Weltstatus mit der Brechstange?

Seite 3: Jagd auf Spitzenfoscher

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Fünf große Institute sind in der Biopolis zusammengefasst: für Bioinformatik, Genforschung, Bioingenieurwesen, Molekularbiologie und biologische Fertigungstechniken. In ihnen arbeiten momentan einhundert bis fünfhundert Mitarbeiter. Genforscher, Molekularbiologen, Bioinformatiker, Nanotechnologen, Chemiker, Physiker und Pharmaforscher - ein biomedizinischer Think Tank inmitten tropischer Parklandschaft. Kühl- und Gefrierräume, Zentrifugen, DANN-Sequenzierer (Stückpreis rund 250.000 Euro), hochauflösende Mikroskope, bildgebende Verfahren - hier bleibt kein Wunsch offen. Alle Geräte sind neu und vom Feinsten. Spezialisierte Techniker sorgen sich um deren ständige Einsatzbereitschaft. Eine neuartige Gewebebank mit Genproben von Krebskranken aus ganz Asien und eine Gendatenbank mit dem Erbgut gesunder Menschen sind im Entstehen. Gespart wurde hier nirgends.

Wohnungen und Hochsicherheitslabors, Fitnessräume und Massagesalons, Restaurants, Bars und Cafés, sowie mehrere große Konferenzräume bieten dem Personal und Gästen eine gelungene Symbiose aus Arbeit, Kommunikation und Entspannung. Sogar die Toiletten scheinen nicht von dieser Welt. Modern designte Glaswaschbecken und wasserfreie Urinale, mit Bedienanleitung auf Englisch, Mandarin und Malayisch verblüffen ihre Nutzer. Riesige stählerne Pusteblumen verneigen sich vor den Wissenstempeln, metallische Nachbildungen von Virusproteinen widerspiegeln die Welt der Molekularbiologie, vielfältige Skulpturen, allerlei tropische Pflanzen und Palmen verleihen dem Campus ein anziehendes Gesicht. 300 Millionen US - Dollar ließ Singapurs Regierung sich das Projekt kosten. In den kommenden Jahren will sie insgesamt sogar drei Milliarden US-Dollar in die Biotechnologie investieren. Eine Menge, wenn man bedenkt, dass der Stadtstaat gerade mal etwa 4,5 Millionen Einwohner hat. Zum Vergleich: Berlin brachte dagegen für sein BioRegio-Projekt in fünf Jahren gerade mal 90 Millionen Euro zusammen.

Auch für die Unterbringung der Kinder ist gesorgt.

Wir können es uns nicht leisten, Frauen für 500.000 Singapur-Dollar auszubilden und sie dann nicht arbeiten zu lassen, wenn sie Mütter werden wollen. Das kann vielleicht ein reiches Land wie Deutschland tun. Wir dürfen darüber hinaus auch keine Insel bleiben, wir müssen eine globale Stadt werden, um all die Ressourcen und Reichtümer der Welt zu uns zu holen und sie zu unserem Nutzen einsetzen.

