Bankiers der Bombenleger

Die Schattenwirtschaft des Terrors, 4.Teil: Dawa und das islamische Bankensystem

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mitte der siebziger Jahre etablierten Saudi-Arabien und andere Golf-Staaten ein Bank-System, das darauf abzielte den Islam weltweit zu propagieren (Dawa). Wie sich später herausstellte, lieferte das von religiösen Prinzipien inspirierte Bankensystem gute Möglichkeiten für die Unterstützung des Al-Qaida-Netzwerks.

Ohne die generöse Unterstützung der Saudis, so der Anwalt der Opfer der Anschläge vom 11.September, Ron Motley (vgl.Das barmherzige Geld aus der Wüste), hätten die Attentäter ihre Sache niemals durchziehen können.

Saudi-Arabien hat ein ganzes Bankengeflecht geschaffen, das in erster Linie zur Finanzierung jener Länder gedacht war, die sich an der Verbreitung eines sunnitischen Islam "hanbalistischer Ausrichtung" (unter dessen Einfluss auch der saudische "Wahhabismus" steht) beteiligen wollten.

Jean-Charles Brisard

Tatsächlich sind die Beziehungen in dem jahrelang gewachsenen "Geflecht" undurchsichtig und schwer zu durchleuchten; im Netz tummeln sich legale wie illegale Geschäftspartner, ausgemachte Schurken, Waffen- und Drogenhändler profitier(t)en davon, Terrorgruppen, aber auch Geheimdienste waren /bzw. sind darin verflochten; Hilfsorganisationen (vgl. Das barmherzige Geld aus der Wüste) und schließlich all jene, die durch das Ölgeschäft in vielfältigen, legalen Geschäftsbeziehungen zum saudischen Königreich stehen - wie die Familie Bush sowie einige Mitglieder der gegenwärtigen US-Regierung.

Drei Schlüssel, so der französische Experte für die Finanznetzwerke terroristischer Gruppen, Jean-Charles Brisard, gebe es, um die Rolle Saudi-Arabiens bei der Verbreitung einer radikalen Form des Islamismus zu verstehen: die religiöse Mission, das Erdöl als "Abschreckungswaffe gegenüber dem Westen" und das Bankensystem als "Instrument der religiösen Ambitionen".

Die islamischen Bankenkonsortien sind demnach wahre "Pfeiler" für die Unterstützung der Islamistenbewegungen. An prominenter Stelle führt Brisard hier die Faisal-Islamic Bank, die al-Baraka-Islamic Investment Bank, deren Namen im Titel der Klage der Opfer der Anschläge vom 11.September steht (Das barmherzige Geld aus der Wüste), und die Dar al-Mal-al-Islami (DMI) an.

Da Personal- und Handlungsstränge in dem Geflecht aus Holdings, Finanzinstituten und Banken in Zahl und Art der unterschiedlichen Beziehungen an die Vielzahl der Protagonisten und ihrer Verhältnisse im russischen Roman "Krieg und Frieden" heranreicht, soll hier als Beispiel nur ein Strang verfolgt werden.

al-Shamal-Islamic Bank und Tadamon-Islamic Bank

Zur Holdinggesellschaft namens Wadi al-Aqiq, die sich Osama Bin Laden im Sudan aufgebaut hat, gehören laut Ermittlungen auch Einlagen im Wert von 50 Millionen Dollar bei der al-Shamal-Islamic Bank. Diese Bank soll ihm den Transfer von Geldern an die "Fronten des Dschihad" (Brisard) ermöglicht haben. Der Generaldirektor der al-Shamal Islamic-Bank soll zunächst die Beteiligung abgestritten, aber später zugegeben haben, dass es dort - bis 1995 - ein Konto der Wadi al-Aqiq-Holding gegeben hat. Das Pikante an dieser Geschichte ist zunächst, dass die Gelder eigentlich schon 1994, zum Zeitpunkt der Aberkennung der saudischen Staatsbürgerschaft von Bin Laden, eingefroren hätten werden müssen.

Eine der Schlüsselaktionäre und Teilhaberin der al-Shamal Islamic Bank ist die Tadamon Islamic Bank, die zweitwichtigste Bank des Sudan. Im Aufsichtsrat der Tadamon Islamic Bank sitzt die Tochtergesellschaft der Faisal Islamic Bank in Khartum, die National Co. for Development and Trade.

Die 1977 gegründete Faisal-Islamic Bank wird von einem saudischen Prinzen geleitet, Muhammad al-Faisal al-Saud, und ist Tochter der Islamic Investment Company of the Gulf mit Sitz in Bahrain, deren Holdinggesellschaft wiederum die Dar al-Maal al Islami (DMI) ist. "Es ist sehr unwahrscheinlich", so Brisard, "dass die Leitung der DMI nicht über die von ihrer Tochter Tadamon Islamic Bank getätigte Hauptinvestition informiert war."

Zu den Hauptaktionären der Tadamon Islamic Bank gehörte 1998 auch die Dubai Islamic Bank, gegründet 1975, als Leiter der Bank fungierte jahrelang der Finanzminister der Emirate, Khalfan bin Kharbash. Angeblich soll die CIA Beweise für regelmäßige Zahlungen an Organisationen haben, die mit Bin Laden in Verbindung stehen.

Unzweifelhaft dokumentiert ist die Beteiligung der Dubai Islamic Bank in Höhe von 80 Millionen Dollar am Vermögen der Bank of Credit and Commerce, der berüchtigten BCCI.

