"Wir haben noch keine Waffenlager gefunden"

Kaum überraschend bot der "Zwischenbericht" der amerikanischen Waffensucher keine neuen Beweise - blamiert ist nicht nur die US-Regierung samt Vasallen, sondern auch diejenigen, die monatelang vor dem Krieg von einer noch möglichen friedlichen Lösung säuselten

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Noch vor einiger Zeit hatte David Kay, Leiter der 1.200 Kopf starken Iraq Survey Group, angekündigt, bei der Vorlage seines Berichts sollten man nicht durch Überraschungen überrascht werden (Ankündigung von Überraschungen und andere eindeutige Vieldeutigkeiten). Das Endergebnis des als vorläufig bezeichneten Berichts erwies sich nun doch ganz erwartungsgemäß: Trotz aufwändiger und teurer Suche im mit 150.000 US-Soldaten besetzten und daher frei zugänglichen Irak wurden keine wirklichen Hinweise auf die Existenz von Massenvernichtungswaffen gefunden. Wie etwa auch der ehemalige Chef der UN-Waffeninspektoren Hans Blix vermutet, dürften die Massenvernichtungswaffen vom Hussein-Regime bereits weitgehend nach der Niederlage im ersten Krieg 1991 vernichtet worden sein.

Laborausstattung aus einer Moschee. Kay gibt allerdings in seinem Bericht keine Erklärung dafür, was diese Gegenstände in Verbindung mit Entwicklung von Massenvernichtungswaffen bringt

Für die US-Regierung heißt dies nun endgültig, sie mag sich herausreden, wie sie will, dass die von ihr gegebene Begründung für die Notwendigkeit eines Irak-Kriegs haltlos und daher erlogen war. Dass Bush dem bereits kurz nach dem 11.9. geplanten Regimewechsel im Irak durch Invasion, die günstige Gelegenheit ausnutzend (Bush gegen Hussein, II. Akt?), über die Behauptung, dass der Irak weiterhin Massenvernichtungswaffen habe und entwickle sowie in engen Beziehungen zu al-Qaida stünde, nur den Mantel einer Legitimation verschaffen wollte, hätte schon damals jeder vermuten können. Spätestens aber dann, als die Bush-Regierung den Krieg eigenmächtig durchsetzte und deutlich machte, dass sie an einer weiteren Aufklärung der UN-Inspektoren gar nicht interessiert war (Von Wahrheit und Lüge). Mehr Zeit hätte nur für Bush und Co. unerwünschte Ergebnisse gebracht.

Nun ist also nicht nur die Bush-Regierung als Lügnerin entlarvt, sondern auch die Regierungen, die aus egoistischen Gründen sich hinter diese stellten. Letztlich aber ist der Bericht auch für die Regierungen (und Medienvertreter) beschämend, die während der ganzen Zeit - aus welchen strategischen Gründen auch immer heraus - so taten, als wäre ein friedliche Lösung noch möglich. Nein, sie war nicht möglich, sollte nicht sein. Viele Menschen haben dieses Spiel auf der Bühne der Weltpolitik durchschaut oder zumindest geahnt. Die Willigkeit, mit der in Politik und in den Massenmedien, auch in Deutschland, oft genug mitgespielt wurde, hat den Zynismus und die Skepsis gegenüber der Politik und gegenüber den Medien sicherlich ein gutes Stück verstärkt (Aufruhr um Verschwörungstheorien).

