Verdeckte Propaganda
Während in Deutschland der Innenminister an der Pressefreiheit rüttelt, versucht die Bush-Regierung mit der Produktion von Nachrichten oder der gezielten Freigabe von Informationen die Öffentlichkeit zu täuschen und ist damit ins Schleudern geraten
Nicht nur in Deutschland hat die Regierung Schwierigkeiten mit der Presse und mit der Pressefreiheit. Noch-Bundesinnenminister Schily unterhöhlt die Pressefreiheit und hat eine Hausdurchsuchung bei dem Cicero-Journalisten Bruno Schirra unter der Anschuldigung der Beihilfe zum Geheimnisverrat durchgeführt. Schrirra hatte Informationen aus einem ihm zugespielten BKA-Bericht in einem Artikel über al-Sarkawi verwendet. Schily will so die undichte Stelle herausfinden und bedroht damit die kritische Berichterstattung (Pressefreiheit: Die Hemmschwelle sinkt). Die Bush-Regierung sieht sich hingegen gleich in zwei Fällen in der Klemme. Sie betreffen allerdings – gerade umgekehrt - Praktiken der Propaganda oder der Beeinflussung der öffentlichen Meinung, die schief gelaufen sind.
Im ersten Fall hat nun plötzlich aus noch nicht näher bekannten Gründen die bei der New York Times arbeitende Journalistin Judith Miller ihr rätselhaftes Schweigen gebrochen und ist so nach 85 Tagen aus der Beugehaft entlassen worden.
Dabei ging es um die Untersuchung, welche Quelle hinter der Enttarnung der CIA-Mitarbeiterin Valerie Plame stand. Sie ist die Frau des Ex-Botschafters Joseph Wilson. Dieser hatte die Bush-Regierung vor dem Irak-Krieg in Bedrängnis gebracht, weil er die auch von US-Präsident in seiner "Rede an die Nation" (Januar 2003) geäußerte und von Cheneys Office of Special Plans) verbreitete Anschuldigung, Hussein habe versucht, sich waffenfähiges Uran aus dem Niger zu beschaffen, als Fake widerlegte ("Macbeth" und die gefälschten Niger-Dokumente). Wilson war im Auftrag der CIA 2002 deswegen in den Niger gereist. Vermutlich weil es dem Weißen Haus mitten in der Kriegsvorbereitung nicht passte, gab man vor, von seiner Widerlegung nie etwas gehört zu haben.
Wilson beschrieb in einem Artikel für die New York Times im Juli 2003, wie er in den Niger geschickt wurde und schnell die Behauptung als unglaubwürdig entkräftete. Kurz darauf erschien ein Artikel des rechtsgerichteten "Washington Post"-Kolumnisten Robert Novak, der wiederum die Behauptungen von Wilson in Frage stellte und unter Berufung auf Quellen im Weißen Haus Valerie Plame als CIA-Agentin enttarnte, die ihren Mann angeblich selbst in den Niger gesandt habe. Allgemein wurde diese Enttarnung als gezielter Akt des Weißen Hauses gegen den unbotmäßigen Ex-Botschafter gesehen. Die Aufdeckung der Identität eines Geheimdienstmitarbeiters ist in den USA allerdings ein Straftatbestand. US-Präsident Bush versprach, in Bedrängnis geraten, sozusagen rückhaltlose Offenlegung. Novak selbst wurde bislang nicht weiter behelligt. Ein anderer Journalist, Mathew Cooper von der Los Angeles Times, hatte, nachdem er von Karl Rove, dem einflussreichen Berater von Präsident Bush, die Erlaubnis erhalten hatte, bereits dem Sonderermittler diesen als Quelle genannt (Der Zauberer von Bush).
