Hat die traditionelle Apotheke noch eine Zukunft?
Digitalisierung, Onlinehandel und Monopolisierung scheinen unaufhaltsam auch das Gesundheitswesen und die Medikamentenversorgung zu übernehmen. Rabatte und Schnäppchen setzen sich immer mehr durch
In Deutschland gibt es derzeit neben den Krankenhausapotheken noch etwa 19.000 Apotheken, welche die Medikamentenversorgung auch in der Fläche sicherstellen. Bei vielen kann heute das vom Arzt erhaltene rosarote Rezept abfotografiert und per Mail oder apothekeneigenem Portal eingeschickt und reserviert werden. Mit der Verfügbarkeitsnachricht per Mail weiß der Kunde dann, wann er die Medikamente abholen kann und welche Zuzahlung er leisten muss. Im Bedarfsfall stellen die meisten Apotheken heute die bestellten Medikamente auch per Boten zu.
Die Tatsache, dass lokale Apotheken meist von mehreren Großhändlern beliefert werden, sorgt dafür dass auch seltener nachgefragte Medikamente meist binnen Stunden in der jeweiligen Apotheke verfügbar sind. Und falls es trotzdem zu einem Engpass bei einer bestimmten Packungsgröße oder Darreichungsform eines Medikamentes kommen, findet der Apotheker vor Ort zumeist ein verfügbare Alternative.
Die Apothekenlandschaft ist heute weiblich
Diese Aussage wird nur dadurch relativiert, dass die meisten Apotheker (>70 %) in Deutschland inzwischen weiblich sind. Wie der Schulunterricht wird die Vor-Ort-Apothekenlandschaft heute von Frauen dominiert. Männer mit pharmazeutischem Abschluss finden sich inzwischen seltener als selbständige Unternehmer, sondern eher in Verbänden, in der einschlägigen Industrie und der Politik.
Ein weiterer Punkt, der in der Öffentlichkeit ebenfalls weitgehend unbekannt ist, ist die Tatsache, dass die sogenannten Apothekenpreise, schon seit 16 Jahren nicht mehr existieren. Das Apothekenhonorar für rezeptpflichtige Arzneimittel wurde im Jahre 2004 deutlich gekappt. An die Stelle einer nur prozentualen Marge wurde ein kombiniertes Modell eingeführt, das nur noch 3 Prozent sowie ein Fixum von damals 8,10 Euro, derzeit 8,35 Euro beträgt.
Dieser Festzuschlag wird im Falle von Versicherten einer Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um einen Apothekenabschlag in Höhe von 1,77 € pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel reduziert. Medikamente unterliegen in Deutschland im Gegensatz zu Tierfutter übrigens dem vollen Mehrwertsteuersatz. In anderen EU-Mitgliedsstaaten gilt ein reduzierter Satz oder die vollständige MwSt.-Befreiung.
Das eRezept erleichtert den Online-Handel
Schon heute ist die Apothekenlandschaft in Deutschland stärker digitalisiert, als es der Normalkunde wahrnehmen mag. Jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel wird beispielsweise schon heute über securPharm über die gesamte Lieferkette bis zum Endverbraucher getrackt.
Ab dem Jahr 2022 wird dann das bekannte rosa Papierrezept in Deutschland durch das elektronische Rezept (E-Rezept) abgelöst. So hat es der Gesetzgeber im Patientendatenschutzgesetz (PDSG) festgelegt. Künftig werden ärztliche Verordnungen von verschreibungspflichtigen und apothekenpflichtigen Medikamenten digital erfolgen. In der Arztpraxis wird dann kein Rezept mehr ausgedruckt, sondern ein E-Rezept ausgestellt und verschlüsselt auf einem zentralen Speicher abgelegt.
Der Patient soll sich sein E-Rezept mit der E-Rezept-App auf seinem Smartphone ansehen und den Zugriffsschlüssel für das E-Rezept an die Apotheke seiner Wahl übermitteln, um dort sein E-Rezept einzulösen. Fehlerhafte Verordnungen, die in der Praxis gar nicht so selten vorkommen, wenn das Personal beispielsweise in der Zeile verrutscht, lassen sich vom Patienten dann nicht mehr so einfach überprüfen. Da stolpert dann höchstens die Apotheke vor Ort darüber, wenn sie weiß, welche Medikamente der jeweilige Patient üblicherweise verordnet bekommt.
Dass die E-Rezepte den Alltag von Patienten erleichtern und die Patientensicherheit erhöhen sollen, scheint bislang eher ein frommer Wunsch zu sein. Dass die E-Rezepte künftig in der kommenden elektronischen Patientenakte (ePA) gespeichert werden können, ist jetzt auch keine vertrauensbildende Maßnahme.
Etwa ab Jahresmitte 2021 soll das E-Rezeptes für verschreibungspflichtige Medikamente verfügbar sein und der Informationsaustausch zwischen Arzt, Patient, Apotheke und Krankenkasse dann komplett elektronisch erfolgen. Ob man damit auf Abrechnungsdienstleister wie das in die Insolvenz gerutschte Apothekenrechenzentrum AvP verzichten kann, die ebenfalls an der Marge der Apotheken knabbern, ist derzeit noch offen.
Kommt Amazon Pharmacy auch nach Deutschland ?
Die zunehmende Digitalisierung der medizinischen Kommunikation dürfte den Online-Apotheken das Leben deutlich erleichtern. Dass die digitale Infrastruktur für dieses Businessmodell optimiert werden dürfte, erkennt man aktuell nicht zuletzt an der Tatsache, die sie mit Hilfe von Unternehmen organisiert wird, die im Konzernverbund mit Versandapotheken arbeiten. Europäische Versandapotheken genießen im Vergleich zu deutschen Vor-Ort-Apotheken durchaus erhebliche wirtschaftliche Vorteile.
So gilt für die lokalen Apotheken der sogenannte Kontrahierungszwang, der Apotheken verpflichtet, jedes vorgelegte ärztliche Rezept in angemessener Zeit, in aller Regel unverzüglich, zu liefern. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird ein Medikament ja aus aktuellem Anlass benötigt.
In den USA ist jetzt vor wenigen Tagen der Apotheken-Ableger von Amazon an den Start gegangen. Das Geschäftsmodell von Amazon Pharmacy setzt auf schnell drehende Produkte, die in großen Mengen abgegeben werden und für die dann von den Herstellern auch hohe Rabatte von bis zu 80 Prozent gewährt werden.
Dies ist deutschen Apotheken nach derzeitiger Rechtslage nicht erlaubt, wohl aber einer im EU-Binnenmarkt angesiedelten Versandapotheke. Die Geschichte von Amazon zeigt, dass man etablierte Versandunternehmen übernehmen und mit der eigenen Infrastruktur verknüpfen kann. In Ballungsgebieten ist Amazon heute auch nicht mehr von Logistik-Unternehmen wie DHL oder Hermes abhängig, sondern baut dort einen eigenen Zustelldienst auf, der seine Kunden mit extrem kurzfristigen Expresslieferungen begeistert.