Wie man eine Finanzkrise auf die Bevölkerung eines gebeutelten Landes abwälzt

Seite 2: 3. Die EZB hat diese Situation nicht entschärft, sondern schlimmer gemacht. Sie ist nicht "unpolitisch", sondern parteilich zum Vorteil der Finanzmärkte und der großen Exportnationen

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Wenn Staaten in solche Refinanzierungsschwierigkeiten geraten, hilft ihnen normalerweise ihre Zentralbank aus. Sie "leiht" der Regierung Geld, das die Regierung nicht zurückzahlen muss, indem sie die Geldmenge erhöht. Diese Funktion nennt man "lender of last resort", und jede wichtige Zentralbank der Welt kann sie erfüllen - außer der EZB. Als einzige Zentralbank ist es ihr untersagt, Staaten direkt zu finanzieren.

Diese Ausnahmesituation ist in erster Linie auf den Wunsch Deutschlands zurückzuführen, das bei der Aushandlung der EWU befürchtete, eine solche Regelung könnte zur Ausnutzung durch die Staaten Südeuropas führen. Deren Währungspolitik war zuvor auf eine höhere Inflationsrate und auf kompetitive Währungsabwertung ausgerichtet. Letzteres war unter dem Euro nicht mehr möglich, und ersteres hätte inflationäre Wirkungen auf die Eurozone übertragen - und damit die deutsche Niedriginflationspolitik gefährdet, mit der die deutsche Wirtschaftspolitik niedrige Produktionskosten, niedrige Löhne und hohe Außenhandelsüberschüsse erzeugte.6

Dass die Inflationsziele der EZB de facto fast der der Bundesbank entsprachen, ist also in erster Linie als Versuch zu interpretieren, die südeuropäischen Länder zu "disziplinieren" und sie unter Regeln zu unterwerfen, die einzig für das politökonomische Modell Deutschlands vorteilhaft waren. Die katastrophalen Folgen dieses institutionellen Arrangements zeigten sich, als die peripheren Staaten in Finanzierungsschwierigkeiten gerieten - und anders als die Banken, die sich bei der EZB zu historisch niedrigen Zinsraten leicht mit Liquidität versorgen konnten, für ihre Refinanzierung absolut von den Finanzmärkten abhängig waren, und zwar zu einer Zeit, in der an genau diesen Finanzmärkten Panik, Misstrauen, und gegen Staaten gerichtete Spekulation vorherrschten. Allein der institutionelle Bias der EZB, die alles tat, um die europäischen Banken liquide zu halten, aber keinerlei Handhabe (und auch keinen politischen Willen) hatte, die Staatshaushalte zu unterstützen, dürfte einiges dazu beigetragen haben, dass sich die Finanzkrise in eine "Staatsschuldenkrise" verwandeln konnte.