Philip Yeo

Der Gründervater der Biopolis ist Philip Yeo. Nachdem er sich mit der Vermarktung vielfältigster Waffensysteme befasste, stieg der agile Chinese in das Geschäft mit der Petrochemie in Singapur ein. Auch hier verharrte er nicht lange und hob das Projekt Biopolis aus der Taufe. Weil Singapur mit der Forschung Neuland betrat, musste Yeo weltweit nach Arbeitskräften fahnden. Ihm fehlen Spitzenforscher, sagt er: „ Also gehe ich auf die Jagd nach Spitzenforschern, was durchaus einer Elefantenjagd gleichkommt.“ Die Gehälter spielen bei Yeos Anwerbeversuchen nur eine untergeordnete Rolle, sie entsprechen etwa dem, was auch in den USA gezahlt wird. Der Leiter der staatlichen Forschungsbehörde A* Star ködert die Forscher einfach mit den hervorragenden Arbeitsbedingungen in der Biopolis und meint: „Wissenschaftler sind Primadonnen, aber solche mit guten Ideen. Die benötigen wir. Leider muss ich sie im Ausland suchen, d. h. ich muss sie mir von dort ausborgen. Meine Maxime lautet: 50% der Forscher sollen vorerst aus Singapur und 50% aus dem Ausland kommen. Insgesamt liegt der Ausländeranteil beim wissenschaftlichen Personal derzeit noch bei 70 Prozent. Dieses Verhältnis muss sich aber in den kommenden Jahren eindeutig zu den einheimischen Fachkräften verlagern“. Die Schüler und Studenten auf dem Poster, das Philip Yeo in seinem Arbeitszimmer aufbewahrt, zeigt die klügsten Köpfe Südostasiens. Sie kommen aus Indien, China, Vietnam, Kambodscha oder Malaysia. Mit millionenschweren Stipendienprogrammen schickt Singapur sie nach Harvard, Cambridge oder Stanford - und bietet gleichzeitig garantierte Arbeitsplätze für die Rückkehrer. Schon profitiert Singapur seit kurzem von heimkehrender Intelligenz, aus Brain Drain - dem Verlust geistiger Kapazität - wurde inzwischen ein Brain Gain.

Den Weißkitteln wird förmlich der rote Teppich ausgerollt: Skeptiker in Sachen Tierversuche und Gentechnologie sind kaum zu hören, die ethischen Standards sind niedrig aber nicht unkontrolliert, und Geld scheint massenhaft vorhanden zu sein. „Unser Ziel ist es“, so Dr. Andre Wan von A* Star, „hier ein Zentrum für biomedizinische Forschung aufzubauen, das weltweit Anerkennung findet. Es soll ein Platz werden, wo Spitzenkräfte aus aller Welt zusammen mit unseren hiesigen Wissenschaftlern große wissenschaftliche Entdeckungen machen und diese auch kommerziell umsetzen“. Auch Yeo hat überhaupt nichts dagegen, wenn Firmen hier ihre Forschungsergebnisse selbst vermarkten.

Eine eigenwillige Konstellation sorgt in Singapur für wissenschaftsfreundliche Bedingungen: eine Art Staatsinterventionismus. Es ist die politische und wirtschaftliche Macht der Familie von Regierungs - Chef Lee Hsien Loong, die die Forschung vorantreibt. Lee ist mit Ho Ching verheiratet, der Chefin von Temasek, einer Staatsholding, die sieben der zehn größten Unternehmen in Singapur kontrolliert. Biopolis ist dabei eines der Projekte, die von Temasek verwaltet werden.

Ab Juni 2004 haben über 50 private als auch staatliche Forschungsinstitute ihre Arbeit aufgenommen. Ein bedeutsames Schwergewicht ist das Novartis Institute for tropical Diseases (NITD), das am 5.Juli 2004 als privat - öffentliche Kooperation zwischen Norvatis und dem EDB seine Labore bezog. Das NITD vereint das beste Know-how aus Industrie und akademischer Forschung mit Technologie und starken wissenschaftlichen Netzwerken. Den Vorsitz hat Prof. Paul Herrling, der auch Vorsitzender von Corporate Research Novartis ist. Der Schweizer Pharma-Konzern will mit seinem Non-Profit-Institut die Vorreiterrolle in Südsostasien übernehmen. Novartis hat sich verpflichtet, alle entstehenden Produkte zum Selbstkostenpreis in der Dritten Welt zu vertreiben.

