Zehn Vorschläge zur Abschaffung des deutschen Pazifismus
Seite 4: (8) Staatsbischöfe zur Assistenz anhalten
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Aufgeklärte Menschen wissen selbstredend, dass Religion mit einem modernen Weltbild nicht mehr vereinbar ist. Wir haben stattdessen die Metaphysik der Geldvermehrung, und diese hat das gesellschaftliche Leben und die Köpfe der Menschen tiefer durchdrungen als es etwa die katholische Verkirchlichung ganzer Landschaften je vermocht hat. Gleichwohl, auch ein moderner Staat ist gut beraten, sich für die Unwägbarkeiten des Weltenlaufes sakrale Sinnstifter und Dienstleister zu unterhalten. Auf welchen Sektoren die alten Kirchen sich als Wertelieferanten betätigen können, lässt sich soziologisch ganz rational erhellen.
Insbesondere kann man von den Kirchen erwarten, dass sie beim Paradigmenwechsel in der Militärpolitik sich nicht nur des öffentlichkeitswirksamen Widerspruchs enthalten, sondern aktiv einen Beitrag zur Stützung des neuen Kurses und zur Begleitung der weniger erfreulichen Seiten leisten. Im Kölner Dom, der ja eigentlich ein Nationalheiligtum ist, könnte man jährlich Soldatengottesdienste im alten abendländischen Ritus – samt Weihrauch – abhalten. Sinnvoll wären Predigten, in denen die jeweils aktuell vorgegebene Militärdoktrin in eine freundliche pastorale Sprache übersetzt wird. Auch eine seelsorgerliche Beruhigung, der zufolge "die Waffe in betenden Händen vor Missbrauch geschützt ist", könnte hilfreich sein (die gewählte Formulierung ist vielleicht heute etwas missverständlich oder zu zweideutig).
Ein evangelischer Bischof könnte bei einem Auslandsaufenthalt persönlich die Abendmahlsfeier mit bewaffneten Soldaten um den Altar abhalten und darauf hinweisen, dass es den Christen im Kreuz ja aufgegeben wird, alle Widersprüche und die nun einmal unabänderliche Tragik des Irdischen auszuhalten. Es ist auch mit Kriegseinsätzen zu rechnen, die mehr als zehn Jahre dauern, und hier wäre eine transzendente Sinnstiftungskompetenz besonders gefragt. Bei der Resakralisierung von soldatischen Begräbnissen und Ehrungen könnte man den Seelsorgern allerdings zugestehen, Begriffe wie "Held" oder "Opfer" mit zeitgemäßen Interpretationen zu vermitteln.
Nicht zuletzt hat der Staat einen Anspruch auf solche loyalen Dienstleistungen, denn er finanziert den Kirchen ja schließlich einen riesigen Sektor der Militärseelsorge und besoldet die leitenden Staatsbischöfe beider Konfessionen aus Steuergeldern mit Monatsgehältern von 8.000 Euro aufwärts. Auch bei den staatlich dotierten Theologieprofessoren an deutschen Fakultäten ist aus gleichem Grund Loyalität vorauszusetzen. In exegetischen oder religionsphilosophischen Fachbeiträgen sollen die Theologen ruhig einige pazifistische Momente einfließen lassen, ansonsten aber gehört die konkrete Politik nur dann zu ihrem Thema, wenn sie auch konstruktive metaphysische Unterstützungsleistungen erbringen können. Es gibt nun zwar unter den freischaffenden Mitgliedern dieses Berufsstandes noch notorische Anti-Kriegs-Hetzer wie Eugen Drewermann, aber solche Exoten werden bald schon sehr alte Leute sein.
(9) Folter für Whistleblower
Jeder Realist wird einsehen, dass Kriege da, wo sie gekämpft werden, nicht so sauber sein können wie die veröffentlichten Gefechtsregeln. Und jeder Realist weiß auch, dass man den Soldaten, die im Ernstfall schließlich ihren Kopf hinhalten, etwas bieten muss. Ohne Abenteuer, Spannung usw. keine Motivation. Im Irak zum Beispiel haben US-Soldaten vom Hubschrauber aus irrtümlich Jagd auf Menschen gemacht, auf die die vorgegebene Definition "Feind" gar nicht zutraf. So etwas kann immer mal passieren, man kennt das doch von militärischen Computerspielen (Folge: Punkteabzug). Schließlich hätten es aber doch Feinde sein können, das lässt sich kaum leugnen. Solche Vorfälle muss man nicht an die große Glocke hängen, denn dann bekommen es auch viele mit, die von den komplexen Zusammenhängen militärischer Aktivitäten einfach keine Ahnung haben.
