Baerbock & Co.: Deutsche Außenpolitik setzt auf Sanktionen statt auf echte Partnerschaft

Seite 2: Die Abwanderung der Außenpolitik aus dem Auswärtigen Amt

Dem Auswärtigen Amt als dem zentralen Ort zur Gestaltung der internationalen Präsenz Deutschlands gelingt es immer weniger, seine koordinierende Rolle wahrzunehmen.

Viele Ministerien folgen ihren eigenen außenpolitischen Zielen und versuchen daraus auch politische Vorteile zu gewinnen: Dies reicht vom Bundeswirtschaftsminister bis zum Innenministerium, die sich darum bemühen, durch außenpolitisches Profil ihre innenpolitischen Aufgaben abzusichern, sei es durch Sicherung von Gaslieferungen oder Rohstoffvereinbarungen, die Versorgungssicherheit bei Medikamenten und medizinischen Gütern oder die Abwehr von Migrationsströmen.

Auch wenn es der Außenministerin gelingt, mit symbolischen Aktionen wie der Rückgabe der Benin-Bronzen Beifall zu finden, so sind doch viele dieser Initiativen wenig dauerhaft angelegt und verpuffen schnell.

Zunehmend tritt das Bundeskanzleramt mit eigenem außenpolitischem Profil auf – eine Pluralität deutscher Projektion bei den Partnern, die zuweilen den Charakter institutioneller Konkurrenz annimmt. Ob bei dieser Grundbefindlichkeit noch ein konstruktiver Gesamtwillen vorliegt, dürfte insbesondere bei den traditionellen Partnern Deutschlands immer mehr in Zweifel gezogen werden.

Durch die jetzt anlaufenden Bemühungen verschiedener Ressorts, mit unterschiedlichen Ländern auf der Welt Energie-, Wasser- und Rohstoff-, Klima- und Innovationspartnerschaften zu vereinbaren, wird das Risiko der gegenseitigen Verdrängung immer größer. Einem gemeinschaftlichen Auftritt Deutschlands in der Welt ist diese Entwicklung wenig zuträglich.

Es fehlen nicht nur geeignete Abstimmungsprozesse zwischen den Ministerien, auch die Gestaltung von Politik- und Finanzierungsinstrumenten sowie technischer Zusammenarbeit ist defizitär. Diese Mängel werden zum großen Hindernis für eine qualifizierte Zusammenarbeit mit Partnerländern und ein konsistentes Auftreten Deutschlands auf der weltpolitischen Bühne.

Neben den traditionell aktiven Ministerien wie dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klima, dem Umweltministerium und dem Forschungsministerium ist nun auch noch das Gesundheitsministerium aktiv geworden, das im Zeichen der Knappheit von Medikamenten internationale Produktentwicklungspartnerschaften vorantreibt. Das Innenministerium versucht derweil, mit Mobilitätspartnerschaften den Zuwanderungsdruck zu kontrollieren.

Zudem bietet die Außenministerin Wertepartnerschaften an, die – wie etwa im Falle Indiens – auf wenig Gegenliebe gestoßen sind. Möglicherweise werden von den anvisierten Partnern eher übereinstimmende strategischen Interessen gesucht und weniger eine normativ aufgeladene Beziehungsstruktur, deren Unterfütterung weithin ungeklärt ist.

Damit läuft die deutsche außenpolitische Präsenz Gefahr, einem Patchwork-Muster von sektoralen Partnerschaftsangeboten anheimzufallen, die weder miteinander oder durch das Auswärtige Amt inhaltlich koordiniert sind noch im Bereich der einzusetzenden Instrumentarien aufeinander abgestimmt sind.

Diese Neigung zur "Verpartnerschaftlichung" der Außenbeziehungen ist politisch kontraproduktiv und wird von den Partnern immer weniger ernst genommen, da die Partnerschaftssemantik eine nur symbolische Harmonisierung der unterschiedlichen Interessenlagen vorspiegelt und substanzielle Beziehungen verschüttet.

Einseitig erklärte und nicht bilateral formalisierte Partnerschaften erweisen sich auch wegen ihrer Kurzlebigkeit und Austauschbarkeit unter den von der Koalition erklärten Kohärenzansprüchen für die Außenpolitik als wenig ertragreich; konzeptionelle Zugänge werden durch einen "Flickenteppich"-Zugang ersetzt.

Deutsche Außenpolitik im Zeichen der Weltordnungsrivalität

Entschlossenes Auftreten, die Suche nach Geschlossenheit westlicher Positionen in der EU oder den G7 und nachdrücklich manifestierte Standhaftigkeit bezogen auf die "regelbasierte Ordnung"4 kennzeichnen den Gestus von Außenministerin Annalena Baerbock.

Demgegenüber bleiben die eigenen Initiativen weniger zugkräftig: Der Vorschlag eines internationalen Sondergerichts für den Ukrainekrieg hat nur sehr begrenzt internationale Unterstützung gefunden5, nicht zuletzt aufgrund der berechtigten Kritik aus Ländern des Globalen Südens, Deutschland habe es in einem vergleichbaren Fall wie dem Krieg im Jemen an entsprechendem Engagement fehlen lassen.

Dies weist auf die Schwachstelle des regierungsamtlichen Diskurses der Verteidigung der regelbasierten internationalen Ordnung hin, der sich eben durch die Anwendung von doppelten Standards auszeichnet und das eigene nationale Interessenprofil moralisch verbrämt.

Die von Bundeskanzler Olaf Scholz vor den Vereinten Nationen vorgetragene Position harrt insoweit weiterhin der Umsetzung6:

Wir alle müssen uns an den Verpflichtungen messen lassen, die wir gemeinsam eingegangen sind. Verantwortung beginnt immer bei einem selbst.

Mit dem Vorwurf an Russland und China, sie wollten eigene Ordnungsvorstellungen zur Geltung bringen, begibt sich Deutschland auf einen schwierigen Weg, da international sehr breit variierende Positionen zum deutschen Ordnungsverständnis bestehen.

Mit der Großmachtkonkurrenz sind die weltweiten Beziehungen zu traditionellen Partnern brüchiger geworden, nicht zuletzt, da sie jenseits des transatlantischen Verhältnisses der deutschen Außenpolitik durch Vernachlässigung aus dem Auge geraten sind.

Es kommt heute also darauf an, dass die Anpassung der Kooperationsangebote an mögliche Partner weltweit sehr viel genauer ausgebildet sein muss.

Von vielen Staaten, insbesondere des Globalen Südens, wird die Frage gestellt, wo fällt der Partnerschaftsgewinn an und wie wird er verteilt? Darauf muss die deutsche Außenpolitik bessere Antworten finden, wenn sich die Partnersuche nicht als oberflächliche Kontaktaufnahme entpuppen soll.

Dr. Günther Maihold (geb. 1957) ist stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Er übte eine mehrjährige Lehr- und Forschungsarbeit in Mexiko aus.

Dieser Artikel erschien zuerst bei WeltTrends