Westsahara: "Neokoloniale Wende in der deutschen Außenpolitik"

Seite 3: Unterschied zu Marokkos Position: "Nur in Nuancen" - Energiepolitik sticht alles

So kündigte die Außenministerin nach dem Rabat-Besuch eine intensivere Zusammenarbeit in Fragen der Energieversorgung und Sicherheitspolitik an.

Marokko sei ein "enorm wichtiger Partner" für Deutschland, sagte Baerbock. Zur Westsahara-Frage erklärte sie, dass es nur "in Nuancen Unterschiede" zwischen Deutschland und Marokko gebe.

Dass es bei der Annäherung nicht nur um die illegale Ausbeutung reicher Fischgründe und den reichen Phosphatvorkommen auch in der Westsahara geht, macht Baerbock deutlich.

Sie bestätigte die Einschätzung, über die Telepolis bereits berichtet hatte, dass "völkerrechtliche Prinzipien billig für grünen Wasserstoff verkauft werden" sollen. Bei der Herstellung und dem Export von grünem Wasserstoff für die Energiewende wollen Rabat und Berlin nun stärker kooperieren.

Insgesamt kommt Dagdelen angesichts der Vorgänge zu der folgenden Einschätzung: Der Ampel geht es einzig darum, Energie über Marokko beziehen zu können, weil man sich mit dem Wirtschaftskrieg gegen Russland selbst in eine prekäre Lage gebracht hat und keiner in der Bundesregierung offensichtlich weiß, woher Deutschland in den nächsten Jahren genügend preiswerte Energie beziehen kann.

Das "Wasserstoff-Märchen"

Allerdings lässt auch sie dabei außer Acht, dass der Öffentlichkeit gern ein Wasserstoff-Märchen erzählt wird. Denn bestenfalls kann über Wasserstoff nur langfristig ein kleiner Teil der Energieversorgung unter enormem Kapitalaufwand abgedeckt werden. Es ist ein Märchen, dass Wasserstoff ein Ersatz für Erdgas sein könnte.

Längst ist klar, dass die Gas-Infrastruktur nicht für Wasserstoff-Transporte nutzbar ist. Sie müsste komplett neu aufgebaut werden. Die Technik ist dafür weder ausgereift oder erprobt.

Recht offen erklärt die Bundesregierung auf die letzte Frage von Dagdelen, dass man sich dafür einsetze, "Erzeugungspotential für grünen Wasserstoff" zu erschließen.

Aufgrund der Nähe Marokkos zu Europa, seiner fortschrittlichen Energiepolitik und der großen Potentiale in diesem Bereich strebt die Bundesregierung eine langfristige und verlässliche Zusammenarbeit an.

So verwundert es nicht, wenn Dagdelen erklärt:

Man muss leider von einer neokolonialen Wende in der deutschen Außenpolitik sprechen. Das Selbstbestimmungsrecht des sahaurischen Volkes wird mit Füßen getreten.

Die Linken-Abgeordnete resümiert deshalb:

Mit ihrem Kuschelkurs und einer privilegierten Politik gegenüber König Mohammed VI. verstetigt die Ampel-Regierung die illegale Besatzung Marokkos auf Kosten der Saharauis. Die Wende gegen völkerrechtliche Prinzipien kommt bei der Grünen-Außenministerin Baerbock nicht überraschend, die sich ja gerne auf das internationale Recht beruft, wenn es ihr nützt, aber jetzt die Bevölkerung in der Westsahara in den Abgrund stürzt.

Es ist skandalös, wie die Bundesregierung das Selbstbestimmungsrecht des sahraurischen Volkes mit Füßen tritt, indem sie sich nun einseitig auf die Seite des marokkanischen Königshauses stellt.

Sevim Dagdelen

Debattiert wird über das Thema ausgiebig am 2. und 3. Dezember in Berlin. Dort findet die 46. Europäische Konferenz zur Unterstützung und Solidarität mit dem saharauischen Volk (Eucoco) statt. Es ist das wichtigste jährliche Treffen der Europäischen Solidaritätsbewegung mit den Saharauis, das seit 45 Jahren ununterbrochen in wechselnden Städten stattfindet.

Die Eucoco ist eine Plattform für Reflexion, Analyse und Koordinierung konkreter Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit voranzubringen.