Dieselgate: Bundeskanzlerin abgetaucht

Die Energie- und Klimawochenschau: Von zweifelhaften Rettungsversuchen für die suizidale Automobilindustrie, einer boomender Windbranche und hartnäckigem Widerstand gegen Netzausbau in Franken

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Auch in dieser Woche ist das überragende Thema unseres wöchentlichen Überblicks die Zukunft des Autoverkehrs und des Verbrennungsmotors. Eigentlich sollte Sommerpause sein und die Bundeskanzlerin hatte sich schon auf einen möglichst inhaltsleeren Wahlkampf gefreut. Doch vergebens. In den letzten Wochen ist der Abgasskandal wieder so richtig schön hoch gekocht, und am heutigen Mittwoch soll ein "Nationales Diesel-Forum" die Sache richten.

Doch dass sich danach alles wieder beruhigen wird, ist eher unwahrscheinlich. Enttäuschungen seien unvermeidlich, prognostiziert zum Beispiel die Welt. Bestenfalls werde herausgekommen, dass die entsprechenden Autos nachgerüstet, sprich auf Kosten der Hersteller neue Software aufgeladen bekommen. Ob das reichen wird, um die Abgasnormen zu erfüllen und die anhaltend hohen und seit rund sieben Jahren gesetzeswidrigen Emissionen unter die Grenzwerte zu drücken ist fraglich.

An diversen Messstationen deutscher Großstädte werden wie zum Beispiel im Berliner Bezirk Neukölln die seit 2009 bzw. 2010 geltenden Grenzwerte für den Jahresmittelwert des Stickstoffdioxids (NO2) ständig überschritten. In Neukölln bisher noch in jedem Jahr seit der Einführung. Hohe NO2-Konzentrationen sind eine der Voraussetzungen für die Bildung bodennahen Ozons, des sogenannten Sommersmogs. Außerdem kann es Kindern und Menschen mit Atemwegserkrankungen gefährlich werden und bildet Feinstaubpartikel. Etwa die Hälfte des für die Ozonbildung verantwortlichen NO2 kommt aus dem Straßenverkehr.

Gerichtsurteil macht Druck

Wie berichtet hatte am Freitag vergangener Woche ein Verwaltungsgericht in Stuttgart der Deutschen Umwelthilfe recht gegeben, die für die baden-württembergische Landeshauptstadt Fahrverbote für besonders umweltschädliche Autos gefordert hatte.

Nach einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten sehen die Richter die grün-schwarze Landesregierung in der Pflicht, sofort für die Einhaltung der Grenzwerte zu sorgen. Sie hätten damit, schreibt die Zeitung, dem "Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit für die von den überhöhten Schadstoffkonzentrationen betroffenen Einwohner (...) über den Schutz der Rechtsgüter Eigentum und allgemeine Handlungsfreiheit von betroffenen Autoeigentümern" gestellt. In Stuttgart würden die Stickstoffdioxid-Grenzwerte stellenweise um bis zu 100 Prozent überschrittenen. Aufschub bis 2020 sei nicht hinnehmbar.

Wer entschädigt Autohalter?

Bundesregierung und Hersteller halten indes weiter an ihrem Umrüstungsplan fest. Erst am Donnerstag kam der Rückruf für 22.000 Wagen vom Typ Porsche Cayenne TDI, die nun auf Geheiß des Bundesverkehrsministers nachgerüstet werden müssen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte ein zeitweises Zulassungsverbot verhängt. Bis die neue Software zur Verfügung steht, darf Porsche dieses Modell nicht mehr verkaufen.

Der Motor mit der Mogel-Software stammt von Audi, wie unter anderem die Deutsche Welle berichtet. Die VW-Tochter muss daher 24.000 Fahrzeuge zurückrufen, die den gleichen Motortyp verwenden. Insgesamt will allein Audi 850.000 Fahrzeuge nachrüsten.

Da fragt sich nicht nur, ob damit denn tatsächlich die Emissionen gemindert und die Schadstoffbelastungen in den Ballungsräumen gesenkt werden können. Und es fragt sich, was das alles für die Fahrzeughalter bedeutet. Bekommen sie für die Zeit, die ihr Wagen nicht fahren darf, einen Ersatz gestellt. Und was passiert, wenn durch die Nachrüstung der Kraftstoffverbrauch steigt, wie es nach einem Bericht des Focus Tests des ADAC vermuten lassen. Wer kommt in dem Falle für die Mehrbelastung des Verbrauchers auf. Und was passiert, wenn tatsächlich in vielen Städten nicht mehr mit Diesel gefahren werden kann und die alten Fahrzeuge über Nacht unverkäuflich werden?