200 Mitarbeiter aus 18 Nationen suchen am NITD nach neuen Medikamenten gegen vier Krankheiten: Das Dengue - Fieber, Malaria, Lepra und die arzneimittelresistente Tuberkulose. Die Voraussetzungen dazu sind hervorragend: optimale wissenschaftliche Infrastruktur, wie Kernspintomographie und DANN-Sequenzierung. In der Medikamentenforschung, die von Target Discovery über Testentwicklung bis zur Wirkstoffoptimierung reicht, kommen modernste Technologien zur Anwendung. Ein hochkarätig besetztes Beratergremium, indem auch Nobelpreisträger nicht fehlen, unterstützt die Arbeiten. Da Dengue und Tuberkulose in Malaysia und Indonesien, also in der Nachbarschaft Singapurs, gehäuft vorkommen, vereinigt der Stadtstaat eigentlich beides: Einen Forschungsstandort mit höchstem Standard, und die unmittelbare Nähe zu den Patienten. Diese Kombination ist ziemlich einmalig und ermöglicht effektivste Laborforschung.

Ein weiteres Beispiel für die Dynamik des Forschungsparks ist das Institut für Bio- und Nanotechnologie. Auch hier dasselbe Bild. Blitzende Flure, modernste Labors. Die Institutsleiterin Jackie Ying ist unter 40 und war die jüngste MIT-Professorin (Massachusetts Institute of Technology) aller Zeiten. Vor knapp einem Jahr wurde sie zum Mitglied der deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina ernannt. Über 50 Patente hat ihr Institut bereits angemeldet.

Die Arbeitsbedingungen sind als traumhaft zu bezeichnen - aber auch im Paradies für Bioforscher gibt es Regeln. Die Einhaltung vorgeschriebener Standards, etwa bei Tierversuchen, bei der Speicherung von Genomdaten oder der Gewinnung embryonaler Stammzellen unterliegen ständiger Kontrolle. Biopolis ist also kein rechtsfreier Raum für die „Glücksritter“ der Szene. Es gibt klare Regeln, die teils aber weniger einengend sind als in Deutschland. In Singapur ist die Forschung mit embryonalen Stammzellen gestattet, sofern sie von abgetriebenen Föten stammen oder von tiefgefrorenen Embryonen, die nach einer künstlichen Befruchtung oft übrig bleiben. Erlaubt ist auch das therapeutische Klonen, bei dem mit Hilfe der Eizelle einer Frau maßgeschneiderte Embryostammzellen für einen Kranken hergestellt werden können. Verboten wurde jedoch das reproduktive Klonen zur Erzeugung von Menschenduplikaten. Singapur ist das einzige Land in der Welt, das Gesetzesverstöße in diesem Forschungsbereich mit bis zu zehn Jahren Gefängnis ahndet. So hat man hier, problembewusst und pragmatisch zugleich, einen Weg gefunden, mit dem die Gegner und Befürworter der Stammzellforschung vorerst leben können.

Ein großes soziokulturelles Experiment

Weltstatus mit der Brechstange? Die entscheidende Frage lautet: Kann sich Singapur, wie es nicht nur „Nature“ vorsichtig fragt, mit Forschungsmilliarden Weltstatus erkaufen? Oder ist der brachiale Kraftakt schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt?

Die Biopolis stellt ein großes soziokulturelles Experiment dar. Niemand weiß, ob sich Erfolg und Kreativität erzwingen lassen. Der Staat und die Wirtschaft unternehmen alle Anstrengungen, dass es, zusammen mit den Lehren aus der Asienkrise, zu einer Erfolgsstory wird. Schätzungen des Marktvolumens für Biotechfirmen gehen momentan von 100 bis 500 Milliarden Euro aus - allerdings gilt das erst für den Zeitraum von 2010 bis 2015. Wie Singapur nun im internationalen Wettbewerb bestehen wird, ist ungewiss. Allerdings sind viele der Schwierigkeiten, mit denen es zu kämpfen hat, symptomatisch für die weltweite Situation der Biotech-Branche.

