dass manche inzwischen fragen, ob Künstliche Intelligenz nicht die lang ersehnte "Therapie der Politik" sei; und andere zugleich, ob Künstliche Intelligenz in Zukunft vielleicht selbst Therapie brauche.

Beide Fragen sind durchaus nicht nur ingenieurstechnisch, sondern auch sozialkünstlerisch gemeint. Denn KI ist bereits heute eine der ersten universalen Human-Technologien, die systemisch und kapillar wirkt – und die man zugleich nicht mehr jederzeit "ein- und ausschalten kann". Inwieweit dies bereits Irreversibilität von Entwicklung bedeutet, bleibt Gegenstand der Auseinandersetzung.

Gegen die drohende KI-Irreversibilität fordern jedenfalls manche heute bereits einen neuen "radikalen Humanismus" ein, der in einen "neuen Gesellschaftsvertrag" zwischen Mensch und Maschine am Beispiel Künstlicher Intelligenz münden soll.

Dass damit bei aller guten Absicht auch eine indirekte Aufwertung von Technologie zum Äquivalent des Menschen, ja des Menschlichen an sich verbunden ist, ist den Befürwortern solcher Gegenvorschläge zum historischen Aufstieg der KI offenbar nicht bewusst.

Roland Benedikter ist Co-Leiter des Center for Advanced Studies von Eurac Research Bozen, Unesco Chair für Interdisziplinäre Antizipation und Global-Lokale Transformation und Mitglied des Zukunftskreises des BMBF für die deutsche Bundesregierung. Homepages bei Eurac Research: Roland Benedikter und Unesco Chair. Kontakt: roland.benedikter@eurac.edu.