Während Cooper so nicht in das Gefängnis musste, Nowak aus unbekanntem Grund gar nicht vor Gericht erscheinen musste, beschloss Judith Miller, obgleich sie gar keinen Artikel darüber veröffentlicht, sondern nur über den Fall recherchiert hatte, angeblich zum Schutz ihres Informanten die Beugehaft auf sich zu nehmen. Sie sagte nun dem Gericht, ihr Informant sei Lewis Libby, Vizepräsident Cheneys Stabschef, gewesen, der eben auch das "Office of Special Plans" im Auftrag von Cheney eingerichtet hat, um die "Informationen" über irakische Massenvernichtungswaffen zu schaffen, die von den Geheimdiensten nicht geliefert wurden. Miller erklärte zwar, dass sie erst jetzt die Zustimmung von Libby erhalten habe, seinen Namen zu nennen, ihre Rechtsanwälte behaupten aber, Libby habe das schon vor geraumer Zeit gemacht. So ist unklar, warum sie so lange in Beugehaft geblieben ist, angeblich auch zur Demonstration, wie wichtig es für die Medien ist, ihre Quellen zu schützen. Jetzt kann man jedenfalls gespannt darauf sein, ob tatsächlich einer der beiden oder beide Männer, die Schlüsselfiguren der Bush-Regierung sind, bestraft werden und/oder ob Bush sein Versprechen wahr macht, den Schuldigen zumindest zu entlassen.
Misstrauisch wird das Verhalten von Judith Miller in den USA auch deswegen betrachtet, weil sie vor dem Irak-Krieg derart unkritisch und geradezu als Sprecherin der US-Regierung über die angeblich im Irak vorhandenen Massenvernichtungswaffen berichtet hatte. Die New York Times entschuldigte sich deswegen gar nachträglich bei ihren Lesern (Seltene Selbstanzeige).
Täuschung der Öffentlichkeit
Aber es gibt auch noch einen anderen Fall, der zwar bereits zu Beginn des Jahres bekannt wurde, aber nun noch einmal vom Government Accountability Office in einer Entscheidung scharf gerügt wurde. Dabei geht es darum, dass das Erziehungsministerium gesetzeswidrig einen Journalisten, den bekannten schwarzen Kommentator Armstrong Williams, dafür mit Steuergeldern bezahlt hat, in Fernsehsendungen und in Zeitschriftenartikel auf das von der Bush-Regierung aufgelegte Programm No Child Left Behind Act hinzuweisen und es anzupreisen. Das Erziehungsministerium hatte auch Zeitschriften fertige Artikel und Sendern Filme zur Verfügung gestellt, in denen nicht erwähnt wurde, dass sie im Auftrag des Ministeriums entstanden sind. Überdies wurde die Werbeagentur Ketchum beauftragt, die Medienrezeption der republikanischen Partei zu beobachten. Ketchum hatte Williams in einem Untervertrag für seine Propagandatätigkeit verpflichtet. Insgesamt wurden für diese drei Fälle 240.000 US-Dollar ausgegeben.
In der GAO-Entscheidung heißt es nun, das Ministerium habe das Verbot staatlicher Propaganda verletzt und verbotene "versteckte Propaganda" betrieben. Gerügt wurde auch die Beauftragung der Werbeagentur, da damit Steuergelder für Parteiinteressen zweckentfremdet wurden. Nach dem Bekanntwerden hatte der US-Präsident erklärt, dass man keine Journalisten mehr bezahlen werde, um die Regierungsaktivitäten zu stärken. Man habe das auch gar nicht nötig. Im Erziehungsministerium war man jedoch weniger einsichtig und erklärte, solche Kommentare würden eine "ganz legitime Verbreitung von Informationen an die Öffentlichkeit" darstellen. Die Entscheidung des GAO ist zwar eine offizielle Rüge, aber sie geht mit keiner Strafe einher.
Während das Ministerium mit der Bezahlung eines scheinbar freien Journalisten und mit der Herstellung von Filmen und Artikeln die Öffentlichkeit getäuscht hat, so wären zumindest im letzteren Fall aber auch die Medien zu rügen, die vermutlich aus Kosteneinsparung vorgefertigte Produkte übernehmen und ihren Lesern/Zuschauern nicht mitteilen, dass sie von der Regierung stammen. Immerhin handelt es sich bei den vom GAO gerügten Fällen nur um die Spitze des Eisbergs. Im März 2005 haben Journalisten in der New York Times berichtet, dass die Bush-Regierung während ihrer Regierungszeit Hunderte von Videos produzieren ließ, die an Sender verteilt und dort auch als "Nachrichten" oder "Dokumentationen" gesendet wurden. Nach einem Bericht von demokratischen Kongressabgeordneten wurden in der ersten Bush-Präsidentschaft insgesamt 254 Millionen US-Dollar für eine solche "verdeckte Propaganda" ausgegeben, unter Clinton investierte man angeblich die Hälfte dieser Summe in verdeckte Regierungspropaganda.