Wehrhafte Demokratie oder Überwachungsstaat: Wohin steuert die Republik?
Kampf gegen Rechts oder Instrumentarium gegen jede Opposition? Der Plan von Bundesinnenministerin Faeser ist flexibel. Sind Grundrechte in Gefahr?
"Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen." – Auch Sätze wie diesen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung ihres 13-Punkte-Plans unter dem Motto "Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen" in dieser Woche gesagt.
Kampfansage gegen Rechtsextremismus mit Kleingedrucktem
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit den Chefs des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, und des Bundeskriminalamts, Holger Münch, stellte Faeser ein Maßnahmenpaket vor, das sich auf den zweiten Blick keineswegs nur gegen Rassisten, Antisemiten und sonstige Rechtsextremisten richten kann.
Scharfes Schwert des Staates: Berufsverbote als Waffe
Neben Maßnahmen wie der Verschärfung des Waffenrechts und der Stilllegung von Konten "wenn wir Anhaltspunkte dafür haben, dass mit solchen Geldern illegale Dinge finanziert werden oder Dinge finanziert werden, um die demokratische Grundordnung zu unterbinden", so Faeser, wird auch angekündigt, "Verfassungsfeinde" schneller aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen.
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"Das langwierige Disziplinarklageverfahren, mit dem der Dienstherr statusrelevante Disziplinarmaßnahmen vor Gericht beantragen musste, entfällt", heißt es im Plan des Bundesinnenministeriums unter Punkt 7.
Theorie und Praxis: Wen trifft die Verschärfung?
Die entsprechende Reform des Disziplinarrechts soll zum 1. April 2024 in Kraft treten und dann "konsequent angewendet werden". Dabei soll auch der "Phänomenbereich der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates" mit einbezogen werden. Es geht also erklärtermaßen nicht nur um Rechtsextremismus.
Während die Verschärfung des Waffenrechts kaum Linke treffen wird, weil Waffenbesitzer hauptsächlich im rechten Lager zu finden sind, waren Berufsverbotsopfer bisher überwiegend Mitglieder linker Gruppen, Parteien und Organisationen.
Linke im Fadenkreuz: Erfahrungen und aktuelle Bedenken
In Bayern verhinderte der Verfassungsschutz gerade erst die Anstellung des linken Geoinformatikers Benjamin Ruß als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität München. Als Gründe dafür wurden kritische Äußerungen über das kapitalistische Wirtschaftssystem und seine Mitgliedschaft in der Roten Hilfe genannt. Dagegen klagt er nun mit Unterstützung seiner Gewerkschaft ver.di.
Der "Radikalenerlass", auf den die Berufsverbote zurückgingen, war unter anderem mit den Anschlägen der "Roten Armee Fraktion" (RAF) in den 1970er-Jahren begründet worden – und damit, dass deren Sympathisanten zum Beispiel nicht als Lehrer geeignet seien. Betroffen waren dann aber besonders Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), die RAF-Praktiken immer kritisiert hatte.
Verfassungsschutz: Bock oder Gärtner?
Solche Zeitzeugen sahen daher Faesers jetziges Vorhaben, das schon im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien angekündigt wurde, von Anfang an kritisch. Auch mit Blick auf die Rolle des Verfassungsschutzes, der immer noch Personal beschäftigen dürfte, das an der Vertuschung des NSU-Skandals beteiligt war.
Wie damals wird der rechtlich völlig unbestimmte Begriff "Verfassungsfeind" verwendet. Ausgerechnet der tief in die rechte Szene verstrickte Inlandsgeheimdienst soll vorschlagen dürfen, wer als "Verfassungsfeind" angesehen und entsprechend behandelt werden soll.
Klaus Lipps, Berufsverbotsbetroffener aus Baden-Württemberg und ehemals Mitglied der DKP, zur Ankündigung im Koalitionsvertrag 2021
Delegitimierung des Staates: Eine neue Kategorie
Der Begriff "verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" wurde im Zusammenhang mit den Protesten gegen staatliche Corona-Maßnahmen eingeführt und tauchte erstmals im Jahresbericht des BfV für 2021 als eigene Kategorie auf.
Bei der Vorstellung dieses Berichts durch Faeser und Haldenwang wurde damals betont, dass die "Delegitimierer" zum Teil politisch noch nicht so genau wüssten, wo sie hinwollten, und "thematisch flexibel" seien. Haldenwang versicherte damals aber auf Nachfrage, sein dienstliches Interesse gelte nicht jeglicher Regierungskritik.
Früherkennungseinheit und Einreiseverbote
Weitere Maßnahmen aus dem Plan, der laut Überschrift der Bekämpfung des Rechtsextremismus dienen soll: Eine "Früherkennungseinheit" der Bundesregierung zu ausländischen Manipulations- und Einflusskampagnen wird laut Faeser "hoffentlich in wenigen Monaten" ihre Arbeit aufnehmen.
Außerdem arbeitet ihr Ministerium gemeinsam mit den betreffenden Behörden daran, "Ein- und Ausreisen von Rechtsextremisten so weit wie rechtlich möglich zu verhindern".
Es wird sich zeigen, für wen dies in der Praxis hauptsächlich gilt – die in Bayern gerne praktizierte Präventivhaft wurde mit Verweis auf islamistische Gefährder und mögliche Terroranschläge eingeführt – und dann vor allem gegen "Klimakleber" verhängt.