Ausschluss von Russen aus Bundestag: Sperren, schweigen, schönreden
- Ausschluss von Russen aus Bundestag: Sperren, schweigen, schönreden
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Telepolis hatte den Stopp eines Stipendienprogramms publik gemacht. Nun soll die Entscheidung vor ein Parlamentsgremium kommen
Der Ausschluss junger russischer Akademiker aus einem Stipendienprogramm des Bundestags sorgt parlamentsintern weiter für Debatten. Nun wird die umstrittene Entscheidung, die von Vertretern der Regierungsfraktionen und der Unionsfraktion am 24. Februar – dem Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine – getroffen worden war, den Ältestenrat des Bundestags befassen. Wie Telepolis aus Oppositionskreisen erfuhr, wird das Gremium eine mögliche Wiederaufnahme beraten.
Telepolis hatte in der vergangenen Woche exklusiv berichtet, wie das für internationale Austauschprogramme zuständige Parlamentsreferat fast zeitgleich zum russischen Einmarsch in die Ukraine in den zuständigen Abgeordnetenbüros um Aussetzung des Internationalen Parlamentsstipendium (IPS) gebeten hatte.
Weltweite Demonstrationen gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine (21 Bilder)
Betroffen von der Ad-hoc-Entscheidung, an der Referatsleiterin Sybille Koch führend beteiligt war, sind keine Militärs, Putin-Freunde oder Oligarchen, sondern junge Akademiker, aus deren Kreis viele gerade unter erheblichen persönlichem Risiko gegen den Feldzug des russischen Präsidenten im Nachbarland auf die Straße gehen.
Von den jährlich bis zu 120 Stipendien entfielen zuletzt jeweils acht geschlechterparitätisch auf Russland und die USA, es waren die größten Ländergruppen. Fünf der aktuellen Anwärterinnen und Anwärter aus Russland müssen nun zu Hause bleiben, alle künftigen auch – obgleich man mit einem akademischen Job die Zwangsrekrutierung für den Ukraine-Krieg vermeiden kann.
Über die Entscheidung gab es weder eine Debatte noch eine stimmige inhaltliche Begründung. Und dies, obgleich es auf der entsprechenden Bundestagsseite heißt, das Programm sei "offen für hochqualifizierte, engagierte, aufgeschlossene und politisch interessierte junge Frauen und Männer, die den Willen haben, die demokratische Zukunft ihres Landes aktiv und verantwortlich mitzugestalten".
Man könnte davon ausgehen, dass dies in Russland, wo unter dem Eindruck von Kriegsgesetzen die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, ein solches Programm wichtiger als je zuvor ist. Eine Aussprache darüber soll nun auf Initiative des parlamentarischen Geschäftsführers der Linksfraktion, Jan Korte, nachgeholt werden.