Wir lassen Computer verschwinden

Philips-Designchef Jack Mama über wearable computing, wearable electronics und einen gewichtigen Unterschied

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Jack Mama ist seit 1995 creative director bei der Designabteilung von Philips. Er hat Industriedesign am britischen Royal College of Art studiert und später dort gelehrt. Seit drei Jahren ist er creative director des "Wearable Electronics" Projekts bei Philips, dessen erstes Produkt eine mit Levi's entwickelte Jacke mit integriertem Handy und MP3 Player im vergangenen Jahr auf den Markt kam (Mode bleibt tragbar, alles andere soll sich ändern).

Levi's ICD

Gerade bei wearable computing wird gern das Klischee bemüht, Technologie kolonialisiere andere Lebenswelten. Was Technologie ist, bleibt dabei ungeklärt. Ihre Definition?

Jack Mama: Technologie ist jede Art, unsere Fähigkeiten, unser Wissen und unser Verstehen der Umwelt zu erweitern.

Ist wearable computing also keine Expansion von Technologie in den Alltag, sondern das Ersetzen einer Technologie durch die andere?

Jack Mama: Schon. Wir versuchen mit wearables die sozialen, kulturellen, emotionalen und physischen Bedürfnisse von Menschen anzusprechen. Also schaffen wir auf den Menschen fokussierte Lösungen für verschiedene Aspekte des Lebens.

Wie macht man so etwas?

Jack Mama: Wir versuchen, in allen Stufen des Entwicklungsprozesses Disziplinen zu integrieren, die normalerweise nichts mit Design zu tun haben. Also zum Beispiel Psychologie, Anthropologie, Soziologie und so weiter. Das leitet sich vom Anspruch ab, auf den Menschen fokussierte Lösungen zu schaffen. Um diese Komplexität der Anforderungen zu bewältigen, arbeiten wir mit Experten zusammen, die in ihren Fachgebieten mit den disziplinspezifischen wissenschaftlichen Methoden Erkenntnisse sammeln.

Nur weil man einen Computer anzieht, ist er nicht auf den Menschen fokussiert. Da braucht es ein neues Interface.

Jack Mama: Ja. Wir wollen da die Sprache von Kleidung verwenden. Wir versuchen, das Ritual des Anziehens zu verstehen, um daraus neue, intuitive Formen für die Interaktion zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln.

Die Tage des Desktops als zentrale Metapher des Umgangs mit Computern sind gezählt?

Jack Mama: Das kann ich so nicht sagen. Ich denke, die Tage des Computers an sich sind gezählt. Er wird sich in unterschiedlichste Geräte auflösen und weiterentwickeln. Bei Philips Design sprechen wir bewusst nie von wearable computing, sondern von wearable electronics. Unser Ansatz ist nämlich der, Computer in anthropologisch bedeutenderen Dingen verschwinden zu lassen. Kleidung ist da nur eine Anwendung. Andere Bereiche könnten Möbel oder Transportsysteme sein.

Keine Anziehcomputer?

Jack Mama: Noch mal: Unser Ziel ist es nicht, Computer tragbar zu machen, sondern sie verschwinden zu lassen und die Funktionen und Vorzüge ihrer Technologie in menschlicheren Formen unterzubringen.

Die Entwicklung einer Technologie bedeutet also irgendwann immer ihr Verschwinden?

Jack Mama: Sieht so aus.

Ist die Folge dessen nicht, dass eine im Alltag verschwundene Technologie bald nicht mehr als etwas Wandelbares, sondern als quasi Naturgesetzliches wahrgenommen wird? Was ja eine recht bedenklich Entwicklung wäre.

Jack Mama: Das ist schwer zu beantworten. Ich kann nur sagen, dass Technologie auf einem bestimmten Entwicklungsniveau immer auch ethisch zu verhandeln ist. Das ist heute so und wird in Zukunft noch eher so sein. Mein Ziel ist es, Lebensqualität zu erhöhen. Und da fängt es an: Was ist Lebensqualität?

Und, was ist Lebensqualität?

Jack Mama: Eine Technologie, die sich an den Menschen anpasst, ihn im Alltag unterstützt, ohne aufzufallen.

Klingt bekannt. Verwenden Sie wearable computing in einer Form?

Jack Mama: Nein.

Und bei welcher Anwendung könnten sie sich das vorstellen?

Jack Mama: Wir haben nur mit Kommunikation und Unterhaltung begonnen. Aber da wird noch einiges kommen.