Weltstatus mit der Brechstange?

Seite 5: Können Europa und Deutschland dem Tiger Paroli bieten?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Gehen die in Europa stagnierenden Ausgaben für Forschung und Entwicklung so weiter, dann wird Europa bis 2010 von China überholt", sagt Janez Potocnik, Chef der Kommission. Deutschland wurde bereits abgehängt. "Wir müssen aufpassen, sonst verlieren wir den Anschluss", warnt Potocnik.

Wird in Europa noch diskutiert, wird anderorts schon geforscht. In Israel etwa fließen laut OECD 4,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts in Forschung und Entwicklung - Weltrekord. Bis 2010 sollen die Mittel für die Forschung auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU erhöht werden. Die Kommission erwartet, dass so 400.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Wirtschaft der EU könne zusätzlich um 0,5 Prozent wachsen.

Potocnik beklagte, der Mangel an Geld treibe Forscher aus Europa. „Es gibt immer weniger Investitionen aus multinationalen Firmen, es gibt keine attraktiven Laufbahnen für Forscher und wir haben immer noch kein stimulierendes Finanzumfeld für neue Technologien“, sagte der Kommissar. „Die besten Talente gehen ins Ausland, die meisten Doktoranden bleiben nach einem Studium in den USA gleich dort.“ Die neuen Forschungsinvestitionen gehen vor allem in die asiatischen Staaten China, Taiwan, Hongkong und Singapur.

Hochrangige Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft präsentierten deshalb am 15. und 16. Januar 2007 vor 1500 Gästen in Bonn das weltweit größte Programm in der Forschungsförderung. Bundesforschungsministerin Annette Schavan und EU-Forschungskommissar Janez Potocnik eröffneten die zweitägige Veranstaltung. Das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm, mit über 54 Mrd. € für sieben Jahre einer der größten Posten des EU-Haushaltes, legt die Forschungsausgaben der EU für den Zeitraum 2007-2013 fest. Damit stellt die Europäische Union rund 60 Prozent mehr Geld für Forschungsprojekte zur Verfügung als in der Zeit des 6. Rahmenprogramms (2002 bis 2006). Ziele und Projekte sind heiß umkämpft. Der Ausschuss musste über mehr als 1.200 Änderungsanträge abstimmen.

Will man das Ziel, Amerika und Asien an Innovationskraft zu überflügeln, bis 2010 erreichen, wie es die Staatschefs der Gemeinschaft vor fünf Jahren in Lissabon beschlossen haben, ist Eile geboten. Jeder dritte Forschungs-Euro wird im Wirtschaftssektor für den Kraftfahrzeugbau ausgegeben. Jeder vierte Forscher in den Unternehmen ist im oder für den Automobilbau tätig. Die deutsche Wirtschaft trägt etwa 70 Prozent der Forschungsfinanzierung, weit mehr als in den meisten europäischen Ländern. In den vergangenen Jahren ist der Anteil der Wirtschaft wegen der Finanzprobleme des Staates gestiegen. Ob Deutschland auch weiterhin zur Weltspitze bei Forschung und Entwicklung gehört, ist nicht nur eine Frage des Geldes. Wirtschaft und Wissenschaft sind bei uns immer noch viel zu sehr voneinander abgeschottet. Die Verzahnung von beiden muss deshalb vorangetrieben werden. Deutschland braucht eine forschere Forschungspolitik. Ziel der Aktivitäten ist es, aus Ideen schneller marktfähige und international konkurrenzfähige Produkte zu machen. Die Bundesregierung fördert daher besonders die Spitzenforschung und den wissenschaftlichen Nachwuchs. Für die Spitzenforschung stehen bis 2011 durch die so genannte Exzellenzinitiative 1,9 Milliarden Euro bereit. Zusätzlich benötigte Studienplätze sollen durch den „Hochschulpakt 2020“ entstehen. Auch hier beteiligt sich die Bundesregierung in einem ersten Schritt durch die Schaffung von 90.000 neuen Studienplätzen mit rund 1,3 Milliarden Euro. "Je höher die Innovationsdynamik, desto schwächer werde die deutsche Position." Zu diesem Ergebnis kommt die vorgestellte BCG-Studie "Innovationsstandort Deutschland - quo vadis?", für die mehr als 700.000 Patente in 17 Technologiefeldern untersucht wurden. "Statt den Wettbewerb zwischen den 16 Bundesländern zu fördern, sollte Deutschland besser mit geballter Kraft der Forscherkonkurrenz in den USA, Japan, Singapur und zunehmend auch in Indien die Stirn bieten", sagte BCG-Geschäftsführer Peter Strüven.

Allein in Singapur stieg die Zahl der in Forschung und Entwicklung Tätigen von 6,4 je 1.000 Gesamtbeschäftigte auf 10,8. Zum Vergleich: In der EU liegt der Durchschnitt bei 10,7 FuE - Beschäftigte je 1.000 Gesamtbeschäftigte. Die fortschreitende Globalisierung verschärft den strukturellen Nachteil Deutschlands zusätzlich, der aus veralteten Forschungsfeldern und dem bremsenden Einfluss der Föderalismusreform entsteht. In Zukunft ist vor allem mit China zu rechnen. Bereits 2013 wird voraussichtlich die Volksrepublik auf dem deutschen Ausgabenniveau sein. Die Globalisierung lässt auch für die Entwicklung Europas und unserem Land viele Fragen unbeantwortet. Die Zukunft bleibt spannend!