Sicher, noch versucht David Kay die Regierung ein wenig zu schützen, indem er das Ergebnis als vorläufig hinstellt und kräftig mit reichlich spekulativen Verdachtsmomenten anfüllt. Es müsse noch viel getan werden, alles ist vorläufig, alles, kurz gesagt, soll noch möglich bleiben. Die Zeit lässt womöglich den Mantel des Vergessens über die ganze Angelegenheit fallen. Das wäre vermutlich auch, wenn nicht doch in den USA Wahlkampf wäre. Verzweifelt versuchen Präsident Bush und die Seinen die wenigen angebotenen Spuren aufzubauschen, um der Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass Hussein irgendwie doch noch im Besitz von Massenvernichtungswaffen oder zumindest damit beschäftig war, solche zu entwickeln, also dass er für die USA und die Welt eine Gefahr darstellte. Nun geht es nicht mehr um die Existenz der Waffen, sondern um die angebliche Intention des Hussein-Regimes, solche entwickeln zu wollen, wie Außenminister Powell eilfertig versichert ("This was a regime that was determined ... to have the capability to develop chemical, biological and nuclear weapons if allowed to do so."), dessen Rede vor der UN sich allerdings ganz anderes angehört hatte.

This interim progress report is not final. Extensive work remains to be done on his biological, chemical and nuclear weapons programs. But these findings already make clear that Saddam Hussein actively deceived the international community, that Saddam Hussein was in clear violation of United Nations Security Council Resolution 1441, and that Saddam Hussein was a danger to the world.

US-Präsident Bush am 3. 10.2003
Absichtlich verbrannte Dokumente. Plünderer sollen systematisch wichtige Hinweise auf Programme zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen nach dem Sieg zerstört haben

Ob die von Kay entdeckten Hinweise auf mögliche Pläne irgendwann Massenvernichtungswaffen zu entwickeln - darauf reduziert sich der Bericht letztlich -, tatsächlich wirkliche Beweise sind, darüber dürfte sich endlos streiten lassen ("substantial evidence of an intent of senior-level Iraqi officials, including Saddam, to continue production at some future point in time of weapons of mass destruction"). Übrig bleibt vermutlich der Vorwurf, das Hussein-Regime habe manches vor den Inspektoren verborgen oder im verlangten Waffenbericht nicht aufgeführt, was allerdings nicht den Krieg und auch nicht die vorzeitige Beendigung der UN-Inspektionen auf Druck der USA rechtfertigen dürfte, sondern eher im Gegenteil demonstriert, dass die UN-Kontrollen wichtig und auch erfolgreich gewesen waren. Und die Behauptung, dass man in dem riesigen Land möglicherweise die Waffen, die versteckt oder noch schnell vernichtet worden seien, nur nicht finden könne, wird jetzt auch nicht richtiger als zu der Zeit, als Rumsfeld und Co, wohlwissend um die Lage ihrer Beweise, schon vorbauten, um das Fehlen der Waffen zu erklären (Rumsfeld und der Gottesbeweis).

Interessant aber ist auch, was Kay vom Kongress fordert, nämlich just dasselbe, das auch die UN-Waffeninspektoren vor dem Krieg verlangt hatten: Mehr Zeit! Kay will sechs bis neun Monate länger und für weitere 600 Millionen Dollar den Irak nach Massenvernichtungswaffen durchsuchen, obgleich die Wahrscheinlichkeit gleich Null ist, dass noch etwas Entscheidendes gefunden werden kann, abgesehen davon, dass der noch immer untergetauchte Hussein sicherlich weiterhin Waffen entwickeln lassen wollte, wohl aber keine Massenvernichtungswaffen. Und kostengünstiger war zudem die amerikanische Suche auch nicht als die der UN-Inspektoren. Immerhin haben die 1.200 Mann in drei Monaten mit einem Budget von 300 Millionen Dollar auch nicht mehr gefunden als die UN-Inspektoren. Und warum, wie Kay in seinem Bericht auch behauptet, nach dem Sturz des Hussein-Regimes Plünderer "in einer systematischen und wohlüberlegten Weise mit dem klaren Ziel, Aktivitäten des Saddam-Regimes in der Zeit vor Operation Iraqi Freedom zu verbergen" versucht haben sollen, dürfte wohl sein Geheimnis bleiben. Übrigens blieb auch in Afghanistan die Suche nach Massenvernichtungswaffen in Händen von al-Qaida vergebens - aber das wurde schon in Vorbereitung des Irak-Kriegs vergessen (Im Krieg gegen die Wahrheit).