Im besagten Fall hat aber jemand eine Videoaufzeichnung des Einsatzes, in dem sogar die ganz privaten Kommentare der Soldaten zu dem Geschehen enthalten waren, aus dem Militär herausgeschmuggelt. Seitdem kann sich jeder – ohne Rücksicht auf die Intimsphäre der Beteiligten – die Aufzeichnung im Internet ansehen. In diesen Fall hat man in den USA gottlob den dringend tatverdächtigen, illoyalen Soldaten ausfindig gemacht und in Einzelhaft genommen. Im Grunde kann man solchen Leuten nur durch Folter beikommen, was im Übrigen auch potentielle Nachahmer abschrecken würde. Das sollte man bei uns rechtlich festlegen.
Im besagten Fall ist es den Kriegsgegnern glücklicherweise nicht gelungen, einen dauerhaften Heldenkult zu etablieren (kaum, dass man den Namen des betreffenden US-Soldaten noch behalten hat). Gefährlicher sind vielleicht auch kollektive Enthüllungsaktivitäten, bei denen – sofern keine Neurotiker beteiligt sind – die Namen aller Beteiligten niemals in Erscheinung treten. Die in manchen Städten diskutierten Pläne, ein "Denkmal für den unbekannten Aufklärer" im öffentlichen Raum zu errichten, sind natürlich unter keinen Umständen zu genehmigen. Hier geht es um nichts anderes als um die Billigung von oder die Ermutigung zu Straftaten.
Von den USA können wir überhaupt viel lernen. Zum Rechtsschutz für Soldaten sollten wir eine eigene Gerichtsbarkeit innerhalb der Strukturen des Militärs einführen. Wenn etwa ein deutscher Militär im Rahmen einer nicht ganz durchsichtigen Informationslage mutig und entscheidungsfreudig einen Militäreinsatz anordnet, bei dem dann leider 12, 50 oder 100 Zivilisten ihr Leben darbringen, gehört das nicht vor zivile Gerichte. Dort ist immer mal damit zu rechnen, dass zufällig ein Richter den Vorsitz führt, der mit der Rechtsmaterie eines modernen Militärwesens noch nicht vertraut ist oder aufgrund einer allzu kleinlichen Interpretation des Grundgesetzes völkerrechtliche Bestimmungen wie nationales Recht behandelt. So etwas kann auf die Angehörigen des Heeres, bei denen es sich doch durchweg um "Menschen mit hohen ethischen Maßstäben" und Kameradschaftsgeist handelt, nur demoralisierend wirken.
(10) Wir sollten Saudi-Arabien mit Panzern und Maschinengewehrlizenzen stärken
Weltpolitisch leben wir in schweren Zeiten. In der arabischen Welt wollen die Menschen jetzt gewählte und vom Volk kontrollierte Regierungen (dagegen kann man auf dem Boden der westlichen Wertegemeinschaft schwerlich etwas sagen). Allerdings ist die Welle von Aufruhr dort beunruhigend und muss ganz länderspezifisch und differenziert betrachtet werden. Wir haben in der arabischen Region berechtigte und sehr vitale Interessen. Wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, könnten wir leicht das Nachsehen haben.
