Auch in Spanien tagt eine Untersuchungskommission

Die Untersuchung über viele ungeklärte Umstände bei den Anaschlägen vom 11.3. in Madrid findet allerdings weitgehend außerhalb der Kommission statt, die sich eher unwesentlichen Dingen widmet

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Noch immer beschäftigt sich die parlamentarische Kommission zur Untersuchung der Anschläge vom 11. März in Madrid im wesentlichen mit der nicht wesentlichen Frage, wie stark die abgewählte konservative spanische Regierung die Informationen manipuliert hat (Schwierige Aufklärung).

So geht es weiter darum, wann die Ermittlungsbehörden von einem Anschlag Al-Qaidas ausgingen und die Täterschaft der baskischen Untergrundorganisation ETA verwarfen. Am Donnerstag erklärte der Ermittlungsrichter Baltasar Garzón, schon am Nachmittag vom 11. März hätten die Polizeispitzen ihm gegenüber von islamistischen Tätern gesprochen. Die Regierung der konservativen Volkspartei schob die Anschläge tagelang der ETA in die Schuhe.

Bedeutsame Fragen gehen weiter unter. Geheimdienstdokumente werden von der neuen sozialistischen Regierung nicht frei gegeben und vor allem verhindert ihre Mehrheit im Ausschuss, die Rolle der Spitzel der Sicherheitskräfte in das Massaker zu beleuchten (Neue Festnahmen, neue Spitzel)

Derzeit macht vor allem der Spitzel der Guardia Civil Rafael Zuheir von sich reden. Aus dem Gefängnis schreibt er reichlich Briefe. Wie die Tageszeitung El Mundo gestern berichtete, schrieb er nun an den Präsidenten der Untersuchungskommission Paulino Rivero. Zuheir erklärte, er habe die Guardia Civil zweimal über den Sprengstoffverkauf informiert, bei dem der als Vermittler zwischen einem Spitzel der Nationalpolizei und den mutmaßlichen islamistischen Attentätern diente: "Ich habe gewarnt, doch die Eliteeinheit der Guardia Civil hat erklärt, alles sei unter Kontrolle."

Zuheir schiebt nach, er habe fünf Monate später, also im September/Oktober 2003 die Spezialeinheit (UCO) erneut vor dem "schwarzen Sprengstoffmarkt" in Asturien gewarnt, der von dem Spitzel der Nationalpolizei und Ex-Minenarbeiters José Emilio Suárez Trashorras und dessen familiäres Umfeld organisiert worden sei. Mit dem von Trashorras gestohlenen mehr als 200 Kilogramm Dynamit Goma 2 Eco sollen die Anschläge ausgeführt worden sein.

Zuheir bestreitet so die Version eines Berichts der Spezialeinheit, die der Kommission übermittelt wurde. Definitive Hinweise seien von dem "sporadischen Mitarbeiter" erst nach den Anschlägen gekommen. Zwar habe er Anfang 2003 Trashorras als Sprengstoffdealer bezeichnet, aber "intensive polizeiliche Ermittlungen" hätten das nicht bestätigt. Weil er keine neuen Daten geliefert habe, seien die Kontakte quasi abgebrochen worden. Von der Warnung fünf Monate später liest man nichts in dem Bericht des Generaldirektors der Guardia Civil, Carlos Gómez Arruche, den er am 5. Mai über die "Bedingungen der Zusammenarbeit des Marokkaners" schrieb. Dieser Bericht, der die Guardia Civil entlasten soll, wurde von der Zeitung El Pais komplett veröffentlicht, die mit den Sozialisten eng verbunden ist.

Nur langsam sickern Informationen an die Öffentlichkeit. Man fragt sich, warum ausgerechnet die Sozialisten es verhindern, die Spitzel Zuheir und Trashorras oder ihre Kontaktbeamten vorzuladen. Auffällig ist, dass die für ihre Lügen angegriffenen Konservativen in dieser Woche mit Unterstützung der Vereinten Linken die Spitzel vernehmen wollen.

Will die PSOE die Guardia Civil vor einem erneuten Skandal bewahren? Die Beziehungen zueinander sind traditionell gut. Man erinnere nur an die staatlichen Todesschwadrone (GAL) in der sozialistischen Ära, in welche die Guardia Civil in den 80er Jahren bis zur Halskrause verstrickt war (Falange bereitet schmutzigen Krieg gegen Basken vor). Dass der Mörder und Guardia Civil General Enrique Rodríguez Galindo (Manche Mörder sind gleicher) nach dem Machtwechsel im März sofort Freigang erhielt, obwohl er nicht einmal fünf seiner 75 Jahre abgesessen hat, ist bezeichnend.

Zuheir hat auch in zwei Briefen an El Mundo beklagt, er werde von der Guardia Civil bedroht. Im zweiten Brief hatte er geschrieben: "Die Opfer haben ein Recht zu wissen, ob ich mit einer bewaffneten Bande oder mit einer Bande der Guardia Civil kollaboriert habe." Er legt damit eine Verwicklung der Militäreinheit in die Anschläge nahe. Er und Freunde seien "mit dem Tod" bedroht worden, damit sie das Wissen für sich behalten. Auch seine Familie werde bedroht, hatte El Mundo weiter berichtet.

Die Regierung musste angesichts der Briefe zugeben, dass es zwei Besuche der Guardia Civil bei Zuheir im Knast von Valdemoro gegeben hat. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet und vor dem Richter habe Zuheir die Anschuldigungen bestätigt. Drei Beamte hätten beim Besuch im Gefängnis gesagt, "für seine Gesundheit" sei es besser weder mit dem Richter noch vor der Kommission über die Anschläge zu sprechen: "Du bist einer von uns und dafür werden wir dich hier raus holen", hätten die drei für das Schweigen angeboten.

Ebenfalls nicht über die Kommission, sondern über Veröffentlichungen in der Presse, kommt erneut ans Licht, dass der Nationale Geheimdienst (CNI) offenbar im Zuge der Ermittlungen zum 11. März erneut Politiker illegal abgehört hat. Aus einer veröffentlichten Notiz geht hervor, unter den Belauschten habe sich erneut der Chef der Republikanischen Linken Kataloniens Josep Lluís Carod-Rovira befunden (Spaniens Geheimdienste erneut im Fadenkreuz. Dessen Partei, die ERC, und andere Fraktionen im Parlament fordern nun Aufklärung und wollen die Vizeministerpräsidentin María Teresa Fernández de la Vega vor dem Verfassungsausschuss hören. Andere Politiker haben inzwischen Strafanzeige gegen den CNI gestellt. Sollte es sich um ein Dokument des CNI handeln, käme die Regierung in arge Not. Sie hatte die Geheimhaltung bestimmter Geheimdienstdokumente vor der Kommission damit begründet, es könnten Rückschlüsse auf Quellen ausländischer Dienste gezogen werden. Im Fall dieses Dokuments hätte sie gelogen.