Wo arbeiten Russland und der Westen noch zusammen?

Seite 2: Kernbrennstoff-Importe und Handel mit Russland gehen weiter

Und obwohl sich die USA erfolgreich von russischen fossilen Brennstoffen losgesagt haben, zahlen sie weiterhin jährlich Milliarden von Dollar für Kernbrennstoff und andere nukleare Energieassistenz an Russland – 2022 war Russland der wichtigste Lieferant von angereichertem Uran an die USA.

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat der US-Senat versucht, Gesetzesentwürfe für ein Verbot von russischem Uran einzubringen, und ein entsprechender Gesetzesentwurf des Repräsentantenhauses wurde im Dezember 2023 verabschiedet. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz im Senat verabschiedet wird, und es wird Jahre dauern, es umzusetzen.

Auch der nicht energiebezogene Handel zwischen westlichen Ländern und Russland wird trotz der Sanktionen in erheblichem Umfang aufrechterhalten. Zwar haben viele westliche Unternehmen Russland nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine verlassen, viele aber auch nicht.

Andere, wie Volkswagen und Renault, verkauften ihre Vermögenswerte in Russland gegen eine geringe Gebühr, allerdings mit Rückkaufklauseln, die ihnen eine Rückkehr ermöglichen könnten.

Rudimentärer Kommunikationskanal nach Kuba-Krise weiter intakt

Trotz der Spannungen, die größtenteils auf den Konflikt in der Ukraine zurückzuführen sind, hat Russland weiterhin eine aktive Rolle in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gespielt. Die jüngsten Ereignisse deuten darauf hin, dass die harte diplomatische Linie gegenüber Russland ins Wanken gerät.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow durfte nach der Verhängung von Sanktionen gegen ihn im Jahr 2022 kein EU-Land mehr besuchen, und ihm wurde im selben Jahr der Zugang zum Luftraum der Balkanstaaten verweigert, um nach Serbien zu reisen.

Im September 2023 durfte Lawrows Flugzeug jedoch den griechischen Luftraum durchqueren und in Nordmazedonien zu einem OSZE-Treffen landen. Die jüngsten Neuwahlen der niederländischen und der slowakischen Regierung deuten zudem darauf hin, dass einige westliche Länder immer weniger Lust haben, eine starre Haltung gegenüber Russland einzunehmen.

Die USA und Russland haben auch versucht, offene Kommunikationslinien aufrechtzuerhalten, um potenziell katastrophale militärische Unfälle zu vermeiden. Die 1963 nach der Kubakrise eingerichtete Hotline zwischen Moskau und Washington wurde 2015 durch einen rudimentären Kommunikationskanal ergänzt, um einen militärischen Konflikt in Syrien zu vermeiden, als die russischen Streitkräfte in dem Jahr in das Land einmarschierten.

Informelle Treffen zu Ukraine

Und im März 2022 wurde eine Deeskalations-Hotline für die Ukraine eingerichtet, die bisher einmal im November 2022 genutzt wurde.

Informelle Gespräche zwischen Russland und den USA sind ebenfalls bekannt geworden. Im Juli 2023 hieß es, dass ehemalige hochrangige US-Sicherheitsbeamte in New York geheime Gespräche mit russischen Beamten, darunter Sergej Lawrow, geführt hatten, um ein Ende des Krieges in der Ukraine auszuhandeln.

Diese informellen diplomatischen Gespräche sollen mindestens zweimal im Monat stattgefunden haben, oft online. US-Vertreter bestritten, dass sie jemals stattgefunden haben.

Und trotz der erhöhten militärischen Aktivitäten in der Arktis, die durch den Konflikt in der Ukraine ausgelöst wurden, gibt es Optimismus, dass die Nationen die entscheidende Bedeutung der Umweltkooperation in der Region erkennen. Das wurde deutlich, als Russland Gastgeber des 13. Treffens des Arktischen Rates im Mai 2023 in der Stadt Salechard war.

Droht neues nukleares Wettrüsten?

Das derzeitige Niveau der Zusammenarbeit ist weit entfernt von den 1990er-Jahren, als neben einer verstärkten Zusammenarbeit und einem intensiveren Dialog in verschiedenen Bereichen innerhalb eines Jahrzehnts 80 Prozent der strategischen Atomwaffen der Welt abgebaut wurden.

Zwar sind seither viele Wege der Zusammenarbeit weggebrochen, doch die ISS kreist weiter, in der Kernenergiewirtschaft wird in einigen Bereichen weiter kooperiert und die angespannten Kommunikationswege bleiben offen.

Doch Russlands Taten, vor allem sein Einmarsch in die Ukraine, und Moskaus Misstrauen gegenüber dem Westen werfen einen Schatten auf die optimistischeren Aussichten. Bestehende Nuklearabkommen werden auf Eis gelegt oder ignoriert, und wenn der New-Start-Vertrag 2026 ausläuft, könnte das zu einem neuen nuklearen Wettrüsten führen und andere Waffenverträge gefährden.

Russlands wachsende Beziehungen zu "Schurkenstaaten" wie dem Iran und Nordkorea verstärken auch seine Fähigkeit, die vom Westen geführte Weltordnung zu destabilisieren, während Russlands aufkeimende Beziehungen zu China die Isolation des Westens ausgeglichen haben.

Der Spagat

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kämpfen Washington und die westliche Welt um den Spagat, Russlands Einfluss anzuerkennen, es zur Rechenschaft zu ziehen und gleichzeitig die globalen Sicherheitsinteressen zu wahren.

Die zunächst ernsthafte und dann sporadische Zusammenarbeit zwischen Moskau und dem US-geführten Westen ist zu einer zunehmend feindseligen Politik zurückgekehrt, die mit den schlimmsten Tagen des Kalten Krieges konkurriert. Die Fähigkeit Russlands, die globale Stabilität sowohl zu untergraben als auch zu ihr beizutragen, bedeutet jedoch, dass man es nicht einfach beiseiteschieben kann.

Trotz der unterschiedlichen Kapazitäten ist der Umgang mit Russland auf der internationalen Bühne für westliche Entscheidungsträger ein dynamischer Prozess.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit der Medienplattform Globetrotter. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.

John P. Ruehl ist ein australisch-amerikanischer Journalist, der in Washington D.C. lebt. Er ist Redakteur bei Strategic Policy und schreibt für verschiedene andere außenpolitische Publikationen. Sein Buch "Budget Superpower: How Russia Challenges the West with an Economy Smaller than Texas" wurde im Dezember 2022 veröffentlicht.