Wie Viktor Orbán zum Klimaschützer geworden ist
Studien weisen auf die umweltschädlichen Folgen von Aufrüstung hin. Der Widerspruch ist offensichtlich. Auch mit Blick nach Budapest und Moskau.
2023 verzeichnete die Nato Militärausgaben in Höhe von 1,34 Billionen US-Dollar – ein Anstieg von 126 Milliarden US-Dollar im Vergleich zum Vorjahr. Der Bericht "Climate Crossfire" wirft ein Licht auf die Folgen dieser Ausgaben für das Klima.
Hauptkritikpunkt: Die Erhöhung der Militärausgaben führe zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen, entziehe der Klimapolitik dringend benötigte finanzielle Mittel und festige den Waffenhandel, der in Zeiten des Klimawandels zur Destabilisierung beiträgt.
Die Forschungsergebnisse legen dar, dass die Nato-Ausgaben 2023 zu einer geschätzten Emission von 233 Millionen metrischen Tonnen CO2-Äquivalent führten – mehr als die jährlichen Treibhausgasemissionen von Ländern wie Kolumbien oder Katar.
Die Ausgabensteigerung allein würde für zusätzliche 31 Millionen metrische Tonnen CO2-Äquivalent sorgen, vergleichbar mit den jährlichen Emissionen von etwa 6,7 Millionen durchschnittlichen US-Autos.
Zwei-Prozent-Ziel in der Kritik
Die Nato-Forderung, dass Mitgliedsländer mindestens zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung ausgeben sollen, trägt laut Bericht zur Klimakrise bei. Sollten alle Nato-Mitglieder dieses Ziel erreichen, würde das bis 2028 zu einem kollektiven militärischen CO2-Fußabdruck von zwei Milliarden Tonnen führen – mehr als die jährlichen Treibhausgasemissionen von Russland.
USA als größter Militärausgaben- und Emissionsverursacher
Die USA stehen an der Spitze der Militärausgaben innerhalb der Nato und sind damit auch der größte Verursacher von Emissionen, gefolgt von Großbritannien, Deutschland, Frankreich und anderen. Dabei ist das US-Militär bereits der weltweit größte institutionelle Emittent von Treibhausgasen.
Herausforderung der Dekarbonisierung
Die Nato bezeichnet den Klimawandel als eine der "definierenden Herausforderungen unserer Zeit" und hat sich zum Ziel gesetzt, den Klimawandel zu bekämpfen.
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Allerdings erhöht sie weiterhin ihre Emissionen, anstatt sie zu reduzieren. Dies liegt vor allem daran, dass die gestiegenen Militärausgaben größtenteils in Ausrüstung fließen, die immer noch stark von fossilen Brennstoffen abhängig ist.
Rüstungsindustrie als Gewinner
Die Rüstungsindustrie scheint als einziger wahrer Gewinner aus der Situation hervorzugehen. Mit verschiedenen Initiativen, wie dem Defence Production Action Plan, dem Nato Innovation Fund und dem Defence Innovation Accelerator for the North Atlantic (DIANA), fördert die Nato aktiv die Rüstungsindustrie. Diese Pläne versprechen den Waffenfirmen Rekordgewinne in den kommenden Jahren.
Militarisierte Welt und Klimagerechtigkeit
Die Autoren des Berichts warnen davor, dass die gestiegenen Militärausgaben zu einer zunehmend militarisierten Welt in Zeiten des Klimawandels führen werden. Dies könne Kriege und Konflikte befeuern und die Auswirkungen auf durch den Klimawandel bereits verwundbare Menschen verschärfen.
In diesem Kontext bildet der Bericht eine Grundlage für Diskussionen über die Rolle der NATO-Ausgaben im Kontext der Klimakrise und fordert eine Neuausrichtung der Prioritäten, die den Klimaschutz in den Vordergrund stellt.
Konsumverzicht statt Rüstungsabbau?
Es gibt viele Vorschläge, die auf eine Änderung des Konsumverhaltens der Mehrheit der Bevölkerung abzielen. Dazu gehört die Reduzierung des Fleischkonsums, da die Tierhaltung den C0-Gehalt erhöht. In diese Kategorie gehören auch die vielen Vorschläge zur Änderung der Mobilität, wie z.B. die Reduzierung von Flug- und Autoreisen.
Damit soll keineswegs die Sinnhaftigkeit solcher Vorschläge infrage gestellt werden. Auffällig ist aber, dass nicht mit der gleichen Vehemenz diskutiert wird, wie der Klimakiller Rüstung und Militär reduziert werden kann.
Der Grund für diese Zurückhaltung dürfte nicht überraschen. Rüstungsabbau passt politisch nicht in eine Zeit, in der der Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine genutzt wird, um Deutschland noch kriegsfähiger zu machen.
Kanonen statt Butter
Nach den letzten Haushaltsverhandlungen der Regierungskoalition war zu beobachten, dass viele unzufrieden waren, weil nicht noch mehr Geld für Rüstung locker gemacht wurde. Es wurde schon davon gesprochen, dass bei der Rüstung nachgebessert werden müsse. Im gleichen Koalitionsvertrag wurden weitere Verschärfungen für Bürgergeldbezieher beschlossen, dass schon von einer Rückkehr von Hartz IV gesprochen wird.
Klimakiller Nato
Auf globaler Ebene kann die Nato wie alle anderen Militärbündnisse und Armeen als Klimakiller bezeichnet werden. Die Autoren der Studie haben diesen Zusammenhang klar benannt. Schließlich schreiben sie im Vorwort ihrer aktuellen Ausgabe:
Wenn die NATO im Juli 2024 auf ihrem Gipfel in Washington D.C. ihr 75-jähriges Bestehen feiert, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das mächtigste Militärbündnis der Welt auf das Klima haben wird. Unsere Untersuchungen zeigen, dass Militärausgaben die Treibhausgasemissionen erhöhen, wichtige Finanzmittel von Klimaschutzmaßnahmen abziehen und einen Waffenhandel festigen, der bei einem Zusammenbruch des Klimas zu Instabilität führt.
Krieg gegen die Natur
Nun ist die klimaschädliche Rolle von Militär und Rüstung auch ohne Kenntnis der Cross-Fire-Studien nicht unbekannt. Immer wieder wurde darauf hingewiesen.
Der Naturwissenschaftler Knut Krusewitz hat schon vor über 40 Jahren zum Krieg gegen die Natur publiziert.
Es ist daher bemerkenswert, dass Rüstung und Militär nicht stärker im Fokus der Klimagerechtigkeitsbewegung stehen. Es gab in den letzten Jahren einige Versuche der Zusammenarbeit zwischen antimilitaristischen Gruppen und Klimaaktivisten, aber der Erfolg ist überschaubar.
Die Propaganda für die Kriegsfähigkeit Deutschlands scheint auch hier zu wirken. Kein Wunder. Erst in den letzten Tagen konnten wir wieder beobachten, mit welcher Verve die Nato-Freunde aller Parteien gegen Bemühungen vorgehen, den Krieg zwischen Russland und der Ukraine durch Verhandlungen zumindest einzufrieren.
Es ist beschämend, dass der rechtskonservative ungarische Ministerpräsident hier den Vorreiter macht. Beschämend aber nicht für Viktor Orbán, sondern für die Regierungsvertreter der EU-Länder.