AfD-Strategiedebatte: Islamisten als Bündnispartner gegen Queers und Liberale?
Der AfD-Politiker Maximilian Krah würde konservative Muslime "liberalen Eliten" vorziehen, sagt er. Sein Parteifreund Krause hält dagegen. Was folgt daraus?
Ein kontroverses Podium hatte der rechte Thinktank "Institut für Staatspolitik" (IfS) dieses Jahr auf seinem Sommerfest in Schnellroda angekündigt. Dabei sollten lediglich zwei AfD-Männer über den Islam diskutieren – moderiert von dem Verleger und IfS-Mitgründer Götz Kubitschek.
Kontrovers wurde es trotzdem, denn es gibt ja noch andere Ärgernisse für dieses Milieu und – wenn es etwa um Feminismus oder die queere Szene geht – durchaus auch Schnittmengen mit konservativen Muslimen bis hin zu Islamisten.
Islamische Versuchung: AfD-Mann lobte Erdogan
Der AfD-Europaparlamentarier Maximilian Krah gibt das unumwunden zu und sieht hier potenzielle Verbündete – bereits Ende 2023 hat er ein TikTok-Video veröffentlicht, in dem er den autoritären türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan als Vorbild für "schwache" deutsche Politiker anpries.
Tim Krause, Pressesprecher der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag, gab auf Kubitscheks Podium den Mahner und Warner vor dem Islam. Von Correctiv war er Anfang des Jahres als Teilnehmer des Potsdamer "Geheimtreffens" von AfD-Politikern und Identitären zum Thema "Remigration" geoutet worden.
Lesen Sie auch:
Das IfS-Sommerfest in Schnellroda fand bereits Mitte Juli statt, inzwischen haben die Veranstalter einen Videomitschnitt der Podiumsdiskussion auf ihrem Youtube-Kanal und der Plattform X veröffentlicht.
Pragmatisches Umdenken statt Remigrationspläne?
Moderator Kubitschek wollte zunächst nicht – oder höchstens am Rande – über die theoretische oder religiöse Dimension des Islam reden, sondern betont pragmatisch über die Frage: "Was tun, da es jetzt so viele von denen hier gibt und wir damit in irgendeiner Weise zurechtkommen müssen?" Man habe zwar einen "Remigrationsexperten" eingeladen, so Kubitschek, aber: "Jetzt tun wir mal so, als bliebe davon ein erheblicher Teil".
Darunter auch solche, die laut Kubitschek "vielleicht konservativer wirken als der eine oder andere Volksgenosse, den wir – leicht bekleidet und komisch unterwegs in jeder Stadt – mindestens zehnmal begrüßen können, wenn wir zum Bäcker gehen."
Krah-Position zum Islam noch untypisch für die AfD
Krah räumte gleich zu Beginn ein, dass seine Position "sicher untypisch" sei – er glaube aber, "dass sie diejenige ist, die wir in Zukunft einnehmen werden". Er hoffe, dass der Applaus für ihn am Schluss noch so groß sein werde wie am Anfang – "Inschallah", fügte Krah augenzwinkernd hinzu.
"Der Islam gehört zu Saudi-Arabien", diesen Satz wollte er dennoch voranstellen. Dort hatten "die Araber" ein Recht auf ihre Identität, wie eben "wir" auch hier. In Regenbogenfarben angestrahlte Fußballstadien sollte es nach Meinung von Krah "weder in München noch in Katar" geben.
So erklärte er den Unterschied zwischen der Islamkritik von Liberalkonservativen und AfD: Letztere sei vor allem eine Einwanderungskritik – also auch eine Kritik an den "liberalen Eliten, die diese Einwanderung forcieren", so Krah.
"Wir sagen: Wir wollen eigentlich diese islamische Einwanderung nicht, wir wollen nicht, dass hier in einer Gegend, die traditionell deutsch, europäisch kulturell geprägt ist, plötzlich es in den westdeutschen Ballungsräumen Moscheen gibt und Gegenden gibt, die überwiegend islamisch geprägt sind."
Islamkritik vs. Einwanderungskritik
Liberalkonservative würden dagegen Ideologiekritik betreiben – an einem "traditionellen, religiös begründeten Kultursystem, das zwar nicht europäisch ist, aber das in Saudi-Arabien, im Iran und in der Türkei sehr wohl sein Recht hat."
In einer rhetorischen Frage ließ Krah durchblicken, dass er auch in Deutschland mit konservativen islamischen Unternehmern, die bereits vor Jahrzehnten eingewandert sind, besser leben kann als mit nervigen "Universalisten", die den Islam kritisieren, weil er aus ihrer Sicht reaktionär, misogyn und queerfeindlich ist.
Krause hielt sich als Erfahrungswert zugute, mehrere Jahre in islamisch geprägten Ländern gelebt zu haben – er dementierte aber das Gerücht, dass er jemals zum Islam konvertiert sei, um in Marokko eine Frau "aus der dortigen Oberschicht" heiraten zu können. Letztere würde übrigens wegen hoher Steuerlasten und Energiepreise nie nach Deutschland migrieren, betonte er.