Arbeitskräftemangel und unsichere Rahmenbedingungen durch die weltweite Stammzellen-Debatte gefährden den Aufwind der Branche. Schwankende Aktienkurse und sinkende Investitionsbereitschaft von Kapitalgebern lassen keine eindeutigen Zukunftsaussagen zu. Trotzdem schauen Biostrategen, selbst aus der Forschungshochburg Amerika, bewundernd und neidvoll nach Singapur. So ließ vor drei Jahren eine Studie der National Science Foundation die akademische Welt in den USA aufhorchen, denn Singapur überraschte durch sein enormes Entwicklungstempo. „Die USA verliert ihre Dominanz in den Wissenschaften“, schrieb die New York Times. Als Beleg für diesen Trend wurden die rückläufigen Wissenschaftsveröffentlichungen aus den USA gewertet - und die stark steigenden Zahlen im asiatischen Raum.

Eine Delegation von britischen Wissenschaftlern kehrte im September 2004 tief beeindruckt von einer „bewusstseinserweiternden“ Tournee durch die Stammzell - Labore Asiens zurück. In Maryland, wo Genriesen wie Celera Genomics und Human Genome Sciences ihren Sitz haben, ist Matt Gardner Direktor der regionalen Biotechnologievereinigung. Ein „Start aus dem Nichts“ sei das Projekt der Biopolis, aber so durchdacht und finanziell gepolstert, dass es kaum schief gehen könne, meinte er.

Auch Deutschland beginnt zaghaft seine Fühler zur Forschungsmetropole auszustrecken. Zwei Beispiele dazu: „Singapur gehört für Baden - Württemberg zu den Schwerpunktregionen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, die wir in den nächsten Jahren sukzessive ausbauen werden, wie dies bereits in den Gesprächen zwischen Ministerpräsident Günther H. Oettinger und Premierminister Lee anlässlich dessen Deutschlandbesuch im Dezember 2005 angeregt worden war“, so Wissenschaftsminister Prof. Dr. Peter Frankenberg.

Am 28. April 2006 eröffnete BASF das erste Forschungszentrum für Nanotechnologie in Asien. Bis zum Jahr 2008 sollen 13 Millionen Euro in das neue Zentrum in Singapur fließen. Das neue Kompetenzzentrum der BASF wird 20 Mitarbeiter beschäftigen: hauptsächlich Wissenschaftler und Labortechniker. Sie werden sich auf die Modifikation von nanostrukturierten Oberflächen konzentrieren, die zum Beispiel eine Lösung für das Problem des Biofoulings bieten könnten. Biofouling auf Schiffsrümpfen und andere Belagsbildungen durch Organismen unter maritimen Bedingungen sind sowohl ein umwelt- als auch wirtschaftlich relevantes Thema.

Wenn sich junge, sehr attraktive Frauen, auf ihrem Oberarm die Doppelhelix tätowieren lassen und von Werbeheften herunterfragen, ob man seine brennende Leidenschaft für die Wissenschaft gemeinsam mit ihnen auf den Höhepunkt bringen will, so sind auch die vor Begeisterung geröteten Kinderwangen in renommierten Universitäten, wo sich Professoren nicht zu schade sind, dem Nachwuchs die Naturwissenschaft fasslich nahe zu bringen, eine logische Schlussfolgerung. Einem jugendlichen Typ mit Sonnenbrille wird gar das bekannte Zitat von Martin Luther King in den Mund gelegt: „I had a dream!“ Für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich geht es bei dem coolen Plakatidol dann so weiter, dass er unbedingt Wissenschaftler werden wollte und dies dank der Regierung auch geschafft hat. Da sind die Singapore Management University, die Nationaluniversität und die Nanyang Technische Universität - immerhin zu den 50 führenden Hochschulen der Welt gehörend – nur ein weiteres Indiz für den begonnenen Aufbruch in das Wissenschaftszeitalter. Nahe der Biopolis wächst schon der nächste, rund 170 Millionen Euro teuere Forschungstempel in den Himmel. Fusionopolis soll ein „Epizentrum“ der Informations-, Kommunikations- und Medien-Branche werden. Hier sollen neue Ideen aus der Kooperation von Informatikern, Ingenieuren, Medienleuten und Biomedizinern entstehen. Gleich Biopolis ist Fusionopolis Bestandteil des Masterplanes One-North. Nach Fertigstellung Ende 2007 sollen hier 3000 Mitarbeiter einen der „aufregendsten und sprühendsten Orte“ der IT- und Medienindustrie mit Leben erfüllen.

