Was uns die Covid-19-Daten sagen – und was nicht
Seite 4: Sieben-Tage-Inzidenz
Die Berechnung der Sieben-Tage-Inzidenz des RKI erfolgt anhand der gemeldeten Fallzahlen nach Meldedatum. Zwar ist die Zahl in Relation zu 100.000 Einwohner gesetzt. Dennoch hängt der Verlauf des Sieben-Tage-Inzidenzwertes von den absolut gemeldeten Fallzahlen ab. Wie zuvor gezeigt, führt aber eine veränderte Teststrategie mit mehr Tests und einer Aufhellung des Dunkelfeldes auch zu mehr erkannten Fällen, ohne, dass sich die Lage anders darstellen muss.
Das führt dann eben zu einer Erhöhung des Sieben-Tage-Inzidenz-Wertes. Eine Vergleichbarkeit der Sieben-Tage-Inzidenz-Werte aus der ersten Welle, währenddessen fast nur symptomatische Personen getestet wurden mit der zweiten Welle, bei der auch viele asymptomatische Personen getestet wurden oder gar mit der dritten Welle, bei der nun auch viele Personen getestet werden, die zuvor einen positiven Schnelltest aufweisen, ist daher nicht möglich.
Im Übrigen halte ich auch die Berechnung der Sieben-Tage-Inzidenz, unabhängig von den zuvor genannten Problemen, anhand des Meldedatums für problematisch. Diesmal aber, weil dies zu einer etwas zu niedrigen Sieben-Tage-Inzidenz führt. Von den am 04.04.2021 gemeldeten 12.196 Fällen hatten nur 7.017 Fälle das Meldedatum 03.04.2021, die anderen Fälle hatten ein Meldedatum, was weiter in der Vergangenheit lag. Je weiter das Meldedatum für die neu gemeldeten Fälle in der Vergangenheit liegt, desto geringer wird der Anteil an den neu gemeldeten Fällen.
Das führt dazu, dass die Zahl von Fällen vor sieben Tagen recht stabil ist, weil kaum noch mit Nachmeldungen zu rechnen ist. Für den letzten Tag jedoch ist in den nachfolgenden Tagen noch mit vielen Nachmeldungen zu rechnen. Die so berechnete Sieben-Tage-Inzidenz ist daher etwas zu niedrig. Besser ist es daher, die Sieben-Tage-Inzidenz anhand des gleitenden Sieben-Tage-Mittelwerts zu berechnen. Zwar bleiben weiterhin die Probleme vorhanden, dass eine Vergleichbarkeit aufgrund der genannten Gegebenheiten bei der Sieben-Tage-Inzidenz nicht möglich ist. Andere Daten liegen jedoch zurzeit nicht vor, sodass dies aktuell die sauberste Möglichkeit ist.
Es gibt aber noch weitere Probleme mit der Sieben-Tage-Inzidenz. Die gesetzten Grenzwerte für die Sieben-Tage-Inzidenz von 50, respektive 35, wurden während der ersten Welle definiert. Damals wurden weniger Personen getestet, die auch eine andere Vortestwahrscheinlichkeit aufwiesen, da sie zumeist symptomatisch waren und ein weiteres Risikomerkmal besaßen, wie den Kontakt zu einer nachweislich infizierten Person.
Mit dem Aufbau der Testkapazitäten und der Aufhellung des Dunkelfeldes bedeutet eine höhere Sieben-Tage-Inzidenz nicht automatisch, dass wir während der zweiten oder dritten Welle eine andere Situation haben, als während der ersten Welle. Mit einem Wert von 50 hätten wir jetzt aber eine weniger dramatische Situation, als mit einem Wert von 50 während der ersten Welle.
Basisreproduktionszahl R0
Laut RKI gibt die Basisreproduktionszahl R0 an, "wie viele Personen von einer infizierten Person durchschnittlich angesteckt werden, vorausgesetzt, dass in der Bevölkerung keine Immunität besteht und keine infektionspräventiven Maßnahmen ergriffen wurden." Er wird somit zu Beginn einer Pandemie ermittelt. Dem R0-Wert fällt eine große Bedeutung zu, denn laut RKI leiten sich aus einem hohen R0-Wert infektionspräventive Maßnahmen ab. Das RKI gibt den R0-Wert mit einem Wert von 2,8 - 3,8 an. Laut anderen Untersuchungen wird der R0-Wert auch mit Werten von 1,91, 2,22, 2,23 und 5,74 angegeben. Liegt der R0-Wert nun beim vom RKI angegebenen Wert zwischen 2,8 und 3,8, oder liegt er eventuell darüber oder darunter?
Anfang März 2020 lag der Sieben-Tage-R-Wert tatsächlich mit 3,2 in ihrer angegebenen Range von 2,8 bis 3,8 (vgl. Abb. 9). Doch kommt dieser Wert allein aufgrund der damals vorherrschenden Ausbreitungsgeschwindigkeit zustande? Wie bereits zuvor dargelegt, wurden genau zu dieser Zeit die Testkapazitäten massiv ausgebaut.
Zur Erinnerung: Bis einschließlich der 10. Kalenderwoche 2020 wurden insgesamt 69.184 PCR-Tests durchgeführt. Allein in der 11. Kalenderwoche waren es dann bereits 128.008 und in der 12. Kalenderwoche sogar 374.534 durchgeführte PCR-Tests.
Von der elften zur zwölften Kalenderwoche 2020 wurden die durchgeführten Tests somit verdreifacht. Das führt dann dazu, dass mehr Personen mit Infektionen festgestellt werden konnten, für die in den Wochen zuvor noch kein Test hätte angeboten werden können.
Ein deutlicher Anteil des damals hohen R-Wertes liegt daher sehr wahrscheinlich in der Tatsache begründet, dass die Testkapazitäten so massiv ausgebaut wurden. Mit den vorliegenden Zahlen ist deshalb davon auszugehen, dass der R0-Wert unter der vom RKI angegebenen Spanne von 2,8-3,8 liegt.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.