An dieser Stelle muss die Politik mutig sein und sich auch für Maßnahmen aufopfern, die man unter veralteten Wertvorstellungen früher vielleicht als kriminell bezeichnet hätte. Das Königreich Saudi-Arabien ist uns immer ein guter Freund gewesen und ein wichtiger Ordnungsfaktor in der Region, der allzu forsche Umwälzungen, die nicht in unserem Interesse sind, zähmen könnte. In unseren Beziehungen zu Saudi-Arabien haben wir stets unter Beweis gestellt, wie differenziert unser Blick auf gewachsene kulturelle Eigenarten und Normen sein kann (wir selbst hatten über sehr viele Jahrhunderte feudalistische Regierungsformen und brauchen deshalb nicht überheblich zu sein). Das befreundete Königshaus in Saudi-Arabien könnte man angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen mit der Lieferung von deutschen Qualitätspanzern unterstützen, die mit speziellen Vorrichtungen zur Bekämpfung von Volksaufständen ausgestattet sind. Für die entsprechenden Aufgaben sind auch Sturmgewehre außerordentlich wichtig, und hier ist ein deutscher Hersteller Marktführer. Am bequemsten wäre es, wir ließen die modernen Kleinwaffen via Lizenz vor Ort selbst bauen, was ja auch eine außerordentlich vertrauensbildende Maßnahme hinsichtlich der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit darstellen würde. In den größeren Maßnahmenkatalog könnte man noch eine Kooperation mit deutschen oder europäischen Rüstungsherstellern vor Ort und auch eine Weitergabe unsere Fertigkeiten bei der Grenzsicherung durch deutsch-staatliches Fachpersonal in Saudi-Arabien aufnehmen.
Solche drastischen Maßnahmen verführen natürlich die parlamentarische Opposition, die jeweils mehr zufällig die Verantwortung der Durchführung nicht zu übernehmen braucht, leicht zu kritischen Bemerkungen. Hier sollte man seitens der Regierungsparteien am besten einen demütigen Christen die Beantwortung der offenen Fragen übernehmen lassen. Der könnte dann etwa in der folgenden Art im Bundestag zu einer Klärung mit geradezu historischen Dimensionen beitragen:
Wir haben die werteorientierte und interessengeleitete Außenpolitik. Es ist Aufgabe der Regierung, diesen Spannungsbogen zwischen Werten und Interessen auszuhalten. Wir gehen normalerweise davon aus, dass Werte und Interessen ein und dasselbe sind. Aber Politik hat nichts mit "Wünsch dir was" zu tun. Politik ist ein hartes Geschäft […]. Ich weiß auch, dass in dem Spannungsbogen der Verantwortung die Bundesregierung mit aller Kraft auf Saudi-Arabien einwirken wird. […] Unser Land ist das einzige Land in Europa, das seine Rüstungsexporte in klarer Weise offenlegt. […] Entscheidend ist auch, dass unsere Regierung den Spannungsbogen zwischen Werten und Interessen erkennt und aushält. […] Wir stehen in der Region, die unsere Unterstützung braucht, vor einem Paradigmenwechsel. Diese Unterstützung ist sowohl hinsichtlich der zivilen Krisenprävention als auch hinsichtlich der Nachbarschaftspolitik und der Lieferung von Rüstungsgütern ganz entscheidend.
Werte und Interessen müssen immer ausbalanciert werden, das weiß jedes Kind. Deutschland ist heute weltweit der drittwichtigste Exporteur von Kriegstechnologie und Rüstungsgütern, das verpflichtet. Trotz unserer im Grunde ja friedliebenden Gesinnung kann man uns doch nicht verwehren, Geld zu verdienen und Arbeitsplätze zu sichern (das sehen auch viele Gewerkschaftsfunktionäre aus den entsprechenden Industriezweigen ein). Die Regierung muss die nationalen Kriegsgüterproduzenten, die bei Auslandsgeschäften hohe Risiken eingehen, tatkräftig unterstützen. Ein regierungsamtlich gefördertes Unternehmen kann aber nicht Verantwortung für den letztendlichen Gebrauch oder Weitverkauf seiner Waren übernehmen. Auch mit einem Küchenmesser kann man unschöne Dinge anstellen, aber das ändert rein gar nichts am Qualitätsbewusstsein des Küchenmesserherstellers. Allein darauf kommt es an.
Genug für heute
Wir wollen es an dieser Stelle gut sein lassen. Noch viele Visionen und Taten wären zu ergänzen, mit denen man die Pazifisten sprachlos machen könnte, so dass sie dereinst einfach nicht mehr wissen, was man am Anti-Kriegs-Tag eigentlich noch sagen soll.
Wenn die Sprachlosen – darunter womöglich bürgerliche "Verfassungspatrioten" – dann freilich zu einem gewaltfreien Widerstand übergehen – gegen eine ihrer Ansicht nach verfassungszerstörende Entwicklung, dann hätten wir ein neues Problem.
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