Wie beurteilen in Singapur forschende Ausländer die Situation?

„Man kann nicht eine Wissenschaftskultur, wie sie in Europa oder den USA seit Jahrhunderten existiert, aus dem Nichts entwickeln“, sagt Axel Ullrich, der deutsche Forscher vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried. Mit den Angehörigen des Lee-Clans sollte man durchaus vorsichtigen Umgang pflegen, ansonsten könnte man seine Koffer packen

Andererseits standen ihm fünf Millionen Euro parat, dazu schnelle Maschinen und gute Mitarbeiter; denn eine Forschung basiert nicht nur auf Intellekt und Instinkt, sondern auch auf Fleiß. Umfangreiche Erbgutanalysen konnten nur mit Hilfe von Robotern erledigt werden. Fleißige Einheimische bereiteten die Proben in aufwendiger Arbeit für die Analysen vor, so dass Ullrich einschätzte, dass ihm zehnmal so viele Kapazitäten wie in Deutschland zur Verfügung standen. Doch nicht alle Vorstellungen von der idealen Forscherwelt Ostasiens haben sich bestätigt. Auch hier wiehert der Amtsschimmel, weil man mit seiner Hilfe gedenkt, die Korruption erfolgreich bekämpfen zu können.

Der sprichwörtliche Fleiß und die stereotype Freundlichkeit der Asiaten können zum Problem werden. Negatives bleibt ungesagt, Fehlschläge bei der Arbeit erfahren keine kritische Auswertung, niemand will sein Gesicht verlieren. In der wissenschaftlichen Arbeit kann das schnell zu Mehrarbeit, Fehlern und Zeitverzögerung führen. Die Kultur des Kopfnickens muss mittels ständiger Kontrolle bei gleichzeitigem Vertrauen zum richtigen Zeitpunkt durchbrochen werden. Die Asiaten empfinden das direkte offene Wort der Europäer als eine Form der Unhöflichkeit, so dass manche Tätigkeit zum Geduldsspiel werden kann. Die Wand des permanent undurchsichtigen Lächelns ist oft nur schwer zu durchdringen. Ein weiteres Aushängeschild der Biopolis ist unzweifelhaft Alan Colman mit seiner Firma ES Cell International. Schließlich hat Colman mit Dolly-Erschaffer Ian Wilmut genmanipulierte Klonschafe erzeugt und bezeichnete das Forschungsklima immer als „ausgesprochen angenehm und produktiv“. Anne Bendt, eine deutsche Biologin, ist ein „Post-Doc“ und hätte auch in die USA gehen können. Sie entschied sich aber für Singapur, weil es hier richtig abgeht, wie sie feststellte. Der Schweizer Biophysiker Markus Wenk gehört zu einem der Spitzenwissenschaftler auf dem Gebiet der Lipid-Forschung; er kam von der US - Eliteuniversität Yale zur Biopolis. Die Strukturen im Westen seien zementiert und die Professoren fest etabliert. Hier herrschen dagegen Aufbruch und Dynamik, so seine Meinung.

Sabine Daugelat vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie Berlin erforschte mit einer kleinen Arbeitsgruppe den Erreger der Tuberkulose und war mitverantwortlich für eines der modernsten Hochsicherheitslabors der Republik. Sie tauschte ihren Arbeitsplatz mit dem Institut für Molekularbiologie, das eine Reputation weit über Asien hinaus verdient, denn es führte die Genomsequenzierung des Kugelfisches an, die gebührend in "Science" gefeiert wurde. An dem Projekt arbeitete auch der Nobelpreisträger für Medizin Sydney Brenner mit, der außerdem an der Konzipierung der Biopolis beteiligt war.