BCCI

Ein CIA-Chef bezeichnete die BCCI einmal launig als "Bank of Crooks and Criminals International"; sie machte in den neunziger Jahren durch einen großen Skandal von sich reden. Laut Brisard bildete sie den "Kern eines Finanzsystems, das zur Unterstützung Osama Bin Ladens eingesetzt wurde" (vgl. Die verbotene Wahrheit).

Die BCCI gewährte nach dem Loan-Back-Verfahren im Gegenzug für Kapitaleinzahlungen hohe Darlehen ohne wirkliche Sicherheiten; sie führte, wie die italienische Wirtschaftswissenschaftlerin Loretta Napoleoni ("Der Krieg ist unser Leben") formuliert die "Politik der Blankokredite" ein; Kunden wurden hohe Kreditsummen gewährt, ohne dass dafür weitere Sicherheiten verlangt wurden als deren Einlage. Diese Kredite erwiesen sich als probates Mittel, wenn es darum ging, Geschäfte wichtiger Kunden mit dem westlichen kapitalistischen System zu fördern.

In den 79er und 80er Jahren erhielt z.B. der saudische Großunternehmer Gaith Pharaon ungesicherte Kredite in Höhe von geschätzten 500 Millionen Dollar. Damit kaufte Pharaon für die BCCI u.a. Aktien von zwei US-Banken, der National Bank of Georgia und einer kalifornischen Bank. Der Saudi fungierte somit als "Strohmann, um internationale Regelungen und Kontrollen im Bankgewerbe zu umgehen (Napoleoni); die BCCI schob in einige Male vor, um Überprüfungen durch die US-Bankenaufsicht zu vermeiden.

Die amerikanischen Behörden legten später umfangreiche Steuerflucht-und Geldwäschegeschäfte der Bank an den Tag. In die Geschäfte der Bank war so ziemlich jeder verwickelt, der Rang und Namen in den großen Dunkelmeister-Geschäften der Welt hat: von Pablo Escobar über Noriegas, der CIA bis zu Qadeer Khan, der dubiosen Figur der pakistanischen Atomforschung.

Allerdings merkt Napoleoni an, hielten manche Bankiers aus der Drtten Welt und aus Arabien die Strategien der BCCI, mit denen sie in der internationalen Finanzwelt aufstieg, dennoch für richtig, weil sie darin eine "Alternative zur westlichen kapitalistischen Ausbeutung" sahen; für viele Beobachter liegen die Uraschen ihres Scheiterns in den Verbindungen zur westlichen Finanzinstitutionen und nicht in ihren betrügerischen Methoden.

Der mächtigste Bankier des mittleren Ostens

Direktor der Bank war lange Zeit der "mächtigste Bankier des mittleren Ostens", wie ihn ein amerikanischer Senatsauschuss 1992 nannte: Khalid bin Mahfouz, dessen Schwester mit Osama Bin Laden verheiratet sein soll, wie der Ex-CIA-Chef James Woolsey bei einem Hearing des amerikanischen Senats 1998 behauptete. Die ehemalige amerikanische Außenministerin Madeleine Albright warf Khalid bin Mahfouz im Zusammenhang mit den Attentaten auf die amerikanischen Botschaften in Afrika 1998 vor, dass der Bankier mehrere Millionen Dollar auf Konten von terroristischen Vereinigungen in London und New York geschleust habe.

Die Familie Bin Mahfouz, die wie die Familie Bin Laden aus Jemen stammen und sich in Saudi-Arabien niedergelassen haben, besitzen eines der größten Vermögen der Welt. Ihr Imperium deckt die wichtigsten Wirtschaftsektoren in Saudi-Arabien wie im Ausland ab, Banken, Pharmaindustrie, Telekommunikation usw.. Sie hält Mehrheitsbeteiligungen in knapp 760 Unternehmen der ganzen Welt; mehrere dieser Unternehmen weisen "Berührungspunkte mit dem Umfeld von Osama Bin Ladens" auf. Und wie hinzu zu fügen wäre, auch mit der Familie Bush, die indirekt in einige Geschäfte der Bank verwickelt war.

Bis zum Jahr 1999 stellte die Bin Mahfouz-Familie die Führung der ersten Bank Saudi-Arabiens, der NCB (National Commercial Bank), die der Vater des Familienclans 1950 gegründet hatte. 1999 entdeckten die US-Behörden verdächtige Transfers der NBC zu karitativen Unternehmungen, die Osama Bin Laden nahe standen. Bei diesen Transaktionen soll es sich um kaum glaubliche astronomische Summen gehandelt haben, die sich laut Brisard auf zwei Milliarden Dollar belaufen.

Saudische Behörden bestätigten später "massive Transfers", die in falsche Hände gelangten, die Bin Mahfouz-Familie wurde aus der Führung der NCB entfernt, was aber nicht hieß, dass sie auch von ihren anderen Bankgeschäften enthoben wurden. Der Bruder von Khalid, Muhammad bin Mahfouz, ist Gründer der Saudi-Sudanesischen Bank, die unmittelbar in Osama Bin Ladens Finanzgeschäfte verwickelt ist und die Oxford-Adresse mit der Wohltätigkeitsstiftung International Islamic Relief Organization (IIRO) teilt, die ebenfalls als Geldlieferant für Al-Qaida gilt (Das barmherzige Geld aus der Wüste.)

Der Sohn Khalid Bin Mahfouz, Abdul Rahman, ist der Manager einer anderen großen Wohltätigkeitsorganisation, die zu den Finanzquellen des Terrornetzwerkes gezählt wird, der Blessed Relief, die jahrelang Gelder von der Saudi National Commercial Bank erhielt.

Jean-Charles Brisard, Guillaume Dasquié: Die verbotene Wahrheit. Die Verstrickungen der USA mit Osama Bin Laden, Rowohlt Taschenbuch. 8,90 Euro