Unterstellung: Moderate Muslime "werden sich drehen"
Der Islam kam bei Krause deutlich schlechter weg als bei Krah. Krause beschrieb ihn als inkompatibel mit westlichen Demokratien und verglich ihn mit einer Massenpsychose. Im islamischen Denken gebe es eine "Gottessouveränität", die mit Volkssouveränität nicht vereinbar sei.
Die moderaten Muslime würden auch in Deutschland von den radikalen zuerst bekämpft: "Und sie werden sich drehen", behauptete Krause. Zudem beschrieb er den Islam als "Hauptursache für Terrortote" weltweit. Er warne vor zu großem Optimismus, betonte er.
Krah teilt gegen Altkanzlerin Merkel aus
Krah entgegnete: "Das Problem ist, wir haben mittlerweile so viele Leute im Land, die aus muslimischen Ländern kommen, dass wir nicht umhinkommen, genauer hinzuschauen." Die Religion bestimme nicht unbedingt die gesamte Identität.
Es gebe immer noch einen Unterschied zwischen einem "ethnischen Türken" und "irgendeinem radikalen Syrer, der jetzt 2015 von Merkel hierher gerufen wurde", sagte Krah mit Blick auf die vermeintliche Grenzöffnung der damaligen Bundeskanzlerin, die während der sogenannten Flüchtlingskrise die bereits offenen Grenzen nicht geschlossen hatte.
Die Türkei leide ebenso wie Deutschland unter sinkenden Geburtenraten, betonte Krah. Das setze auch der islamischen Expansion faktische Grenzen. Die eigentlichen Gegner seien "linksliberale Eliten, die davon träumen, hier Millionen reinzulassen". Daran solle niemand dem "armen Schwein, das hierhergelockt wurde" die Schuld geben.
Mit konservativen Muslimen, die bereits länger in Deutschland leben, müsse ein "Modus vivendi" gefunden werden, so Krah. Letztere seien ihm lieber als "diese Hybriden, die alles aufgeben".
Auch taktische Bedenken: AfD kurz vor Verbotsverfahren?
Krause betonte daraufhin ebenfalls die Feindschaft zum "Kulturmarxismus grüner Ausprägung", beharrte aber darauf, dass zugleich der Islam eine immense Bedrohung sei und gebrauchte dabei Worte wie Massenpsychose. "Die Gefahr, der wir jetzt gegenüberstehen", sei nicht zu unterschätzen, so Krause.
Nach Einschätzung von Krah führt allerdings "Religionskritik" dieser Art die AfD "direkt ins Verbotsverfahren", wie er Krause in Schnellroda vorhielt. Krah will deshalb den Hebel für eine "Remigration" der ärmeren und später zugewanderten Muslime bei den Sozialleistungen ansetzen. Letzteres dürfte an mehr als eine bürgerliche Partei anschlussfähig sein.
Der AfD-Islamkonvertit und die Religionsfreiheit
Zum Thema Religionsfreiheit: Als 2018 das brandenburgische AfD-Mitglied Arthur Wagner zum Islam konvertiert war, den Namen Ahmad angenommen hatte und "den deutschen Islam aufbauen" wollte, war die Reaktionen seines Kreisvorsitzenden Kai Berger zwar eindeutig negativ, die Voraussetzungen für einen Parteiausschluss waren aber nicht erfüllt, da die AfD formell nicht die Religionsfreiheit in Frage stellt.
"Viele Mitglieder erwarten, dass er die AfD verlässt. Ausschließen kann man ihn leider nicht", sagte Berger seinerzeit der Bild. Die Pressekonferenz, die Wagner damals selbst abhielt, um seinen Schritt zu begründen, hielten manche Medienvertreter zunächst für einen Scherz, hinter dem Jan Böhmermann oder das "Zentrum für politische Schönheit" hätten stecken können. Wagner soll aber versichert haben, er meine es ernst – außerdem sei es im Islam streng verboten, Witze über den Islam zu machen.
Als wesentliches Motiv, sich von der evangelischen Kirche ab- und dem Islam zuzuwenden, hatte Wagner laut Medienberichten erwähnt, dass ihm ein Wagen der evangelischen Kirche beim queeren Christopher Street Day in Berlin sauer aufgestoßen sei. Nach seinen sprichwörtlichen "15 Minuten Ruhm" ist es still um ihn geworden.
CSD-Party in Bautzen wegen Neonazis abgesagt
Was es aber bedeutet, von der Springerstiefel-Fraktion der Rechten als Feind markiert zu werden, mussten die rund 1.000 Teilnehmenden des Christopher Street Days am Samstag im sächsischen Bautzen erleben: Die Abschlussparty des CSD wurde dort aus Sicherheitsgründen abgesagt, nachdem hunderte Neonazis aufmarschiert waren, um die Veranstaltung zu stören.
Eine Demonstration mit rund 680 Teilnehmern hatten die "Jungen Nationaldemokraten" als Jugendorganisation der Partei "Die Heimat", früher NPD angemeldet. Bei einem Aufzug der "Freien Sachsen" zählte die Polizei Teilnehmer. Die Neonazis auf der größeren Demonstration brüllten unter anderem "Unsere Regeln, unsere Stadt" und unterstellten der queeren Community auf einem Transparent "psychische Probleme".