„Die Alles-ist-möglich-Mentalität der Singapurer hat mich vom ersten Tag an beeindruckt“, sagt Daugelat an ihrem Arbeitsplatz im Chromos - Gebäude. „Hier bekommt man ein richtiges Wirtschaftswundergefühl“, so die Wissenschaftlerin. Die Biologin ist nach wie vor von den ihr gebotenen Möglichkeiten begeistert. Deutschland hätte ihr dieses Umfeld nicht bieten können, wie sie meint.

Yoshiaki Ito, der vor der Pensionierung steht, lässt wissen, dass die Biopolis "einen prall gefüllten Talente-Pool, leistungsfähige Forschungseinrichtungen und eine großzügige Finanzierung bietet". Der Krebsforscher war, wie das Wissenschaftsmagazin "Science" berichtete, in Japan an einer staatlichen Universität tätig und hätte dort wegen der strengen Pensionsgrenze aufhören müssen. Er wurde von japanischen Privatuniversitäten umworben, doch er entschied sich für Singapur, weil dort mit einem Schlag auch alle Umzugswilligen unter seinen Mitarbeitern eingestellt wurden. Zehn von vierzehn gingen mit, nach nur drei Monaten Transferzeit war die Gruppe in Singapur wieder am Forschen.

Prof. Paul Herrling, Leiter der Unternehmensforschung von Novartis bringt die Entwicklung Singapurs auf den Punkt, wenn er feststellt, dass die zurückgelegte Wegstrecke der Biopolis eine gute Chance zum Erreichen der ehrgeizigen Ziele bietet. Die Dynamik Singapurs wird für die Zukunft der Forschungsstandorte in Europa zur echten Herausforderung. In Europa hat an vielen Orten leider die Motivation zur wissenschaftlichen Exzellenz und die Motivation von jungen Leuten überhaupt wissenschaftlich tätig zu sein, nachgelassen. Dagegen sind die jungen Asiaten in der gesamten Region viel motivierter, in solche Gebiete einzusteigen. Daraus werde für die Europäer eine starke Konkurrenz erwachsen.

Der britische Krebsforscher Sir David Lane, der 1979 das Protein p53 entdeckte, das in gesunden Zellen die Tumorbildung unterdrückt, fasste seine Meinung in die Worte: Für seine Vorstellungen, wie Wissenschaft wirtschaftlich wird, finde er in Singapur stets ein offenes Ohr und es würde schnell und effizient entschieden, in seiner Heimat jedoch nicht. Die Wissenschaftler sind hier keinen Angriffen wie in Europa und in den USA ausgesetzt, wenn man nur mal an die Kontroversen um gentechnisch veränderte Pflanzen oder die Stammzellenforschung denkt. Das Ministerium für Trade und Industry kontrolliert schon, was die Forscher tun und es wird auch ein gewinnbringendes Ergebnis erwartet.

Die „Gastarbeiter“ der Biopolis sind sich in ihrer Meinung nahezu einig: Man meint es ernst, mit dem Vorstoß zur wissenschaftlichen Weltspitze. Ist auch aus westlicher Sicht fehlende Pressefreiheit, das eigentümliche Demokratieverständnis und die allgegenwärtige Bevormundung der Bürger zu kritisieren, so ist die Bevölkerung doch mit ihrem Leben zufrieden und zieht mit den Regierenden an einem Strang, wenn es gilt, ehrgeizige Projekte im Sinne aller zum Erfolg zu führen.

Reichlich Stoff zum Nachdenken, wenn man die Erfahrungen der ausländischen Forscher zusammenfasst. Die Dynamik, die man in Südostasien erlebt, ist nicht nur faszinierend, sie kann einem auch ein wenig Angst machen. Warm anziehen, kann es da für Deutschland nur heißen!